Kinder würden der Musikszene gut tun

Backstage Mom #7: Jarita Freydank

Dass Familie & Beruf zusammengehen, zeigt auch unser Interview mit Jarita Freydank. Die Schlagzeugerin, Perkussionistin und Sängerin aus Berlin schätzt die Flexibilität einer freischaffenden Künstlerin auch als Mutter. Sie komponiert und produziert Musik fürs Theater und Tanzperformances und gibt Workshops, Unterricht und Mitmachkonzerte. Aus ihrer Sessionreihe „Jammin with Jarita“ soll jetzt ein Album werden. Wie sie ihre Projekte an die Bedürfnisse ihrer Tochter anpasst, erzählt sie im folgenden Interview.

Jarita Freydank ist eine multidisziplinäre Künstlerin, die mit ihrer Musik Brücken zwischen Kulturen, Zeiten und Ausdrucksformen schlägt. Ihre Arbeit ist vom Afrofuturismus inspiriert, einer Bewegung, die afrikanische Geschichte und kulturelle Identität in den Kontext einer optimistischen Zukunft stellt. In ihrer Musik vereint sie erdige Drums und elektronische Klänge – oft inspiriert von traditionellen afrikanischen Rhythmen – mit kraftvollen, mehrstimmigen Chören. Nach der Single „Vielleicht“, einer Kollaboration mit dem angolanischen Produzenten Camufingo, soll in Kürze der neue Song „UMOJA“ („Einheit“) erschienen. Damit möchte sie das von Rebecca Lolosoli gegründete Dorf Umoja in Kenia würdigen, das Frauen einen sicheren Ort ohne Genitalverstümmelung und Zwangsheirat bietet. Aktuell arbeitet sie an ihrer neuen EP „Drums, Voice & Curls“.

Nach ihrem Umzug nach Berlin arbeitete Jarita mit renommierten Künstler*innen wie Judith Holofernes, Peter Fox, Astrid North und Jaqee zusammen und etablierte sich als gefragte Musikerin, Arrangeurin und Komponistin im Theaterbereich. Ihre multidisziplinäre Herangehensweise zeigt sich in Projekten wie dem interaktiven Mitmachkonzert „Trommelversum“, das sie 2021 in Zusammenarbeit mit der Landesmusikakademie Berlin entwickelte. Neben der künstlerischen Tätigkeit gibt sie ihr Wissen in Workshops und Privatunterricht weiter und ist Jurymitglied des TJS (Treffen Junge Szene) der Berliner Festspiele. In ihrer YouTube-Serie JAMMIN’ WITH JARITA / BLURUUM SESSION bringt Jarita Musiker*innen unterschiedlichster Hintergründe zusammen, porträtiert sie in Kurzformaten und lädt sie ein, gemeinsam zu jammen. Dieses Projekt, unterstützt vom Musikfonds und dem Musicboard Berlin, steht exemplarisch für ihre Fähigkeit, musikalische Gemeinschaft zu fördern und kreative Synergien zu schaffen. 

 

Du bist Mutter eines Kindes und weiter als Musikerin tätig. Warst Du mit Deinem Kind bereits on tour? Wie ist es Euch ergangen?

Ja, ich habe eine Tochter, sie ist jetzt 1 Jahr und 8 Monate alt. Als sie 3 Monate alt war, habe ich wieder angefangen, im Theater an der Parkaue zu spielen. Mein Partner ist damals immer mitgekommen, hat in der Umkleide auf sie aufgepasst oder ist mit ihr spazieren gegangen – zu der Zeit hat sie ja auch noch viel geschlafen. Als sie etwa 6 Monate alt war, begann die Produktion eines neuen Stücks am GRIPS Theater, auch dort waren die beiden immer mit dabei. Es war für uns eine angenehme Situation, weil die Regisseurin Ellen Urhahn selbst Mutter ist und großes Verständnis für meine Situation hatte. Ich war in dieser Zeit also nicht richtig auf Tour, hatte aber das Glück, als Musikerin in einem Bereich arbeiten zu können, der mir diese Flexibilität ermöglicht.

Da ich in den Jahren zuvor viel unterwegs war, passt es für mich im Moment sehr gut, mehr im Studio und am Theater zu arbeiten. Mit der Volksbühne waren wir auch bei einem Gastspiel in Mülheim an der Ruhr. Um uns zu unterstützen, wurde mein Partner dort kurzerhand als Kinderbetreuung engagiert. Und wir haben ein Festival gespielt – auch das war sehr entspannt: Anreise mit dem Zug, schönes Hotel, und tagsüber auftreten. Ich bewerbe meine Musik außerdem immer als familienfreundlich, deshalb finden meine Auftritte grundsätzlich nicht am Abend statt.

 

Haben sich Veranstaltende bereits darauf eingestellt, dass manche Musiker*innen mit Kindern anreisen?

Ja, im Theater wurde darauf viel Rücksicht genommen. Auch beim Umsonst & Draußen Festival in Würzburg hat der Veranstalter gefragt, was wir brauchen, um uns wohlzufühlen. Ich habe von Anfang an immer klar gesagt, dass meine Familie dabei sein wird. Wenn das nicht willkommen gewesen wäre, hätte ich den Auftritt einfach nicht gemacht.

 

Würdest Du es wieder machen oder lieber eine längere Auszeit in Kauf nehmen?

Ich bin ganz langsam wieder eingestiegen und hatte zum Glück sehr gute Arbeitsumstände. Am Anfang war ich zum Beispiel nur für eine Stunde auf der Bühne und danach direkt wieder bei meiner Tochter. Klar, manchmal war das auch anstrengend, aber trotzdem sehe ich es als großes Privileg, als Musikerin arbeiten zu können.

 

In der Regel arbeiten Schwangere in den letzten Wochen vor der Geburt nicht mehr und gehen in den Mutterschutz. Viele Musikerinnen* können sich das gar nicht leisten oder fühlen sich so fit, dass sie weiter auf der Bühne stehen. Wie war das bei Dir?

Bis zum Mutterschutz hatte ich noch ein paar Theaterauftritte, und direkt danach ging es auch schon wieder weiter. Zum Glück habe ich mich die ganze Zeit ziemlich fit gefühlt und wäre auch gern weiter aufgetreten. Aber versicherungstechnisch ist es dem Theater gar nicht erlaubt, dass Schwangere während des Mutterschutzes auf der Bühne stehen. Im Nachhinein war es aber auch schön, einfach mal nichts machen zu „müssen“. Ich habe die Zeit genutzt, um viel im Studio zu sein, zu komponieren und mich in Sachen Musikproduktion weiterzubilden.

 

Konntest Du Deine Projekte so planen, dass Du beruhigt eine Auszeit nehmen konntest? Und wie hast Du das finanziell hinbekommen, Du bekommst ja wahrscheinlich kein Gehalt?

Ja! Wie gesagt, habe ich in dieser Zeit vor allem im Studio an meiner eigenen Musik sowie an Kompositionen für Theater- und Tanzproduktionen gearbeitet. Während der letzten Monate meiner Schwangerschaft habe ich meine Schüler komplett an eine Kollegin abgegeben, weil ich gespürt habe, dass ich eine Pause davon brauche. Meine Einnahmen kamen in dieser Zeit aus Shows, Produktionen und GEMA-Zahlungen. Außerdem haben wir in Deutschland das große Glück, finanzielle Unterstützung vom Staat zu erhalten – ich habe unter anderem Elterngeld und Mutterschaftsgeld bekommen. Dafür bin ich wirklich sehr dankbar!

 

Ist der Beruf als selbstständige Musikerin manchmal auch ein Vorteil, wenn frau eine Familie gründen will?

Eigentlich dachte ich immer, dass es kaum vereinbar ist, als Musikerin Mutter zu sein. Inzwischen denke ich ganz anders darüber. Es gibt so viele verschiedene Möglichkeiten, mit Musik seinen Lebensunterhalt zu verdienen – im Studio, durch Kompositionen, Workshops oder Online-Unterricht. Da ich neben dem Theater alle Projekte selbst anleite und meine Zeit frei gestalten kann, passt sich mein Berufsleben gut an die Bedürfnisse meiner Tochter an. Und ganz nebenbei bekommt sie ihre eigene musikalische Früherziehung – und trifft durch meinen Beruf viele spannende Menschen. 🙂

 


„Man muss nicht zwangsläufig auf der Bühne stehen, um Musikerin zu sein“.


 

Stichwort Kinderbetreuung: viele Kitas haben zu, wenn Musikerinnen* arbeiten, nämlich abends und am Wochenende. Wie hast Du das geregelt?

Meine Tochter ist noch nicht in der Kita. Wie schon gesagt, arbeite ich meistens tagsüber und kann sie oft einfach mitnehmen – sei es zu Workshops oder ins Studio. Sie war schon bei vielen Sessions dabei. Ich habe das große Glück, dass ihr Vater sich ebenfalls viel um sie kümmert. Wir arbeiten übrigens auch oft zusammen, da er sowohl fotografiert als auch musikalisch tätig ist. Außerdem hilft meine Schwester gerne mal aus, genauso wie die Patentante meiner Tochter oder eine gute Freundin.

 

Wo sind die kritischen Knackpunkte, wo es schwierig wird? Was braucht es, um den Spagat gut hinzukriegen? Was müsste sich verändern?

Ich finde es immer herausfordernd, wenn Dinge nicht flexibel gestaltet sind. Sobald ich mit meiner Tochter zu einem festen Termin pünktlich sein muss, bedeutet das für mich eine Menge Planung im Voraus. Für mich funktioniert es einfach besser, wenn Zeit – und auch die Menschen, mit denen ich zusammenarbeite – flexibel bleiben.

 


„Außerdem bin ich der Meinung, dass Kinder viel öfter einfach mit dabei sein sollten. Das würde der Musikszene guttun, weil sich dann alle automatisch ein bisschen bewusster und respektvoller verhalten“.


 

Was musstest Du an Deiner Lebens- und Arbeitsweise ändern, um alles unter einen Hut zu bekommen?

Entspannter sein was die Karriere angeht und lernen, noch besser meine Bedürfnisse zu kommunizieren. Mir ist bewusst geworden, dass mein Wohlbefinden oberste Priorität hat, weil ich nur so die Power habe, mich gelassen und mit voller Aufmerksamkeit um meine Tochter zu kümmern.

 

Wie sind Deine Pläne für die nahe Zukunft?

In den letzten Jahren habe ich viele Songs geschrieben und produziert, die jetzt endlich fertiggestellt werden wollen. Aus meiner YouTube-Serie JAMMIN WITH JARITA entsteht gerade ein Album. Mein Mitmachkonzert für Kinder TROMMELVERSUM wächst und entwickelt sich immer weiter – nächstes Jahr möchte ich es noch öfter aufführen.

Zusammen mit meiner Freundin Doriane Mbenoun habe ich außerdem ein wunderbares Workshopkonzept zu Rhythmus, Stimme und Tanz entwickelt, mit dem wir bald viel unterwegs sein werden.

Und dann ist da noch mein Wunsch, eine Solo-EP aufzunehmen… Ideen habe ich jedenfalls mehr als genug!

 

Gibt es Tipps & Tricks, die Du weitergeben möchtest?

Natürlich sind Lebensrealitäten sehr unterschiedlich. Aber ich glaube, dass ehrliche Kommunikation – mit anderen und mit sich selbst – der Schlüssel ist. Für mich ist es wichtig, sich auch mal Ruhe zu erlauben, die Liebe des eigenen Kindes ganz bewusst zu genießen, offen für neue Wege zu bleiben und die kleinen Dinge im Leben wertzuschätzen. Und nicht zuletzt: sich immer wieder daran zu erinnern, welche Privilegien man hat.

Vielen Dank, liebe Jarita, für das Gespräch!

 

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Titelbild: Jim Kroft, Foto 1 + 2: Idris Kabotwa, Foto 3: Christian Mentzel, Foto 4: Akín Tarso Jr

31.07.2025