changes festival 2006:
NACHLESE
** 2 KONZERTE ** 2 ORTE ** 2 BANDS ** 2 THEMEN:
DO. 19. Okt. 2006 NACHTLEBEN: „EN TRANSIT“ & „BERNADETTE LA HENGST“ und
DO. 23. Nov. 2006 ROMANFABRIK „DUO ELLEN KLINGHAMMER / TRIO LEZARDE“
Mit verändertem Schwerpunkt startet das diesjährige CHANGES Festival nun in die 3. Runde, und das mit großem Erfolg. Das Publikum erschien zahlreich und ließ sich jeweils von den unterschiedlichen Acts in den adäquaten Clubs mitreißen. Gute Stimmung vor, hinter und natürlich auf der Bühne. eine gehörige Portion Spaß und Aktion, die gebündelt an beiden Abenden von der Bühne herunterprasselten – natürlich ganz im Stil der jeweiligen Acts: einmal „grungig, getösig und power-groovig (Nachtleben) oder auch „gediegen, gefühlt und gesäuselt“ (Romanfabrik). Eine kleine improvisierte Tutti-Session am Ende jedes Konzertabends katapultierte sowohl die beteiligten Musikerinnen, wie auch das Publikum in ungeahnte Impro-Höhen. Sie wurden nochmal allesamt gefeiert und bedankten sich für diese Chance, sich auch mal musikalisch zu begegnen.
Ein wundervoller Moment, auch unvergleichlich sanft und einfühlsam, war das Stück, daß Elvira Plenar für den Abend in der ROMAFABRIK umarrangiert hatte und daß alle MusikerInnen für die verstorbene Mitmusikerin ROSANNA TAVARES spielten. Ein Stück aus dem Kinoklassiker „Orfeo Negro“ erklang und erwischte alle Beteiligten bis tief unter die Haut und mitten ins Herz. Ein gelungenes Beispiel, wie gut Musik verbindet, Gefühle transportiert und einfach gut tun kann, wie Grenzen fallen und neue Visionen Platz haben. (Danke nochmal an dieser Stelle an alle Beteiligten: Ellen Klinghammer, Christopher Herzig, Anka Hirsch, Maike Goosmann und vor allem Elvira Plenar, für die wundervolle Idee, die dem Abend einen ganz speziellen Abschluß verlieh und frenetisch gefeiert wurde.)
Nachfolgend der Bericht von JAMAL TUSCHIK vom ersten Konzertabend im Nachtleben, der Ende Oktober in der Frankfurter Rundschau erschienen ist.
„Mit Bernadette La Hengst fuhr im Nachtleben eine genialer Zug ab….“
von Jamal Tuschik für die FR
Unterirdisch ist das Vergnügen an der Bewegung zu Musik im Frankfurter „Nachtleben“. Auf diesem Kellerspielplatz überlebt eine anachronistische Freude an den schwarzen Löchern der Beatschuppenära. Zugleich erinnert eine prunkende Tapete an die Suhrkampausgabe der „Verlorenen Zeit“. Kurioserweise kam Bernadette La Hengst auf Proust zu sprechen. Die „Braut haut ins Auge“ – Gründerin war Stargast der Auftaktveranstaltung des 3. Changes-Festivals (siehe www.changes-festival.de).
Das Ganze geht auf eine Initiative des Frauenmusikbüros zurück und zielt auf Vernetzung, somit auf Verstärkung der Position jeder einzelnen Musikerin. Bernadette La Hengst bot sich selbst zur Verstärkung auf. Mit ihr fuhr im „Nachtleben“ ein genialer Zug ab. Vor ihren Apparaten wirkte sie wie eine Bastelkönigin. Mit beispielhafter Energie sprengte sie einen Kokon selbstsüchtiger Betrachtungen, um sich dem sofort affizierten Publikum als Gemeindesprecherin mit Gitarre zu empfehlen. Sie schrie wie eine große Katze. Alles Weitere war mitteilsamer Furor. Bernadette La Hengst setzte in den Verriegelten die Tendenz zur Tobsucht frei. In ihrer aufbrausenden Gegenwart verzauberte die Sehnsucht nach Endgrenzung Dutzendgesichter. Schließlich sind wir alle „auf die Welt gekommen, um etwas zu erleben“. Ganz klar, „der beste Augenblick in deinem Leben ist gerade jetzt gewesen“. Das galt dann aber doch nicht für „En Transit“, „die Alternative aus Offenbach“. So steht es im Netz geschrieben. „Ich geh immer weiter“, war einmal zu vernehmen. Nach verheißungsvollem Aufbruch klang auch das Instrumentale. Grunge melodisch beschreibt das Konzept, genauso könnte man sagen, Romantik gerockt.
Die Theke vibrierte im akustischen Ansturm. Erklärtermaßen wollten die Musikerinnen ihre Zuhörerschaft taub zurücklassen. Sie spielten immer schön geradeaus und erschienen dabei ebenso lässig wie scheu. – Oder: spöttisch und (auf die richtige Weise) vermessen. Das Liedgut von „En Transit“ verkapselt einen Haufen Appelle, dabei nicht zuletzt „Die Sesamstraße“ bis in die Sphäre der eigenen Bilderproduktion verlängernd. Ab und zu trieb die aus New Jersey an den Main gekommene Saitenpoetin Janis Elko dem „En Transit“- Gewittersound alle Heftigkeit aus mit ihren – synästhesistisch empfunden – leuchtenden Kleinoden. Solche verhaltenen Durchbrüche in einem auf Biegen und Brechen angelegten Zusammenhang kamen im „Nachtleben“ sensationell an.
Fotos: Esther Zeschky, Carmen Jäger
Text: Anne Breick – Frankfurt – Text (FR): Jamal Tuschik
Erschienen: Dez. 2006
Autorin: Anne Breick
14.12.2006