„DIY“ – der Weg zur eigenen CD

Crowdfunding, Labelgründung & Co.

Es gab mal eine Zeit, wo man als MusikerIn ohne Unterstützung eines Labels und ohne Sparstrumpf nur schwerlich ein Album produzieren konnte. Klinken putzen bei den Plattenfirmen war angesagt und eine freundliche Absage („passt nicht in unser Programm…“) nach der anderen waren in der Regel die Folge – so musste man mit den Gagen das Geld fürs Studio abstottern oder den Traum von der eigenen CD aufgeben und mit schlecht produzierten Demo-Kassetten (!) vorliebnehmen. Heute ist die Verbreitung der eigenen Musik zwar kein großes Ding mehr: minutenaktuell kann jede/r über Facebook, Myspace & Co. Fans zu Konzerten einladen und sich so einen gewissen Bekanntheitsgrad verschaffen. Aber eine CD zu produzieren bleibt eine kostspielige Angelegenheit und die sog. „Majordeals“ sind unerreichbarer als zuvor. Doch mit Crowdfunding, der Gründung eines eigenen Labels und viel Herzblut und Arbeit kommt frau trotzdem zur eigenen CD.

CROWDFUNDING PLATTFORMEN

Ein Schlüssel zum Erfolg heißt Crowdfunding, zu Deutsch „Schwarmfinanzierung“. 2006 wurde die erste Crowdfunding-Plattform im Internet gegründet, als direkte Reaktion auf den explosionsartigen Anstieg von Raubkopien. Crowdfunding-Plattformen wie Startnext (http://www.startnext.de/) oder Kickstarter ermöglichen es MusikerInnen, bei Fans vorab Geld für ihr Projekt zu sammeln und so den Traum von der eigenen CD oder Konzertreise wahr zu machen. Das Prinzip dieser Methode ist, dass die Supporter einen beliebigen Geldbetrag „versprechen“, aber erst, wenn der gewünschte Betrag zusammengekommen ist, auch wirklich geben. Dafür gibt es von der Band festgelegte Gegenleistungen, z.B. ein handsigniertes Album der Band, ein Privatkonzert, die Nennung im CD-Booklet, die Platzierung des Firmen-Logos auf der CD-Hülle oder ähnliche „goodies“.

Manchmal gelingt es sogar, mehr zu erreichen, als man dachte. Die Singer-/Songwriterin Christina Lux (http://www.christinalux.de) konnte mittels der Plattform „Startnext“ nicht nur ihr anvisiertes Ziel erreichen, sondern am Ende sogar über mehr Kapital verfügen als gedacht. Ihr Projekt, die CD „Playground“ mit dem Gitarristen und Percussionisten Reentko aufzunehmen, überzeugte 98 sog. Supporter, sodass es am Ende zu 135% erfolgreich, sozusagen „überfinanziert“ war. Damit konnte sie immerhin ca. ein Drittel der gesamten Produktion vorfinanzieren.

Auch die Musikerin Katja Werker ist mit ihrem Projekt „das Küchentisch Album“ am Start (http://www.startnext.de/albumkatjawerker). Sie kann sich schon entspannt zurücklehnen: ihr Budgetziel ist bereits zu über 300% erreicht, dabei ist die Deadline erst in einigen Wochen. Die Einnahmen sollen die Produktion des nächsten Silberlings mit Namen „Zirkuskind“ ermöglichen; laut Werker ist nun vielleicht sogar eine Vinyl-Ausgabe drin. Das Album, das an Werkers Küchentisch entstehen und ihr als alleinerziehender Mutter ermöglichen soll, sozusagen „familienfreundlich“ eine CD-Produktion zu realisieren, wird in diesem Herbst erscheinen.

Katja Werker

Diese beiden Musikerinnen sind zwei Beispiele, bei denen das Crowdfunding besonders gut geklappt hat, aber natürlich ist nicht gesagt, dass der angestrebte Betrag immer zusammenkommt und die Musikerin ihr Ziel mittels Crowdfunding erreicht – wobei wir auch schon beim Nachteil dieser Art Sponsoring wären: dem Alles-oder-Nichts-Prinzip. Denn wenn der anvisierte Betrag mit Erreichen der Deadline nicht zusammenkommt, verfällt die komplette Summe, da sie ja nur versprochen wurde, was das Risiko für die Geber minimiert und damit natürlich auch zum allgemeinen Gelingen beiträgt. Es empfiehlt sich deshalb, genau zu überlegen, was machbar erscheint und eventuell die Summe nicht zu hoch anzusetzen.

Gelingt das Projekt nicht, weiß man immerhin, dass es eventuell nicht so gut beim Publikum ankommt oder, dass man sich zu wenig gekümmert hat. Denn der- oder diejenige, der/die sich für eine Crowdfunding-Plattform entscheidet, muss vor allem bereit sein, viel Zeit zu investieren. Erst muss das Projekt in der sog. Start-Phase vorgestellt werden, d.h. die Idee muss mit Texten, Bildern und einem Pitch-Video illustriert, die benötigte Summe und eine Deadline festgelegt und die entsprechenden Dankeschöns, die die Supporter als Gegenleistung für ihre finanzielle Unterstützung bekommen, angeboten werden. Dann heißt es, möglichst viele Fans zu sammeln; die Anzahl der benötigten Fans hängt jeweils vom selbst gesetzten Fundingziel ab. Wenn sich genügend Fans gemeldet haben, geht das Projekt in die Finanzierungsphase und der Wettlauf mit der Zeit beginnt. Das heißt vor allem, Kontakt zu den bereits gefundenen Supportern zu pflegen, sich wenn nötig auch immer wieder neue Aktionen zu überlegen, um noch mehr Leute anzusprechen, was mitunter sehr zeitaufwendig ist. Der Vorteil ist jedoch, dass die Fans laufend über den aktuellen Stand der Dinge informiert werden und so eine enge Bindung entsteht, was sich auch positiv auf die/den Musiker/in auswirkt. Außerdem bekommt er/sie Feedback, ob das Projekt gefällt und eine Chance hat, erfolgreich zu werden.

CROWDFUNDING SELBSTGEMACHT

Neben dem organisierten Crowdfunding können Musikerinnen aber auch kurzerhand alles selbst in die Hand nehmen und eigene Sponsoring-Aktionen initiieren wie die Leipziger Singer-/Songwriterin Nadine Maria Schmidt & Frühmorgens am Meer (VÖ: 01.06.2012, www.fraumitgitarre.de), ehemals auch bekannt als „Nylonsaiten & Saitenstrümpfe“. „Blaue Kanten“ heißt ihr deutschsprachiges Debüt, das Anfang Juni erschienen ist. Mittels eines selbst initiierten Sponsoring-Aufrufes auf ihrer Homepage und der über das Rockradio gesendeten Suche nach den „Besten Fans der Welt“ erreichte die vierköpfige Band ihr Ziel, 6000.-€ für eine Studio-Produktion zu sammeln, innerhalb eines guten Jahres. Der Vorteil der selbst durchgeführten Aktion im Gegensatz zu einer Crowdfunding-Plattform: es gab kein zeitliches Limit und keine Provision an Dritte. Allerdings brauchte es dafür wirklich die „besten Fans der Welt“ und die Verbreitung des Aufrufs lag allein in den Händen der Band.

LABELGRÜNDUNG

Ani DiFranco

Prominentestes Vorbild in Sachen DIY und Labelgründung und auch gleichzeitig die Mutigste von allen ist wohl Ani DiFranco: sie gründete 1988, im Alter von 18 Jahren (!) mit 50 Dollar ihre eigene Plattenfirma, Righteous Babe Records, wo sie ihr Debüt aufnahm.

Die Berliner Singer-/Songwriterin Kitty Solaris gründete 2006 ebenfalls ihr eigenes Label „Solaris Empire“. Sie hatte eine CD aufgenommen und wollte die Platte unbedingt veröffentlichen, auf ihre Bewerbung bei Plattenfirmen kam jedoch keine Antwort. Daraufhin hat sie kurzerhand einen Labelcode beantragt, ein Gewerbe angemeldet und sich bei der GEMA gemeldet, um das Album veröffentlichen zu können. Der Vertrieb, den sie für ihre Platte fand, empfahl ihr, noch mehr Platten ins Programm zu nehmen, sodass mittlerweile über 20 KünstlerInnen bei ihrem Label unter Vertrag sind, wie z.B. Toni Kater, Grimoon und Marta Collica.

Kitty Solaris

Dota Kehr aka Dota & die Stadtpiraten, ebenfalls aus Berlin, gründete vor 10 Jahren ihr eigenes Label Kleingeldprinzessin Records, unter dem neben ihren eigenen Alben mittlerweile auch Produktionen anderer Künstler (z.B. Uta Köbernick) erscheinen. Auch bei ihr es war eine bewusste Entscheidung:
„Als ich 2002 die allerersten Demoaufnahmen gemacht hatte, hab ich sie an ein paar Labels geschickt. Und wieder zurückbekommen. Klar hätte ich es weiter probieren können, aber ich hab mir dann überlegt: Warum diese Material- und Zeitverschwendung weiterbetreiben, um entdeckt zu werden? Am Ende wird man von jedem Hörer einzeln entdeckt. Also hab ich meine CDs zu Hause auf dem Rechner gebrannt und sie auf den Konzerten verkauft. Das ging so sechs Monate. Dann hatte ich schon genug Geld, um sie pressen zu lassen. Und dann kamen auch Anfragen von Labels. Plötzlich wollten die was von mir – aber da wollte ich nicht mehr“ (aus einem taz-Interview: http://www.taz.de/!50948/). Kehr kümmert sich selbst um Gestaltung, Merchandising und große Teile des Vertriebs ihrer CDs, die Promotion hat sie jedoch an eine Agentur vergeben.

Clara Luzia

Dota Kehr

Die Wiener Songwriterin Clara Luzia hat ebenfalls bereits seit ihrer ersten Platte auf ihrem eigenen Label Asinella Records veröffentlicht, aber erst bei der aktuellen Produktion „Falling Into Place“ wagte sie es mit ihrer Band, alles in Eigenregie zu produzieren, lediglich mit Hilfe zweier Soundengineere. Inzwischen haben bei ihrem Label auch Mika Vember, Marilies Jagsch, Bettina Koester u.a. Platten veröffentlicht.

100% DIY: ALLES AUS EINER HAND

Den wohl radikalsten und konsequentesten „DIY“- Weg ging die Münchner Sängerin Sandrina Sedona. Für ihr Herzensprojekt und Debüt „Songs For The Y-Lien – A Fairytale About Love“ (VÖ: 01.06.2012, www.sandrina.it), ein Konzeptalbum, das aus sage und schreibe 30 Tracks besteht, arbeitete sie ein Jahr lang wie besessen: sie komponierte, arrangierte, spielte ein, nahm auf und mischte alles selbst. Auch das CD-Booklet gestaltete sie selbst und dazu gründete sie noch ihr eigenes Label SOS Records. Dabei hätte sie als Live- und Studiosängerin (u.a. für Paul Young, Alannah Myles, Nik Kershaw, Nina Hagen, Udo Lindenberg), Sprecherin und Schauspielerin mit über 20jähriger Berufserfahrung eigentlich die besten Kontakte gehabt, um so eine Produktion nicht allein stemmen zu müssen. Doch mit ihren bisherigen CD-Produktionen war sie nie ganz glücklich gewesen, weil die Musik nicht so klang, wie sie es wollte und ihren Erfahrungen mit den Plattenfirmen, die ihr nicht selten vorschreiben wollten, wie sie auszusehen und welche Körperteile sie zu operieren habe, tat ein Übriges. So wuchs die Sehnsucht, es einmal allein zu schaffen, alles selbst zu bestimmen und sich von niemandem in das eigene Projekt hineinreden zu lassen. Da sie sich schon in jungen Jahren mit den damaligen Aufnahmegeräten vertraut gemacht und nach und nach eine Leidenschaft für Aufnahmetechnik, Sounddesign und Programming entwickelt hatte, hatte sie bereits das nötige Know-how, um ihre CD selbst aufzunehmen. Schlagzeug, Klavier und Gitarre spielen konnte sie ebenfalls, Bass lernte sie noch dazu. Da war es nur konsequent, auch noch eine Plattenfirma zu gründen, um letztlich wirklich alles selbst zu bestimmen. „Ich habe von Anfang an an diesem Traum gearbeitet und gezielt Stück für Stück alle Fertigkeiten erworben über all die Jahre für das große Ziel: ALLES alleine machen zu können. Vom ersten Ton an bis zur Veröffentlichung. Mein Motto war stets: „Learning by watching and learning by doing“ und mein Credo immer: „Bless the present, trust yourself and expect the BEST!“ Ein besseres Schlusswort gibt es nicht.

Weitere Infos:
„Kann man denn davon leben? Erfolgreiche Eigenvermarktung und Internetökonomie“ von Silvia Holzinger und Peter Haas (2011)
„Krautfunding: Deutschland entdeckt die Dankeschön-Ökonomie“ von Ansgar Warner (2012)
siehe auch: https://www.melodiva.de/news/buchtipps-crowdfunding-sonstige-eigenvermarktung-fur-kreativarbeiter/

„Jetzt erst recht! Labelgründung 2.0: Gib deiner Musik eine Chance“ von Thomas Mühlhoff (2011)

Autorin: Mane Stelzer

25.06.2012