Dozentin im Porträt: Isabelle Bodenseh

female* music point 01.-02.10.2022

Als nächste Dozentin unserer female* music points im Oktober stellen wir euch Isabelle Bodenseh vor, die mit ihrer dynamischen und energiegeladenen Ausstrahlung eine der vielseitigsten Flötistinnen in der Jazzbranche ist. „Liebe was Du tust“ ist ein Motto, das sich intensiv durch ihr Leben zieht. Sie liebt es, Geschichten ihres abwechslungsreichen Lebens in die Musik einfließen zu lassen und möchte ihren Zuhörer*innen ein bleibendes persönliches Musikerlebnis mitgeben, wenn sie z.B. im Duo mit Lorenzo Petrocca und ihrem Isabelle Bodenseh-Quartett auftritt. Über ihre Musik sagt sie: „In meinen dynamischen Aufnahmen fließen Jazz, Klassik, Latin & Funk in Eigenkompositionen und außergewöhnlichen Standards schlüssig zusammen. Es enstehen dabei intensive Stimmungen und kraftvolle Emotionen.“

Die Begeisterung für Improvisation und die musikalische Kommunikation mit anderen Musiker*innen, das Gefühl, auf der Bühne ganz frei sein zu können, finden ihren Ursprung schon in Isabelle Bodensehs Kindheit beim Musizieren mit ihrem Vater. Zusammen spielen sie von Klassik bis Popularmusik kreuz und quer alles durch alle Tonarten. Als Kind und Jugendliche gewinnt sie dann Preise bei Jugend musiziert und ist mit dem Landesjugendorchester Rheinland-Pfalz auch international unterwegs.

Vom Studium der Orchestermusik an der Musikhochschule in Frankfurt, dass sie nicht richtig ausfüllt, wechselt sie in den vielseitigeren Studiengang der Schulmusik. Jazz- und Improvisationsunterricht bei Prof. Michael Sagmeister, die Teilnahme an zahlreichen Ensembles und Jazzbands, bescheren ihr viele Auftritte und die Lust, immer mehr Richtung Jazz zu gehen. Ein 6-monatiges Jazzquerflötenstudium 1994 bei James Newton in Los Angeles, bei dem sie in Kontakt mit der kubanischen Musik kommt, und ein einjähriges DAAD-Stipendium 1998 zum Studium afrokubanischer Musik in Havanna/Cuba, sind die Höhepunkte ihres Studiums. Dort studiert sie neben Charanga- (traditionell) und Latinjazzflöte auch Arrangement, Komposition und Percussion bei renommierten Musikern des Landes, die neben ihrer Professionalität auch viel Freude vermitteln. Sie kann mit zahlreichen Salsa- und Charangaformationen auftreten, in Cuba auf Konzerttournee gehen und Radio- und Studioaufnahmen in Havanna machen. „Ich war damals die erste Stipendiatin, die nach Kuba entsandt wurde. Es war ein großes lohnendes Abenteuer voller Musik, Intensität und mit Lehrern, wie ich sie mir all die Jahre gewünscht hatte. Ich war die „alemana“ und voll integriert in die Musikszene.“

Isabelle Bodenseh wirkt im Laufe ihrer Karriere an zahlreichen, stilistisch sehr unterschiedlichen Projekten im Bereich Flamenco, Salsa, Jazz, Rock, Worldmusic und in Grenzgebieten zwischen E- und U-Musik mit, ist Mitglied bei Chantal, Saitensprünge, Son achè, Patrick Steinbach Duo, Jürgen Zimmer Duo, Thomas Langer Duo, Retrio, Os patetas, Verquer Querflöten Quartett, Sangre nueva, Orquesta la sublime, Bazoo u.v.m. Mit diesen Ensembles nimmt sie über 30 CDs auf.

Nach längerer Elternzeit gründet sie Ende 2016 als Bandleaderin ihr Herzensprojekt Jazz à la flute. Daraus hervor gehen ein Duo mit Lorenzo Petrocca und ein Quartett, mit denen sie zahlreiche Konzerte in Deutschlands renommierten Jazzclubs, in der Schweiz und in Frankreich spielt. Über ihr Duo schreibt Jazzthing begeistert: „Flattern, Sirren, Summen, Brummen, stop-and-go, melodiöse Wärme und klar attackierte Rhythmen: Selten gelingt es, die reichen Klangfarben und feinen Schattierungen der Querflöte in einer so organischen Vielfalt zu präsentieren, wie es Isabelle Bodenseh im Zusammenspiel mit dem Gitarristen Lorenzo Petrocca zeigt.“

Ihr Isabelle Bodenseh-Quartett (Foto: Carola Schmitt), ein außergewöhnliches Jazzensemble in der Besetzung Querflöte, Hammond Orgel (Thomas Bauser), Gitarre (Lorenzo Petrocca) und Schlagzeug (Lars Binder), überrascht mit einem besonderen 60er Jahre-Sound und bringt viele eigene Kompositionen sowie Swing-, Straight Ahead Jazz-, Latin-, Funk- und Bluesstücke zum Klingen. Nach „Mrs Bo’s cookbook“, erschienen 2018, released sie das zweite Album „Flowing Mind“ im Februar 2023 bei GLM. Aktuell ist sie außerdem mit Wonderfrolleins, La Serena und Mothers of Jazz, einem Projekt mit Izabella Effenberg, Lisa Wulff, Christin Neddens und Ingrid Hagel, live unterwegs.

Isabelle Bodenseh gibt ihre Expertise auch gern weiter, war z.B. lange Dozentin bei Musica Viva und gab Latin- und Jazzquerflötenkurse. Seit 2002 ist sie Dozentin für Jazzquerflöte und Bandleitung an der Musikhochschule Frankfurt. So kann sie inzwischen auf 25 Jahre Workshop-Erfahrung zurückblicken. Ihrem Lieblingsthema Improvisation widmete sie vor einigen Jahren ein neues mutiges Projekt: 2019 gründete sie inmitten der Pandemie die Jazz à la flute academy, eine Online-Academy für Improvisation, die offen ist für alle Melodieinstrumente. Sie unterrichtet dort das ganze Jahr über Improvisation für gute Amateur*innen und Profis online. 
 
Was bedeutet Dir Musik?
Musik bedeutet mir neben der Familie alles! Sie ist meine Energiequelle, mein Lebenselexier, um die Probleme im sonstigen Leben zu meistern. Mit der Musik fühle ich mich „eins“, ich kann mich mit ihr ausdrücken und nonverbal kommunizieren, was ich total faszinierend finde! Aus der Klassik kommend habe ich dieses besonders tiefgreifende Erleben aber erst in der Improvisation und im Jazz gefunden! Meine Authentizität finde ich vor allem in mir, seitdem ich improvisiere und auch komponiere.
 
Dein schönstes Erlebnis auf der Bühne?
Es ist für mich immer das schönste Erlebnis auf der Bühne, wenn ich merke, dass mit den Musikern eine völlig losgelöste Kommunikation möglich ist. Das ist dann so, wenn die Musiker alle so ein gutes Gehör haben, dass sie absolut aufeinander eingehen können. Dann stimmen Groove, Timing, Klangfarben, Dynamik und Aufbau des Solos. Es ist eine perfekte Kommunikation und Diskussion auf Augenhöhe. Ein gemeinsames Verschmelzen im Einklang. So können völlig neue Aspekte und Ideen entstehen, das finde ich faszinierend!
 
Welches ist Deine Lieblingsmusik?
Mein Musikgeschmack unterliegt sehr großen Schwankungen. Ich höre von Klassik bis Jazz alles, was sehr gut ist. Ich schätze einen gut gemachten Schlager oder perfekt gespielte Volksmusik ganz genauso wie Pop, Jazz und eine klassische Symphonie. Musik ist für mich eine universelle Sprache. Ich bin da sehr flexibel und offen.
 
Was möchtest Du beim Unterrichten vermitteln oder weitergeben?
Ich möchte vor allem zeigen, wie man so üben und spielen kann, dass man mit Freude und Spaß auf der Bühne spielt. Es müssen universellere Konzepte zum Lernen von Musik her, damit Menschen nicht nur Noten lesen lernen, was wichtig ist in gewissen Momenten, sondern auch gleich die freiheitliche Luft von Improvisation schnuppern. In der Latinmusik kann man besonders schön Rhythmik begreifen und verstehen und dass ALLES, was in der Band gespielt wird, von Bedeutung für mich selber ist. Es unterstützt mich und ist mein Ideengeber! Den anderen „zuhören“ lernen ist extrem wichtig, um sich im Gefüge von Melodie, Harmonik und Rhythmik einzuklinken und zu vernetzen. Das erleichtert das eigene Spiel enorm! Ich werde mit ganz einfachen Bausteinen die Basis des Musikuniversums deutlich machen und zeigen, wo eine sinnvolle Entwicklung hingehen kann.
 
Wer oder was inspiriert Dich?
Sehr unterschiedliche Dinge inspirieren mich. Die Natur, Begebenheiten, Architektur, Tanz, Malerei, Texte und Menschen. Ich habe immer offene Antennen und habe oft das Gefühl durch das Leben zu fließen und dabei aufzusaugen. Ich denke, je nach momentaner Lebenssituation, sind das dann wohl auch sehr unterschiedliche Dinge, denn die Themen im Leben verschieben sich ständig. Manche werden irgendwann abgeschlossen, andere entstehen gerade ganz neu und brauchen Beachtung. Ich versuche an Dingen nicht fest zu halten, flexibel zu bleiben und loszulassen, wenn es Zeit ist für eine andere Hinwendung.
 
Hast Du (außer Musik) noch andere Hobbys?
Mein anderes „Hobby“ ist die Familie in erster Linie, mit der ich neben meinen Tätigkeiten in der Musik, sehr gerne meine Zeit verbringe. Da sind dann schon immer 25 Stunden zu knapp! Wenn ich aber irgendwie Zeit habe, ist das erste was ich tue das Reisen! Ich habe in Amerika und in Kuba studiert und das erste was ich früher in den Semesterferien gemacht habe, war meinen Rucksack zu packen und so lange wie möglich ein Land zu erkunden. Ich brauche die Inspiration von Neuem und von Fremden, um mich selbst in meinem Kontext zu verstehen. Reisen ist so etwas wie „in die Vogelperspektive gehen“ für mich. Mit Distanz kann ich die Dinge vor meiner eigenen Haustür oft besser begreifen.
 
Was Dich in Isabelle Bodensehs Workshop erwartet:
Die Musik Lateinamerikas und der Karibik spielt wegen ihrer explosiven Lebensfreude schon immer eine wichtige Rolle in meinem Musikerinnenleben. Das war für mich Grund, genug in Cuba über ein Jahr Querflöte, Perkussion, Arrangement und Komposition zu studieren. In diesem Workshop werden wir die Spielweise lateinamerikanischer Musik kennenlernen. Durch gemeinsames Spiel an Perkussionsinstrumenten wie Congas, Bongos, Claves etc., werden wir erst die Rhythmen erkunden und dann anhand ausgewählter Stücke mit der Band proben. Dabei nutzen wir einfache Harmonieschemen, lernen Improvisation und freies Spiel, werden aber auch einen kleinen Einblick in die Jazzharmonielehre haben. Ich gebe sinnvolle Tipps für den Übe-Alltag u.a. zur Fragestellung: “ Wie kann ich mein bereits vorhandenes Übeprogramm so abwandeln, dass ich auch einen Nutzen für meine Improvisationsfähigkeiten habe?“, oder: „Wie kann mein Rhythmusgefühl besser werden?“.

Der Workshop findet vom 01.-02.10.2022 in Frankfurt am Main statt, mehr Infos findet ihr hier.

Schon überzeugt? Hier geht es direkt zur Anmeldung.

(Titelfoto: Carola Schmitt)

Infos

Autorin: Tina Wolfheimer

21.08.2022