Jane Birkin
"Biografie einer Pop-Ikone"
Gerade war sie mit vier Konzerten in Deutschland unterwegs – im Rahmen ihrer Welttournee von November 2007 bis März 2008.
Mit 20 Jahren wurde sie berühmt und kann heute mit 61 Jahren auf ein ereignisreiches Leben blicken. Hier die wichtigsten Stationen.
Jane Birkin wurde am 14. Dezember 1946 als Tochter von Schauspielerin Judy Campbell und David Birkin, einem Kapitän bei der Royal Navy, geboren. Mit 17 betrat sie zum ersten Mal eine Bühne und traf bald darauf John Barry, der sie 1965 für seine Musical-Komödie „Passion Flower Hotel“ unter Vertrag nahm. Die beiden heirateten wenig später und 1967 wurde die gemeinsame Tochter Kate geboren.
Mit knapp 20 Jahren erregte Jane Aufmerksamkeit durch ihre Rolle in Antonionis skandalträchtigem Film „Blow Up“, der beim Filmfestival in Cannes die Goldene Palme gewann. In Frankreich drehte Pierre Grimblat gerade „Slogan“ und suchte noch nach einer Engländerin, die neben Serge Gainsbourg spielen sollte. Der war Ende der 60er bereits ein gemachter Popstar. Jane machte eine Testaufnahme. Sie sprach nur gebrochenes Französisch, kannte ihren Schauspielpartner nicht und musste seine miese Laune aushalten.
Gainsbourg – typisch raubeinig – machte es ihr so schwer, dass die verängstigte junge Frau vor laufender Kamera in Tränen ausbrach. Und so begann ihre mythische Liebesgeschichte, in Paris, im Jahre 1969.
Die beiden wurden unzertrennlich und zur Legende in den Pariser Szene-Bars der 68er-Generation. Mit lasziver Stimme und aufreizender Physis nahmen sie „Je t’aime moi non plus“ auf. Die provokante Single erschien 1969 auf dem Album „Jane Birkin Serge Gainsbourg“, auf dem Jane vier eigene Stücke sang und einige Duette mit Serge, darunter das zeitlose „69 année érotique“. Die Zensoren wussten nicht mehr ein noch aus und die Platte verkaufte innerhalb weniger Monate eine Million Exemplare. Das Paar erschien auf den Titelseiten aller Magazine und wurde von den Medien hofiert. Als 1971 Charlotte geboren wurde, zog Jane sich für zwei Jahre zurück.
1973 nahm sie ihre Karriere wieder auf, und zwar mit dem Soloalbum „Di Doo Dah“ und mit einer Rolle in Jaques Rouffios Film „Sept morts sur ordonnance“.
1975 veröffentlichte das turbulente Liebespaar den Film „Je t’aime moi non plus“, wobei Serge Regie führte und Jane eine Hauptrolle übernahm. In diesem Film wagt sich Pygmalion, gespielt von Joe Dallesandro, in das Feld der Homosexualität vor, was durch Jane Birkin als seine androgyne Muse noch verstärkt wird. Das puritanische Frankreich war empört. Die Kritiker machten den Film nieder, sodass Jane, die danach keine Rollen mehr angeboten bekam, sich wieder den Plattenaufnahmen zuwandte.
1975 erschien bereits „Lolita go home“. Jane sang Texte von Philippe Labro, geschrieben für die Musik von Gainsbourg. 1978 folgte das Album „Ex-fan des sixties“ und die Mischung ging auf. Janes etwas beißender Ton, die geflüsterte und doch durchdringende Stimme, und der besänftigende Effekt, den sie Serges gequälten Texten verlieh, verführten das Publikum. 1981 verließ Jane Serge für den Regisseur Jacques Doillon, der ihr in seinen Filmen „La fille prodigue“ und „La Pirate“ die Gelegenheit gab, dramatisch ausgefeilte Rollen zu verkörpern. Gainsbourg litt unter der Trennung, was er im 1983 für sie geschriebenen „Baby alone in Babylone“ durchscheinen ließ. Jane verstand es, die innere Zerbrochenheit des Autors in ihren Interpretationen auf herzergreifende Art auszudrücken. Das geheime Einverständnis der ehemaligen Liebhaber durchdringt jede Note von Liedern wie „Fuir le bonheur de peur qu’il ne se sauve“, „Les dessous chics“ oder „Norma Jean Baker“. Die 80er waren glamourös, und Jane lebte im Glück. 1982 wurde ihr Sohn Lou geboren, ihr Album erreichte die Goldmarke und Regisseure wie Jacques Rivette und Régis Wargnier wollten mit der sensiblen Künstlerin zusammenarbeiten. 1987 veröffentlichte sie „Lost song“ und erklärte sich bereit, live im Bataklan aufzutreten, um „Serge zu erschrecken“. Der 20 Stücke umfassende minimalistische Auftritt unterstrich das zarte und poetische Wesen des Vortrags, zu dem auch eine ergreifende Coverversion von Léo Ferrés „Avec le temps“ gehörte. Es wurde ein Riesenerfolg. Jane Birkin war nun 40 Jahre alt und eine erfüllte Künstlerin. Die Rolle der ewigen Jugendlichen hatte sie endgültig abgestreift.
1990 widmete Gainsbourg ihr sein neues Album, „Amours des feintes“ – es sollte sein letztes sein. Am 2. März 1991 starb Frankreichs größtes Musiker-Idol. Nur wenige Tage darauf starb David Birkin, Janes Vater. Jane war am Boden zerstört, doch sie konnte ihre lange Zeit vorausgeplante Tournee nicht abbrechen. Bei ihrem Auftritt im Casino de Paris war die Stimmung besinnlich, die Emotionen waren fühlbar. Jeder dachte an ihre kurz zuvor geäußerte Entscheidung: „Ich werde nicht mehr singen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, mit irgendjemand anderem eine Aufnahme zu machen.“
Jane beendete ihre Tour im Juli 1992 in den Francofolies in la Rochelle, unterstützt von Familie und Freunden. Am Ende der Show legte sie das Mikrophon auf den Bühnenboden. Das war ihre Art, von Serge Abschied zu nehmen. Der Gedanke, die Karriere zu beenden, nahm den Druck von ihr. Sie begann wieder zu schreiben und widmete sich ihrer Familie und humanitärer Arbeit.
Ihre Fans baten sie immer wieder, doch noch Lieder von Serge aufzunehmen. Diesen Wunsch erfüllte sie 1996 mit „Versions Jane“. Die unterschiedlichsten Künstler wie Goran Bregovic und der senegalesische Percussionist Dudu N’Diaye Rose bearbeiteten 15 Stücke aus Gainsbourgs Jugendtagen neu. Ein nostalgisches Projekt, doch die Leute waren begeistert vom beseelten Rhythmus von „La gadoue“, das Les Négresses Vertes 30 Jahre nach der Originalversion zu neuem Leben erweckt hatten.
1998 wurde Jane Birkin, wie sie es selbst ausdrückte, „untreu“. Zum ersten Mal kamen weder die Texte noch die Musik von Gainsbourg, aber sein Einfluss ist dennoch unüberhörbar: Für das Album „A la légère“ hatte sie 12 Komponisten aufgefordert, 12 neue Songs für sie zu schreiben, darunter Chamfort, Souchon, Voulzy, Françoise Hardy, MC Solaar, Lavoine, Daho und Zazie.
Mit „Arabesque“ beschloss Jane Birkin, Stücke wie „Elisa“, „Amours défuntes“ oder „Les dessous chics“, ihr Lieblingssong, nach ihrer eigenen Fasson zu bearbeiten. Sie brachte orientalisches Flair in Serges Stücke, eine Mischung aus „algerischer, andalusischer und Zigeuneratmosphäre“. Ihr gefiel vor allem der Gedanke, Gainsbourg der jüngeren Generation nahe zu bringen.
Für Jane Birkin waren stets die richtigen Menschen zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Das gilt vielleicht auch ganz besonders für „Rendez-vous“, ein Duettalbum, von dem ein ganz besonderer Zauber ausgeht und auf dem sie mit so unterschiedlichen Künstlern wie Françoise Hardy, Bryan Ferry, Etienne Daho, Brian Molko und Beth Gibbons gearbeitet hat. Hier demonstrierte Jane Birkin, dass sie auch ganz gut ohne den Einfluss von Serge Gainsbourg existieren kann. Dahinter mag der Wunsch gesteckt haben, die Vergangenheit zu verarbeiten und innere Harmonie in der Zusammenarbeit mit anderen zu finden. Jane, ewig hin und her gerissen auch zwischen den zwei unterschiedlichen Sprachen, fühlte plötzlich das dringende Bedürfnis, sich mit ihrem „Zuhause“, ihren Wurzeln auseinanderzusetzen.
Hierfür hat sie eine beeindruckende und handverlesene Auswahl an Songschreibern um sich versammelt, darunter Neil Hannon, Beth Gibbons, Rufus Wainwright, Arthur H und Dominique A. Jeder von ihnen ein dienstbarer Ritter, sind diese Songs verwoben mit Coverversionen von Größen wie Tom Waits und Neil Young.
Ein interessantes Interview mit Jane Birkin erschien im Januar 2008 in „Der Zeit“:
http://www.zeit.de/2008/02/Jane-Birkin-02
Aktuelle CD: fictions
Copyright: Redaktion MELODIVA
19.02.2008