Glaube an Elan

Liebe Melodiven!

Zunächst mal will ich Euch sagen, schade, dass es euch nicht mehr geben soll. Seid versichert, Ihr habt was bewirkt und das sollte Euch Mut geben, nicht ganz von der Sache zu lassen und auf jeden Fall Teile Eurer Ziele in einer anderen Form weiter zu betreiben. Wenn es nun demnächst im Sinne Eures Anschreibens an die AutorInnen heißen könnte, Melodiva ist tot, es lebe der Melodiven-Net-Club, dann wäre das schon mal eine brauchbare Idee. Deshalb also erst mal ein Vorausblick statt ein Nachruf. Die Interessen der Musikerinnen an Service-Informationen dürften hierzulande noch stärker im Vordergrund stehen. Eins dürfte sicher sein, dass die Kontaktintensität auf diesem Weg sehr hoch sein kann und ein erweitertes Userpotential auch denkbar ist. Es hängt jedoch stark davon ab, wie viele Links zu einer solchen Site führen bzw. zu welchen Sites man sich selbst verlinkt. Dann dürfte sich auch wandeln, dass bislang versucht wurde, Melodiva ökonomisch zu professionalisieren und eine Website erstmal ein Liebhaber(innen)-Projekt bleiben kann (aber nicht muss).

Die andere“Melo-Schreibe

Ich hoffe ja nun, ich bin nicht der einzige Mann unter den Melodiven, der in Eurer Abschiedsnummer einen Beitrag bringen wird und noch mehr hoffe ich, dass es bei Melodiva nicht nur ein paar männliche Leser waren, denn Ihr habt ja auch eine andere Schreibe in diese meist männlich besetzte und damit oft sehr selbstverliebt mit Modebegriffen nur so um sich schmeißende oder doch recht pubertär-schwärmerische Welt der musikalischen Fachmagazine gebracht. Ihr habt auch Informationsbereiche vermittelt, die ebenso in anderen Musikzeitungen hätten stehen können, aber dort vermisst wurden. Diese solltet Ihr schon mal inhaltlich erhalten. Die männlichen Kollegen schreiben oft über Musik entweder in vergleichenden Darstellungen („klingt wie…“ u.ä.) oder sie wollen vermitteln, wie gut sie formulieren können. Über die Musik erfährt man dabei oft nicht unbedingt viel. Also, egal was Ihr weiterhin macht, erhaltet Euch schon mal diese Qualität, die in Melodiva doch zumeist vorhanden war.

Die Geschlechterfrage

Wenn man das Projekt Melodiva aufgegeben hat, dann wird es in der Regel ökonomische Gründe haben hinter denen die Tatsache steckt, dass das LeserInnenpotential nicht mehr ausbaufähig war. Melodiva als geschlechtsorientiertes Fachmagazin hatte immer den Touch einer Selbsthilfeorganisation, deren Ausbaufähigkeit begrenzt ist. Geht es den Heavy Metal- und Gothic-Magazinen denn wirklich anders? Die sicherlich engagierten und motivierten Kontakte zu begeisterten Musikerinnen durften wohl nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch jede Menge Musikerinnen gibt, die eben als jemand gesehen werden wollen, deren Werk und Qualität nichts direkt mit dem Geschlecht zu tun hat und die daher gar nicht erst in die Richtung einer geschlechtsspezifisch orientierten Interessenvertretung oder Infobörse orientiert sind. Dies mindert aber in keinster Weise die Verdienste von Melodiva!

Ausblicke und Wünsche

Ein Schritt, den Ihr Euch überlegen könntet, ist der, dass eure Erfahrungen ALLE interessieren müssen. Diskutiert vielleicht mal einen Schritt weg von der „Gesinnungsschwesterngemeinschaft“. Die Geschlechter können voneinander lernen und ihre Qualitäten zusammentun. Auch um diesen Aspekt sollte sich jemand kümmern.

In diesem Sinne gibt es Themen um das Stichwort „Musikerinnen“,- hier nur einige Beispiele:

Haben Musikerinnen etwa nichts mehr zu berichten? Ich glaube, dass es eher eine Frage ist, ob sie nicht genug befragt werden. Und dazu bedarf es vielleicht auch einer Zunahme an Musikjournalistinnen. Es gibt anscheinend zu wenig Einstiegswege und zu viel Skepsis gegenüber dem männlich besetzten Beruf. In der Überlegung, wie sich Musikjournalistinnen spezialisieren können, sehe ich dabei zumindest einen Ansatz.

Frauen fallen in gemischtgeschlechtlichen Bands am ehesten in der kraftorientierten Rhythmusgruppe auf, als Sängerinnen sind sie doch am ehesten Normalfall. WArum gibt es immer noch so wenige Schlagzeugerinnen, Bassistinnen, Perkussionistinnen, auch Bläserinnen etc.

Feminine Qualität von Musikerinnen? sind Frauen als Band-Boss und/oder auch als Bandmitglieder angenehmer und warum?

Ich möchte noch mal betonen, dass es schön war, bei Euch mitgemacht haben zu können, ich muss sogar sagen, dass es für mich als Mann auch etwas mit Anerkennung meiner Arbeit zu tun hat, in einem musikalischen Fachmagazin für Frauen auch als Mitarbeiter gefragt gewesen zu sein. Dafür habt vielen Dank. Ich bin nun neugierig, in welcher Form Ihr wieder auftaucht und glaube fest an Euren Elan.

Alles Gute,

Euer Hans-Jürgen Lenhart

Hans Jürgen Lenhart (Frankfurt/M.), geb. 1954, Autor solch bekannter Musikmagazine wie Jazzthetik, Neue Zeitschrift für Musik und Testcard, ehemaliger Musikredakteur der „ex. Frankfurter Stadtillustrierten az“, Gastmoderator beim WDR, spezialisiert auf Worldmusic- und Avantgarde-themen.

Etliche Porträts von Musikerinnen: Suzanne Vega, Flora Purim, Mavis Staples, Daúde, Daniela Mercury…) Arbeitet auch als Schriftsteller, Kunstpädagoge und als Literatur-Performer mit eigenem Programm + CD „Hörsturz“ (mit Dada-Texten)

Mai 2001

Autor: Hans Jürgen-Lenhart

30.04.2001