
Lisa Bassenge
Interview von Elisabeth Ok
Elisabeth: Du experimentierst offenbar zwar gerne, dabei aber nicht so gerne mit dem Skat-Gesang. Ist Dir das zu abgegriffen?
Lisa: Ich improvisiere schon, auch live. Aber es ist nicht so, dass ich diesen klassischen Skat-Gesang nicht mache, weil das für mich keine Neuigkeit ist, die gemacht werden muss. Mir geht es darum, zu berühren, Texte rüberzubringen sowie Lieder zu singen und nicht, eine Vokal-Akrobatin darzustellen.
Elisabeth: Du coverst auch nicht wie andere Sängerinnen das Standardrepertoire des Jazz, sondern suchst gezielt im Popbereich und verkleidest die Stücke quasi in ein Jazzgewand. Steckt dahinter ein gewisses strategisches Kalkül, beispielsweise um die breitere Masse anzusprechen?
Lisa: Nein, eigentlich nicht. Wir haben so angefangen, weil wir dachten, unsere Jugend sei doch gar nicht so von Jazz geprägt. Wir haben Madonna, The Cure oder AC/DC gehört und darüber sind wir dahin gekommen. Wir dachten uns, es gibt ein viel größeres Spektrum an Musik. Es gibt nicht nur diese alten Jazzstandards, sondern noch andere, richtig schöne Nummern, aus denen wir was machen könnten. Dies war das Ausgangskonzept. Dass es dann so erfolgreich geworden ist, war ein angenehmer Nebeneffekt.
Elisabeth: Was sind die Kriterien für die Zusammenstellung eurer Stücke für die Jazzband?
Lisa: Eigentlich nehmen wir oft Stücke, die uns in unserer Jugend begleitet haben. In der letzten Zeit kommen auch mehr und mehr Eigenkompositionen dazu. Es geht darum, ein Stück zu finden welches vom Text her zu mir passt. Wir verändern das so, dass es eine eigene Sache wird. Wir spielen ja die Stücke nicht im Original, sondern gestalten sie neu.
Elisabeth: Wie wichtig sind die Texte bei der Auswahl der Stücke?
Lisa: Die Texte sind schon sehr wichtig, aber es ist vielmehr das Zusammenspiel zwischen Musik und Text.
Elisabeth: Der „Junimond“ – ist das eine Reminiszenz oder eine Hommage an den verstorbenen Kollegen Rio Reiser?
Lisa: Ich finde die Stimmung dieses Liedes unheimlich schön; ein Abschied und die Trauer darüber, dass man drüber weg ist. Dass selbst der Schmerz vergeht. Sozusagen die „Trauer über die Abwesenheit der Trauer“. Das hat mich sehr berührt.
Elisabeth: Neben Deinem Trio wirkst Du noch in anderen Projekten mit – wie lassen sich diese vereinbaren?
Lisa: Das Trio gibt es nicht mehr, aktuell besteht das Quintett, die „Jazzband“ sozusagen. Paul Kleber, mein Bassist, spielt bei diesem Quintett sowie in den anderen Bands mit. Da wir beide in einer Konstellation mitwirken, können wir über das gesamte Jahr hinweg, immer so eine bestimmte Zeitspanne, dem jeweiligen Projekt zumessen und uns darauf konzentrieren.
Elisabeth: Beim Singen hast Du einen leichten, warmen, nonchalanten Südstaaten-Akzent. Hat das etwas mit deiner Biografie zu tun?
Lisa: Nein, eigentlich gar nicht, das kam erst später! Ich bin ein totaler Fan von Countrymusik und hab es jetzt auch zunehmend in mein Repertoire aufgenommen. Einmal habe ich auch einen reinen Countryabend hier in Berlin veranstaltet. Das machte mir soviel Spaß; es ist so einfach und gleichzeitig sehr gefühlvoll.
Elisabeth: Viele Künstler geben neben den zahlreichen Auftritten auch Gesangsunterricht oder Workshops. Wie sieht das bei Dir aus?
Lisa: Ja, das mache ich auch, ich gebe sowohl Workshops als auch Gesangsunterricht. Beispielsweise unterrichte ich in der studienvorbereitenden Abteilung und habe da ein paar Schüler, die im Jazzgesang Aufnahmeprüfungen machen wollen.
Elisabeth: Wie sieht Dein Alltag außerhalb der Musik aus? Lassen sich eine Künstlerkarriere und das Privatleben mit zwei Kindern gut miteinander vereinbaren?
Lisa: Ja, ich habe zwei kleine Kinder. Es ist dann eher so, dass ich mir für das Musikmachen Zeit nehmen muss! Das Gute an dem Beruf „Musiker“ ist, dass ich mir das frei einteilen und mir Auszeiten nehmen kann, die ich der Musik widme, wenn die Kinder bei ihrem Vater sind. Sonst bin ich ganz für die Kinder da.
Elisabeth: Gibt es irgendwelche Anekdoten aus den Anfangstagen – da man häufig mit den absurdesten Veranstaltungen konfrontiert wird?
Lisa: (lacht) Man sagt ja, wenn Noten zu den Bandproben mitgebracht werden, bring „Leadsheets“ mit. Meine Gesangslehrerin ist damals krank geworden und konnte nicht zum Konzert, also bestand sie darauf, dass ich den Job für sie übernehme – ich war gerade mal sechzehn. Sie gab mir die Nummer und fügte noch hinzu: Lass dir nicht anmerken, dass du noch nichts gemacht hast. Tu so, als wärst du schon lange dabei. Ich rief dort an, sie stand daneben, und der Bassist meinte dann: Bring doch mal „Leadsheets“ zur Probe mit. Ich antwortete erstaunt: wie – Litschies? Litschies aus der Dose oder was? (lacht herzlich) Im Nachhinein habe ich mich zu Tode geschämt, meine Lehrerin stand daneben und hat sich nur verzweifelt an den Kopf gefasst. Das ging dann erst quasi im Call & Response Rhythmus weiter, er sagte ständig: Leadsheets! Leadsheets! und ich antwortete, Litschies? Litschies? … bis er irgendwann sagte: Noten! – Ich sprang damit so richtig ins Fettnäpfchen.
Elisabeth: Welche Veranstaltungen stehen demnächst an?
Lisa: Wir machen die neuen CD’s von Micatone und Nylon fertig und mit der Jazzband gehen wir im Oktober wieder auf Deutschlandtour.
Das Interview führte Elisabeth Ok für Jazzdimensions (www.jazzdimensions.de: Jazz, worldmusic, songwriting & more); wir bedanken uns für die freundliche Abdruckgenehmigung.
Aktuelle CD:
„Won’t Be Home Tonight“ (2008)
Label: Minor Music
Autorin: Elizabeth Ok
31.08.2009