Erja Lyytinen live @ Kofferfabrik 12.2.2020
Gitarrenkunst at its best
Doch der Reihe nach: Völlig entspannt, fröhlich und freundlich betritt sie die Bühne mit ihren „Jungs“, kurze Ansage und Verbeugung, und los gehts mit einer fetzigen Rocknummer, wo sie gleich mal die Slide Guitar-Künste offenbart, für die sie bekannt ist. Nach der nächsten Nummer, hard & heavy, gibt’s eine Ansage auf Deutsch, und spätestens da hat sie die Leute. Erst mal die älteren Songs – recht hat sie; vom Bekannten zum Unbekannten. Alles klingt rauer und härter als von den Studioaufnahmen gewohnt. Aber ihr sehr melodiöses Songwriting und die guten Backing Vocals-Qualitäten der Band lassen auch die zarter Besaiteten im Publikum das Konzert genießen. Und ein Hochgenuss ist es: Die hübsche Erja ist eine sehr gute Sängerin – sie croont, flüstert, jauchzt, schreit, aber alles so locker und flockig, dass es wirkt, als sei ihr das alles gerade mal so spontan eingefallen. Und die Gitarre: Auch da gibt es nur Daumen nach oben! Gerade, als ich so vor mich hin sinniere, ob es wohl sowas wie eine „typisch weibliche Gitarre“ gibt, kommt „Slowly Burning“ vom „Stolen Hearts“-Album. Eine langsame Blues-Ballade mit tollem, expressiven Gesang. Und dann das Solo: keine Note ist willkürlich gespielt, in jeden Ton scheint sie hineinzuschlüpfen, erzählt so die Geschichte in Gefühlen, ein ganzes Leben in einem Gitarrensolo. Gänsehaut – zum Heulen schön – ganz großes Kino!
Nach der Pause werden hauptsächlich die Songs des famosen neuen Albums „Another World“ geboten, und ihr Sinn für Humor und ihre Entertainer-Qualitäten machen sich in sympathischen Ansagen und kleinen Finnisch-Sprachkurs-Spielchen bemerkbar: Wer hätte gedacht, dass die Zahl Sieben auf Finnisch ähnlich klingt wie „Sex with a Man“? Über den Gag freut sie sich wie ein kleines Mädchen – kein bisschen schlüpfrig, sondern nur süß! Eine feine Ballade gibt’s auch noch mit einem Cover-Song, Jeff Becks „People Get Ready“. Klar, dass das Publikum lautstark Zugaben einfordert, und klar, dass es die bekommt.
Fazit: ein Konzert-Highlight, bei dem ich das Gefühl hatte, eine gute Freundin steht auf der Bühne. Wie sie das hinkriegt – keine Ahnung. Sie ist eben Erja…
13.02.2020