Filmkomponistinnen unter sich

ein Interview mit track15

Erst vor knapp zwei Jahren haben sie sich gegründet und seitdem bereits große Erfolge gefeiert. Das KomponistinnenKollektiv track15 ist angetreten mit dem Anliegen, Komponistinnen und Songwriterinnen in der Musik- und Filmbranche Gehör zu verschaffen. Dabei haben sie bereits nahmhafte Unterstützer*innen für sich gewonnen und spannende Projekte verwirklicht – zuletzt das am 27. März 2020 erschienene Debütalbum NORTHERN TALES in Zusammenarbeit mit der Indie-Pop-Band THE REMAINING PART und dem Deutschen Filmorchester Babelsberg. Wir wollten mehr wissen und haben die Gründerinnen zum Interview gebeten.
 

Wer oder was ist track15? Wer steht hinter dem Projekt?

Für track15 haben sich elf Komponistinnen zusammengeschlossen, um gemeinsam zu arbeiten und neue Möglichkeiten in der Musikbranche aufzuzeigen. Inzwischen können wir auf viele tolle Kooperationen zurückblicken, so zum Beispiel ganz frisch mit Orchestral Tools. Zudem werden wir von WIFT (Women in Film and Television) mit unterstützt, sind Mitglieder der GEMA, der DEFKOM und einige auch in der Alliance for Woman Film Composers. Generell haben wir das Glück, mit ganz wunderbaren Partnern zusammen zu arbeiten, wie zum Beispiel auch mit dem Filmorchester Babelsberg.

 

Was kann das Kollektiv, was ihr als einzelne Komponistin nicht (so gut) könnt?

Gemeinsam haben wir eine sehr starke Stimme. 11 Komponistinnen = 11 Stimmen, dadurch sind wir natürlich automatisch präsenter. Gemeinsam können wir ein breiteres Feld an Dienstleistungen anbieten und haben außerdem ein größeres Netzwerk von Kund*innen und Geschäftspartner*innen. Durch die vielen Kompetenzen, die wir bündeln, können wir auch komplexere Projekte umsetzen und z.B. auch Serien oder Mehrteiler in Teams gestalten. Als Kollektiv sind wir viel sichtbarer als ein*e Einzelkämpfer*in und werden (wie die Erfahrung bisher zeigt) auch viel stärker wahrgenommen.

 

Kennengelernt habt ihr euch auf der ersten Summerschool für Frauen SoundTrack_Cologne. Wie wichtig sind solche Veranstaltungen zur Frauenförderung in eurer Branche? Welche Art der Frauenförderung wünscht ihr euch?

Die Summerschool haben wir als sehr sinnvoll empfunden, da es ein mehrtägiges Seminar war, bei dem wir uns alle viel besser kennen lernen konnten und viel mehr Erfahrungen austauschen konnten als bei einem einfachen „Networkingtreffen“. Veranstaltungen zum Netzwerken unter Frauen in der Film- und Musikbranche halten wir für enorm wichtig, vor allem um für sich selbst ein Gefühl der Normalität zu gewinnen, im Sinne von: „Es ist nicht abwegig und auch kein Einzelfall, dass ich FilmkomponistIN bin.“ Der Frauenanteil in der Filmbranche ist immer noch recht gering.  Daher ist es wichtig, dass die Frauen in der Filmbranche – vor allem auch die hinter der Kamera – sichtbar sind, um jungen Frauen als Vorbild zu dienen. In dem Beruf „Komponist*in“ arbeitet man meistens allein und hat kaum Möglichkeiten, andere kennen zu lernen.

 

Gibt es Unterschiede in der Arbeitsweise in einem reinen Frauenkollektiv im Unterschied zu euren sonstigen Arbeitskontexten?

Wir legen in unserem Kollektiv viel Wert auf das Befinden jeder einzelnen und unterstützen uns auch emotional in allen Lebenslagen. Es ist eben nicht nur ein Arbeitskollektiv sondern auch eine Freundschaft. Das macht das Kollektiv besonders. Im Arbeitsprozess selbst geht es uns vor allem um Charakter, Erfahrung, Persönlichkeit und Kontext  und darum, wie man arbeitet. Gender spielt da nicht unbedingt eine große Rolle.

 

Als Komponist*in arbeitet ihr normalerweise weniger mit direkten Kolleg*innen an einem Projekt. Was ist dabei befruchtend und was ist vielleicht frustrierend?

 Die schnelle Kommunikation mit vielen kann manchmal etwas schwierig sein! Inzwischen haben wir aber diverse Kommunikationswege und Tools, die uns eine effektive Organisation erlauben. Das erfordert etwas mehr Disziplin, als es vielleicht mit weniger Kolleginnen nötig wäre, aber die Vorteile überwiegen bei weitem.

Kompromisse sind wichtig, man muss sich absolut an Absprachen halten, um keine Mehrarbeit für den Rest zu verursachen und grundsätzlich offen sein, auch Entscheidungen der anderen zu akzeptieren. Wir haben festgestellt dass es wichtig ist, dass je nach Auftrag und Projekt eine Person geben muss, die jeweils die Projektleitung übernimmt, sowohl nach Außen als auch nach Innen.

Ein großer Vorteil der gemeinsamen Arbeit ist, dass wir immer ein paar neutrale Ohren haben, die einem zügig konstruktives Feedback zu einer Komposition geben können. Außerdem können bei der Arbeit voneinander lernen und schaffen mehr in kürzerer Zeit. Es ist sehr förderlich für uns alle, dass wir so viele unterschiedliche Netzwerke und Kompetenzen mitbringen. Wenn jemand eine Idee, einen Auftrag oder ein eigenes Projekt hat, haben wir im Pool alles, um das umzusetzen.

 

Habt ihr Tipps für andere Musikerinnen, die sich zusammenschließen wollen?

Eine gute Organisation, Kommunikation und ein klarer Informationsfluss sind das A und O. Lieber einmal mehr miteinander reden als einmal zu wenig.  Missverständnisse oder Unmut sollten möglichst schnell angesprochen und aufgeklärt werden. Auch wenn man nicht immer einer Meinung ist, gilt es Lösungen und Kompromisse zu finden, die einen auf dem gemeinsamen Weg zusammenhalten, sodass man seine Ziele zusammen erreichen kann. Zuerst aber gilt: Einfach machen! Nicht hadern, sondern die Wunschkolleginnen einfach ansprechen und starten. 

 

Wenn ihr an der Filmmusikbranche irgendwas grundsätzlich ändern könntet, was wäre das?

 Mehr Zeit fürs kreative Arbeiten. Gute Ideen brauchen Zeit zum Wachsen, egal ob Drehbuch oder Filmmusik. Ich fände es toll, wenn das Bewusstsein wieder da wäre: der Ton ist genauso wichtig für einen Film wie das Bild. Außerdem wünschen wir uns mehr Mut von allen Beteiligten: dass wir diversere Produktionen im Fernsehen und Kino zu sehen bekommen und dass Einzigartigkeit und Kanten auch in der Filmmusik mehr geschätzt werden.

 

Vielen Dank für diese Einblicke!

Für das Album NORTHERN TALES, ein echtes Großprojekt, haben sich starke Partner zusammengefunden: die deutsch-dänische Band THE REMAINING PART (Maxi Menot, Line Bøgh und Sharyhan Osman,), das Komponistinnen-Kollektiv track15, das Deutsche Filmorchester Babelsberg und die Verlage Edition B+ und Guesstimate. Hinter Edition B+ stehen Songwriterin Susanne Geisler und Komponistin und Produzentin Maxi Menot. Unter Federführung des Verlages Guesstimate haben sich die beiden Musikerinnen darauf spezialisiert, Projekte von und mit Künstlerinnen und Songwriterinnen zu realisieren. Gefördert wurde es von der Initiative Musik.

Infos über und Hörproben von track15 findet ihr hier:  track15-female-composers-collective

17.04.2020