Zwischen Konzerten, Kita und Komponieren

Backstage Mom #8: Sophie Trost

In einer gelungenen „Work-Life-Balance“ sind Berufstätigkeiten, Familie, soziale Aktivitäten und Freizeit im Gleichgewicht, behindern sich gegenseitig möglichst nicht und unterstützen sich idealerweise sogar. Bei unserer nächsten „Backstage Mom“, der Multiinstrumentalistin Sopie Trost, ist das der Fall. Nachdem sie während des Studiums ein Kind allein großziehen musste, lebt sie heute mit ihrem Partner und drei Kindern ihren Traum von einem guten Leben, in dem sie sich musikalisch entfalten kann. Wie ihnen das gelingt, erzählt sie im folgenden Interview.

Sophie Trost ist eine Singer-Songwriterin aus Berlin. In ihren Liedern verarbeitet Sophie, was sie bewegt, seien es persönliche Erfahrungen oder gesellschaftspolitische Ereignisse. Die Musik der Sophie Trost Combo ist leicht und ernsthaft zugleich, tanzbar und lässt Raum für Improvisation. Die Mitglieder der Combo bereichern Sophies Lieder mit Einflüssen aus Jazz, Bossa Nova, Reggae, lateinamerikanischen Rhythmen, Pop, Chanson und vielem mehr. Mit aufrichtigem Gesang und warmen Klarinettenklängen kreiert Sophie gefühlvolle Ohrwurm-Melodien. Matijas virtuoses Gitarrenspiel sorgt für bereichernde Überraschungen. Darunter legt sich der weiche Groove von Phils Bass, den der Perkussionist Luis mit vielfältigen und subtilen Rhythmen abrundet. Im Mai 2025 hat Sophie Trost ihr Debütalbum „Into This World We Plunge“ herausgebracht. In dem titelgebenden Song geht es um die Geburt ihres dritten Kindes. Sophie Trosts Debütalbum wurde u.a. in den Sendungen „Hörbar – Musik grenzenlos“ von hr2-kultur sowie „Jazztime“ von NDR 1 Radio MV vorgestellt und ihre Musik läuft regelmäßig u.a. auf Deutschlandfunk Kultur, radio3 (rbb), SWR 2 und hr2-kultur.

 

Du bist Mutter dreier Kinder und weiter als Musikerin tätig. Warst Du mit Deinen Kindern bereits on tour? Wie ist es Euch ergangen?

Nein, ich war mit meinen Kindern bisher noch nicht auf Tour. Früher hatte ich meine Kinder öfters bei Konzerten dabei und als Babies sogar währenddessen in der Trage auf dem Rücken. Doch vor ein paar Jahren wollte meine Tochter während eines Konzerts unbedingt ab dem zweiten Lied auf meinem Schoß sitzen (nackt, da sie vorher im Planschbecken war). Schwanger mit meinem dritten Kind und Kugelbauch war das eine ganz schöne Herausforderung für mich. Seitdem spiele ich Konzerte lieber ohne meine Kinder, um mich voll und ganz auf die Musik konzentrieren zu können. Die Tatsache, dass ich Kinder habe, beeinflusst auf jeden Fall mein Booking-Verhalten und meist halte ich vor allem Ausschau nach Konzerten in unserer Umgebung, also in Berlin und Brandenburg. Denn während der Konzerte passt meistens der Opa oder unsere Nachbarin auf die Kinder auf. 

 

Haben sich Veranstaltende bereits darauf eingestellt, dass manche Musiker*innen mit Kindern anreisen?

Damit habe ich noch keine Erfahrungen.

 

Würdest Du es wieder machen oder lieber eine längere Auszeit in Kauf nehmen?

Musik ist nicht mein Haupt-/Brotjob. Ich genieße es, dass ich mich musikalisch entfalten kann und dabei nicht unter so großem finanziellen Druck stehe. Ich habe auch einen spannenden, inspirierenden „Brotjob“ im Marketing im Kulturbereich. Und ich bin sehr dankbar, dass sich das Musikmachen so gut mit der Kindererziehung vereinbaren lässt. Die Bandproben finden bei uns zu Hause statt und auch da sind unsere Kinder manchmal dabei.

 

In der Regel arbeiten Schwangere in den letzten Wochen vor der Geburt nicht mehr und gehen in den Mutterschutz. Viele Musikerinnen* können sich das gar nicht leisten oder fühlen sich so fit, dass sie weiter auf der Bühne stehen. Wie war das bei Dir?

Zum Glück bin ich nicht hauptberuflich Musikerin und bin Teilzeit im Marketing im Kulturbereich angestellt. Zwei Wochen vor der Geburt meiner Tochter habe ich noch ein Konzert gespielt, das ging sehr gut.

 

Ist der Beruf als selbstständige Musikerin manchmal auch ein Vorteil, wenn frau eine Familie gründen will?

Wenn der Partner/die Partner*in ein zuverlässiges, solides Einkommen und Verständnis fürs Musikerinnendasein hat…

 

Stichwort Kinderbetreuung: viele Kitas haben zu, wenn Musikerinnen* arbeiten, nämlich abends und am Wochenende. Wie hast Du das geregelt?

Dann passt der Opa oder unsere Nachbarin auf unsere Kinder auf. Wenn wir eine*n Babysitter*in bezahlen müssten, würde es sich bei den meist geringen Gagen finanziell nicht lohnen, Konzerte zu spielen.

 

Wo sind die kritischen Knackpunkte, wo es schwierig wird? Was braucht es, um den Spagat gut hinzukriegen? Was müsste sich verändern?

Kultur und Musik müssten mehr wertgeschätzt und besser bezahlt werden. Musiker*innen müssten auch staatlich finanziell unterstützt werden. Es muss einen Mindestlohn für die Gagen geben. Kultur (wie auch Kindererziehung) wird oft als etwas abgetan, das man nur aus Liebe tut. Aber auch Kulturschaffende und ebenso Menschen, die Kinder großziehen, müssen von etwas leben.

 

Was musstest Du an Deiner Lebens- und Arbeitsweise ändern, um alles unter einen Hut zu bekommen?

Ich hatte schon immer den Traum von einer Work-Life-Balance: Teilzeit in einem spannenden Bereich arbeiten, Kinder haben und Musik machen. Diese Vision ist bei mir Wirklichkeit geworden, dafür bin ich sehr dankbar. Das alles funktioniert aber vor allem deshalb so gut, weil der Vater meiner Kinder als Papa und im Haushalt sehr engagiert ist und als Perkussionist in meiner Band am selben Strang zieht. Meinen ältesten, inzwischen 17jährigen Sohn habe ich alleinerziehend mit 20 Jahren bekommen. Da war neben Kindererziehung und Studium wenig Zeit für anderes. Ich habe also den Vergleich. Wenn wir wollen, dass Frauen mehr in „männlich“ konnotierten Bereichen tätig sind, müssen gleichzeitig Männer mehr „weiblich“ konnotierte Bereiche übernehmen. Das wurde Jahrzehnte lang nicht ausreichend umgesetzt, weil „weiblich“ konnotierte Aufgabengebiete traditionell weniger wertgeschätzt werden. So wurde lange Care-Arbeit und Hausarbeit ja gar nicht als Arbeit angesehen (wird ja auch nicht entlohnt) und unsichtbar gemacht.

 

Wie sind Deine Pläne für die nahe Zukunft?

Ich möchte gern noch ein zweites Album herausbringen, mehr Konzerte auch außerhalb Berlins und u.a. auf Festivals spielen.

 

Gibt es Tipps & Tricks, die Du weitergeben möchtest?

Bleib an deinen Träumen dran. Gib nicht auf und arbeite kontinuierlich daran. Bleib dir treu, auch wenn dein persönliches Lebensmodell vielleicht gerade nicht dem Zeitgeist entspricht. Es lohnt sich! Deine Vision wird irgendwann Wirklichkeit!

 

Vielen Dank, liebe Sophie, für das Gespräch!

 

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Titelfoto: Camila Berrio, alle anderen Fotos: Luis Vargas

21.08.2025