Barbara Jungfer (D)

Berliner Jazz-Guitar-Lady

In der Hauptstadt ist in Sachen Jazz viel los. Doch was der Faktor Berlin genau ist, ist schwer festzulegen. Die Berliner Luft oder der Berliner Geist ist für jeden anders. Die Berliner Gitarristin Barbara Jungfer hat mit Berlin Spirits (minor music / inakustik) eine sehr runde Form gefunden, ihr Lebensgefühl in der deutschen Hauptstadt auszudrücken. Zusammen mit dem Bassisten Oliver Potratz, dem Schlagzeuger Sebastian Merk, dem Trompeter Sven Klammer und der Pianistin Anke Helfrich als Gast swingt, jazzt und grooved sich Barbara Jungfer durch neun Eigenkompositionen, die stilistisch einen weiten Bogen schlagen und immer wieder nach Hause finden.

Melodiva traf sich mit der Gitarristin im Berliner Szene-Stadtteil Prenzlauer Berg.

Melodiva: Was machte die Jazzgitarre für dich so attraktiv?
Barbara Jungfer: Ich habe natürlich nicht gleich Jazz und E-Gitarre gespielt. Mit zehn oder elf Jahren wollte ich unbedingt Gitarre spielen, weil ich das Instrument in verschiedenen Bereichen im Fernsehen gesehen habe. Dann wollte ich in Bands spielen, deshalb kam ich zur E-Gitarre. Mit 13 habe ich mit Blues angefangen, weil ich improvisieren und Melodien spielen wollte.
Melodiva: Hattest du musikalische Vorbilder? Vielleicht sogar weibliche Role Models?
Barbara Jungfer: Mein erstes Erlebnis war Pat Martino. Aber es ging mir um die Musik, um den Jazz, nicht so sehr um die Gitarre. Ich fand die Energie gut, und habe mir alle möglichen Jazzformationen angehört. Weibliche Role Models gibt es ja noch nicht so lange. Heute könnten sich junge Gitarristinnen Susan Weinert als Vorbild nehmen.

Melodiva: Ich sehe hier die Eintrittskarte zu John Scofield mit seiner Überjam-Band an deiner Wand. Er war vermutlich auch ein Einfluss.

Barbara Jungfer: Scofield ist natürlich ein Einfluss und großes Vorbild, wobei ich zur Gitarre sagen muß: Ich habe zwar das gleiche Modell wie Herr Scofield, aber das hat nichts mit ihm zu tun. Ich habe die zufällig günstig im Gitarrenladen kaufen können, und wußte nicht mal, wer John Scofield eigentlich ist. Ansonsten sind moderne Gitarristen ein Vorbild für mich, wie z. B. auch Pat Metheny. Es war nicht der direkte Weg zum `Ich möchte Jazzgitarre lernen´. Ich wollte Jazz spielen und Gitarre war mein Instrument, da lag die Verbindung nahe.

Melodiva: Dein neues Projekt und deine CD heißen `Berlin Spirits´. Was ist der Sound von Berlin?
Barbara Jungfer: Die CD heißt Berlin Spirits, und auf der Tour heißen wir als Band auch so.
Das Thema Berlin ist einfach eine persönliche Aussage, ich habe bis auf ein paar Stücke alles hier geschrieben, obwohl New York natürlich auch eine inspirierende Stadt ist, aber ich brauche mein Zuhause, und das ist für mich Berlin. Auch die Sachen drum herum wie Südfrankreich (siehe Stück `Jazz Au Camion´) hatten alle ihren Ursprung hier, weil ich eben mit Berliner Musikern dahin gefahren bin. Eine ziemlich freakige Aktion, zu viert im Kleinbus auf eigene Faust nach Avignon. Alles war total privat organisiert – und solche Leute findet man eben auch hier in Berlin. Und dann hatte ich vor meiner Rückkehr so eine Art Haßliebe zu Berlin, bin von Köln aus ganz selten nach Berlin gefahren. Man läßt halt an dem Ort, an dem man aufwächst, auch einiges Schwierige zurück… in einer Großstadt kann man schon mal den Blues schieben! Nach meinem Studium, das ich dann endlich ordnungsgemäß absolviert hatte, hatte ich so das Bedürfnis, zu spielen – das war in Köln einfach nicht gegeben – und habe bei einem Besuch in Berlin, wo ich dann nach Jahren endlich mal wieder auf Sessions ging, (wieder) gemerkt, dass man hier spielen kann, bin für Gigs gefragt worden und habe auch schlagartig alte Bekannte wieder getroffen, es war wie auf’m Dorf! Anderthalb Jahre lang hatte ich das typische Berlin- „High“ und gleichzeitig das Gefühl, nach Hause zu kommen. Ich denke, diese Stadt hat mich bisher am meisten musikalisch geprägt.

Die Männer-Domaine: Jazzgitarre?

Melodiva: Wie fühlt man sich denn als Frau an einem typischen und dazu noch sehr machomäßigen Instrument wie Gitarre?
Barbara Jungfer: Das Thema Frau im Jazz ist ein ganz weites Feld und man kann bestimmt mehrere Bücher drüber schreiben… Nur soviel – unter Frauen gibt es meiner Meinung nach grundsätzlich leider genau so viel Konkurrenz wie unter Männern, aber wenn es sich ergibt, Frauen zu finden, mit denen es musikalisch und menschlich gut klappt, ist das natürlich besonders toll und bereichernd! Ich weiß allerdings, dass es gerade unter den jüngeren Musikerinnen etliche gibt, die es doof fänden, z.B. in einer reinen Frauenband zu spielen, und das ist ja auch ein bißchen künstlich angesichts der prozentualen Verteilung.

Meiner Erfahrung nach haben sich musikalische Freundschaften am ehesten bewährt, z.B. damals in Berlin mit Tina Wrase oder jetzt mit Pauline Boeykens oder Elisabeth Tuchmann. Frauen untereinander können viel mehr Nähe haben, als zu männlichen Kollegen, das ist natürlich eine besondere Qualität. Und natürlich ist es schwierig, als Frau männliche Kollegen zu finden, mit denen man dauerhaft eine Kumpelebene haben kann, also entspannte soziale Kontakte, die über die musikalische Arbeit hinausgehen. Das ist es, was einem als Musikerin dann vor allem fehlt – wenn man nicht noch FreundInnen außerhalb der Musik hat. Die ganze Akzeptanzgeschichte ist noch mal ein anderes Kapitel, da darf man einfach nicht zu sehr reingehen und muß sein Ding machen… aber ich habe zum Glück schon in jungen Jahren auch von männlichen Kollegen viel positives Feedback bekommen, was mein Spiel anging. Die härteste Zeit meines Lebens war ironischerweise während meines Studiums in Köln, was Leistungsdruck und Konkurrenz zu Männern anging, obwohl es da ja kein bißchen ums Überleben ging! Damals war ich wirklich über Jahre die einzige Instrumentalistin im Jazzstudiengang.

Es ist grundsätzlich einfach wichtig, Leute zu haben, von denen man unterstützt und akzeptiert wird. Mit meinem jetzigen Trio mit Scott White am Bass und Rainer Winch bzw. Christoph Schlemmer am Schlagzeug habe ich das und bin sehr glücklich darüber.

Melodiva: Deine Stücke haben interessante Titel. Gibt es dazu Geschichten?
Barbara Jungfer: „Tubi Fish“ kam durch die Tuba, angelehnt an eine Komposition von Taj Mahal, der ja auch gerne mit Tuba arbeitet. Ich habe das Stück meiner Freundin und Mitmusikerin Pauline vorgestellt, die auch Tuba spielt. Die sagte dann, ich solle das Stück doch „Tubi Fish“ nennen, nach Mahals „Tubi Fishing Blues“.
Das Stück mit der Fahrenheit-Formel habe ich in New York geschrieben, als ich ein paar Tage bei (Bassist) Ed Schuller gewohnt habe. Es war so mörderisch heiß, dass ich irgendwann einmal wissen wollte, wie hoch die Temperatur denn jetzt ist. Mit High Nineties Fahrenheit kann man nicht echt was anfangen. Eds Frau Nicole sagte mir dann diese Formel. Die „Lichtkatze“ ist einfach nur ein Lichtkegel, der über den Boden huscht, und „22:22“ eine Uhrzeit. Ich habe einen Digitalwecker und eine Zeitlang sah ich immer zur selben Zeit auf den Wecker. Nach dem fünften Mal war es dann doch auffällig. Und „Jazz au Camion“ ist das Jazzmobil, als ich in Frankreich mit ein paar Leuten aus Berlin auf dem Theaterfestival in Avignon gespielt habe. Wir waren 10 Tage lang gegenüber einem Tanzzirkus und haben immer auf einer Lasterpritsche gespielt.

STECKBRIEF: Barbara Jungfer (Jazz-Guitar)
Geb. und aufgewachsen in Berlin, spielt sie seit ihrem 11. Lebensjahr Gitarre.
Ab 1991: bereits vor ihrem Studium sammelte sie Auftrittserfahrung in Berliner Clubs und spielte mit Größen wie John Tchicai.
1996: verschiedene Auslandsaufenthalte, u.a. stipendierte Teilnahme am Siena Jazz Seminar Siena/Italien
1998: Abschluß des Jazzstudium an der Hochschule für Musik/Köln, Diplom für Jazzgitarre/ Musikpädagogik.
1998: Studienaufenhalt: „Banff Centre For the Arts/Kanada“
2002: Teilnahme an Workshops u.a. mit John Scofield, mehrere New York-Aufenthalte mit Unterricht bei Mick Goodrick sowie ein Studienaufenthalt mit Konzerten in Dakar/Senegal.
Seit 1998 lebt sie als freischaffende Musikerin wieder in Berlin, wo sie sowohl als gefragte Sidewoman und auch als Komponistin und Bandleaderin arbeitet. (Eigene Projekte: Vitamin B3 , Berlin Spirits, Barbara Jungfer Trio.)
Sie spielte auf diversen Festivals (u.a. : Jazzfest Kassel, Jazzpodium Ruhr, Theaterfestival Avignon/Frankreich…).
Außerdem: verschiedene Theater – und Fernsehproduktionen mit (u.a. am Saarländischen Staatstheater/Saarbrücken)
2004: „Studiowettbewerb des Berliner Senats“ mit dem Duo mit Pauline Boeykens/tuba und im selben Jahr den „Berlin Blues Award“ als Gitarristin in der Band von Waldi Weiz.

Barbara Jungfer: „Spirits Of Berlin (Minor Music- 2005)

Barbara Jungfer: „Vitamin B 3“ (Eigenvertrieb)

Copyright: Redaktion Melodiva

www.barbara-jungfer.de
Autorin: Angela Ballhorn

29.09.2005