Jazzmusikerinnen gibt es nicht!?

Nachlese: Berliner Jazzfestival 2001

Oft haben Frauenbeauftragte, Besucherinnen und auch Musikerinnen Jazzfestival-Line Ups kritisiert. Bei vielen deutschen Jazzfestivals finden sich immer noch keine oder kaum Frauen im Programm. Das Berliner Jazzfest ist eines der tradtionsreichen deutschen Festivals. In diesem Jahr hat der künstlerische Leiter Nils Landgren (selber Posaunist und erfolgreich mit seiner Funk Unit oder als Mitglied der NDR-Bigband) das Programm unter das Zeichen des Elchs gestellt: Skandinavien gab es an fünf Tagen, mit 36 Bands an fünf Spielorten.

No women no chance??

Ausgerechnet das Berliner Jazzfest herauszupicken, ist willkürlich. Ich lebe in Berlin und habe das Festival als Berichterstatterin besucht, es gab auch schon Festivals in den vergangenen Jahren, bei denen der Frauenanteil deutlich höher war (auch ohne die 1997 auftretende Frauenbigband DIVA).
In diesem Jahr waren bei den 36 Bands 11 Frauen als Musikerinnen vertreten, ob ich die Tänzerin, die zusammen mit dem Avantgarde-Bassisten Peter Kowald auf der Bühne stand, und die Lichtfrau, die extra zum Märchenprogramm für Kinder aufgeführt war, mitzählen soll, bin ich mir nicht sicher.

Von den 11 Musikerinnen sind fünf „ausschließlich“ Sängerinnen. Karin Krog ist die Grand Dame des norwegischen Jazz, Cäcilie Norby aus Dänemark hat in den letzten Jahren von sich reden gemacht, Rigmor Gustafsson aus Schweden ist vor ein paar Jahren aus New York wieder in ihre Heimat zurück gekehrt. Aina Kemanis verwendet ihre Stimme wie ein Instrument und Linha Svantesson sang mit der schwedischen Norbotten Bigband.

Dann gab es die Gruppe „singend, aber auch Instrument spielend“: Lena Willemark, Geigerin und Sängerin der schwedischen Folklore-Formation Frifot, Jenny Wilhems, ebenfalls Sängerin und Geigerin der finnischen Formation Gjallarhorn, Susi Hyldgaard ist Singer-Songwriter, spielt aber auch Keyboards oder Akkorden.

Letzte Gruppe ist die der „nur Instrumentalistinnen“ (und hier wird die Luft wieder ganz schnell dünn): Jiebing Chen, die die chinesische zweisaitige Erhu-Fidel spielt, Lisbeth Diers, die bei Susi Hyldgaard trommelte und Percussion spielte, und Marilyn Mazur, ebenfalls Trommlerin und Percussionistin, in deren Band die schon erwähnte Sängerin Aina Kemanis mitwirkte und die Pianistin Elvira Plenar.

Folklore-Formation Frifot mit Lena Willemark

Rigmor Gustafsson aus Schweden

Jiebing Chen

Wo sind sie die Musikerinnen + Formationen?

Ich selber hatte nicht den Eindruck, dass ich jetzt: „Was, nur so wenig Frauen?“ rufen muss.
Das Programm war wunderschön und abwechslungsreich zusammengestellt, und Frauenfeindlichkeit ist sicher das letzte, was man Nils Landgren nachsagen kann.

Wenn es einfach nicht mehr interessante Instrumentalistinnen im Jazzbereich gibt, die spannende Projekte anbieten können…..

Ich bin die allerletzte, die hier nach einer Quoteneinführung schreit. Kunst wird nicht nach Quoten gemacht. Wenn es einfach noch nicht genug interessante Frauenprojekte im Jazz gibt, warum sollten dann die künstlerischen Leiter – nur weil noch Frauen im Programm fehlen – ein paar „Alibi“-Formationen ins Konzertgeschehen hieven. Damit ist niemandem ein Gefallen getan. Der Kunst nicht, den Zuschauern und den Künstlerinnen auch nicht.

Angela Ballhorn

Kommentar:

Die „weibliche Jazzluft“ ist dünn!

Bleibt bei so einem Resumé doch der einen oder anderen Musikerin die Spucke weg?
Ist die „weibliche Jazzluft“ immer noch so dünn? Warum sind so wenige Instrumentalistinnen sichtbar? (übrigens nicht nur in Berlin – in Frankfurt war es letztes Jahr noch viel dünner – ganze 3 Musikerinnen on stage!)

Für mich gibt es nur eine Antwort: Die Arbeit, unsere Arbeit der Musikerinnen-Organisationen, vom Frauen Musik Büro bis hin zu „espressiva“ und „rocksie“, die Missstände aufzuzeigen und gleichzeitig Lösungen anzubieten, ist der einzig richtige Weg.
Wir zeigen „Vorbilder“, spannende Musikerinnen, Dozentinnen und bilden vor allem Netzwerke. Veranstalter müssen über spannenden Formationen, die bislang im stillen Kämmerlein vor sich kreieren und gute Musik machen, informiert werden.
Nur so können wir, ohne uns zu beschweren, einfach Tatsachen anbieten und veröffentlichen und musikalische und nicht quotentechnische Überzeugungsarbeit leisten. Da gebe ich meiner Kollegin aus Berlin total recht.

Also, tragt Euch ein in den Band- und Dozentinnen-Index. Wenn der überquillt, haben auch Veranstalter dann Zugangsdaten zu spannenden Formationen. Unterstützt Euch gegenseitig und informiert uns, wenn Euch spannende Musikerinnen über den Weg laufen.

Anne Breick

P.S.: Kommentare zu diesem Thema sind gewollt und gewüscht, gerne in unserem aktiven FORUM. Ich freue mich über alle Meinungen dazu.

Copyright: Redaktion Melodiva

Autorin: Angela Ballhorn

30.11.2001