Die wunderbare Leichtigkeit der Doris Decker

Interview mit einem Allroundtalent

Als Texterin für Stars wie Udo Lindenberg und Christina Stürmer ist sie bereits seit einigen Jahren erfolgreich, unter anderem mit ihren Lyrics zum Titel „Verbotene Stadt“ gewann Udo Lindenberg 2008 Platin für das Album „Stark wie zwei“. Als Saxophonistin bereichert sie die Musik von Marianne Rosenberg, Udo Lindenberg, Stefan Gwildis, Kurt Maloo, Revolverheld u.a. und tourte jahrelang mit der Streetmarching-Band Tätärä durch China, Indien, Spanien, Sri Lanka, Costa Rica, Japan und Ägypten.

Eine überzeugte Globetrotterin also. Und wenn sie von ihren Reisen zurückkommt, landen ihre Eindrücke statt im Fotoalbum auf einer neuen CD: auf „Doris’ Guesthouse“ (2003) und „Double Decker“ (2006) sang sie mehrsprachigen „Avantgarde-Lounge-EasyListening-Pop mit Elektrobeats“. Jetzt ist der Koffer angeblich ausgepackt, eine neue Liebe will gelebt werden und in Berlin ist es doch eigentlich auch ganz schön. Dazu passt ihre neue Platte „Pictures By Picasso“, die sie am 29.04.2011 veröffentlicht hat und die uns eine wunderbare Leichtigkeit beschert.

Dein Pressetext zur neuen Platte titelt „Sie hat jetzt einen Koffer in Berlin“. Hast Du dort jetzt einen neuen Lebensmittelpunkt gefunden oder steht der Koffer noch gepackt in der Ecke?

Sowie als auch, ich lebe hier sehr glücklich mit dem Schauspieler Max Hopp zusammen und den besagten Koffer gibt es natürlich auch noch, aber er wird seltener gepackt. Außerdem ist Berlin ja ziemlich international geworden, die Welt strömt neugierig in diese Stadt, deshalb fühle ich mich hier immer ein bisschen wie „unterwegs“ und kriege nicht mehr so häufig den „Reiserappel“.

Woher kommt eigentlich Deine Leidenschaft fürs Reisen? Was gefällt Dir daran?

Ich bekomme einen anderen, bewussteren Blick auf mich, mein Leben, das Land und die Kultur in der ich lebe. Auch in musikalischer Hinsicht sehr bereichernd.

Als Saxophonistin bist Du ja in vielen Bands weltweit unterwegs gewesen. Wie waren Deine Erfahrungen als „side musician“ on Tour?

Es ist immer äusserst spannend, die Ideen anderer aufzusaugen und umzusetzen, eine Bandchemie entstehen zu lassen und sich dabei gegenseitig zu inspirieren. Im günstigen Fall brennt dann jeden Abend die Luft.

Als Musikerin warst Du wahrscheinlich öfter die einzige Frau in der Band, wie war das für Dich?

Da ich mit zwei Brüdern aufgewachsen bin und schon als Kind viele meiner engeren Freunde Jungs waren, ist das für mich eigentlich nix Besonderes.

Wie kam es dazu, dass Du Dich für eine Karriere als Profimusikerin entschieden hast?

Ich soll schon im Alter von 10 Jahren gesagt haben, dass ich Musikerin werde, obwohl ich noch nicht mal ein Instrument spielen konnte. Wirklich fokussiert umgesetzt habe ich das aber erst mit dem Kauf meines Saxophons. Ab da gab’s dann kein Halten mehr.

Du schreibst ja schon seit vielen Jahren Lieder für andere und hast damit großen Erfolg. Wie hat das angefangen, ist jemand an Dich herangetreten und hat gesagt: „Schreib mir doch bitte mal einen Text“? 😉

Nein, die Leidenschaft zum Texten habe ich erst beim Komponieren, also über die Musik entdeckt. Zunächst habe ich nur Songs für mich geschrieben, darüber kam eines Tages ein größerer Auftrag für die Kindermusikstaffel „Lieder mit der Maus“ und irgendwann hatte ich dann auch das „Handwerk“ und die Flexibilität um für andere zu schreiben.

Bekommst Du in der Regel einen Auftrag von anderen KünstlerInnen oder bietest Du selbst die Texte von Dir aus an?

Die KünstlerInnen, oder ihre Lables, wenden sich inzwischen direkt an mich und somit schreibe ich gezielt für die betreffende Person, damit Song und Stimme auch gut zusammenpassen. Gelegentlich finden aber auch Lieder oder Texte, die ich einfach drauflos geschrieben habe, eine/n passende/n Sänger/in.

2006 hast Du dann einen sog. Autorenvertrag mit Warner Chappell abgeschlossen; kannst Du uns mal genauer erklären, was das bedeutet?

Das ist vergleichbar mit den Agenturen bei Schauspielern. Der Verlag arbeitet für Dich, sucht Interpreten oder co-Writer für Zusammenarbeit, kontrolliert die Ausschüttungen der Gema usw. und kriegt dafür eine prozentuale Beteiligung an Deinen Urheberrechten.

Jetzt aber endlich zu Deiner neuen Platte „Pictures By Picasso“. Deine vorigen Alben trugen ja noch den Namen „Doris’ Guesthouse“, wieso nicht auch No.3?

Ich wollte es intimer, also quasi wie bei mir „zuhause“ haben, denn das Album ist gesanglich und textlich etwas persönlicher als die beiden Vorgänger. Darum sollte es auch nicht mehr „Guesthouse“ heißen.

Wie bist Du auf den Titel „Pictures By Picasso“ gekommen?

Kreative Prozesse leben ja mitunter von Zufällen. Als ich mit Phillip Steinke diesen Titel schrieb, hing im Studio ein Gemälde von Picasso an der Wand (natürlich eine Kopie). Während ich die Melodie summte, habe ich zunächst nur aus Spaß mit der Zeile herumgespielt. Erst dann stellte sich raus, dass das eine schöne Geschichte werden kann und obendrein noch wunderbar klingt.

Du hast viele Songs auf diesem Album mit anderen geschrieben, warst z.B. in England, um mit der Songwriterin Charlie Dore „Chocolate Cookie“ und mit dem Komponisten Craig Gannon (Gitarrist bei „The Smiths“) „But I Do“ zu schreiben. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

Hier zum Beispiel hat mein Verlag „einen guten Job“ gemacht und uns zusammengebracht.

Was reizt Dich am Song schreiben mit anderen?

Das ist vergleichbar mit einem guten Gespräch. Die Beiträge Deines Gegenübers bringen Dich auf ganz andere Ideen und wenn die Chemie stimmt, entstehen Songs, die Dir alleine in dieser Form nicht eingefallen wären.
Im ungünstigen Fall behindert man sich, dann sollte man lieber gleich aufhören und z.B. Tischtennis spielen gehen.

Du singst ja viele Lieder in Englisch und manche in Deutsch; woher kommt aber Deine Vorliebe für Spanisch und wie kommt es, dass Du die Sprache so gut sprechen kannst?

Jede Sprache bringt andere Melodien hervor. Ich habe damit sehr viel auf meinen vorherigen Alben herumexperimentiert. Spanisch höre ich einfach wahnsinnig gern und es inspiriert mich. Außerdem habe ich ein halbes Jahr in Costa Rica und einige Monate auf Ibiza verbracht, da blieb ein bisschen was hängen.

Deine Texte verraten Deine Freude an der Sprache, es gibt viele Sprachspiele und Reime, wie z.B. bei „Lazy“ oder „Mrs. Bingo“. Hattest Du schon immer so ein Faible für die Sprache?

Ja, schöne Textzeilen haben mir schon als Kind die Tränen in die Augen getrieben. Wortspiele und gut klingende Reime erzeugen in mir ein regelrechtes Glücksgefühl und Nina Vigors, meine englische co-Writerin, ist ähnlich verspielt.

Der Sound Deiner neuen Platte ist erdiger und obwohl er immer noch eine luftige Leichtigkeit verströmt, ist er lange nicht so „lounge-ig“ wie die Vorgänger. Hast Du das bewusst entschieden oder hat es sich quasi von selbst ergeben?

Es hat sich glücklicherweise von selbst ergeben, aber ich habe natürlich auch ein bisschen darauf geachtet, dass ich mich nicht wiederhole.

Bist Du so ein „leichtfüßiger“ Mensch, wie Deine Musik vermuten lässt?

Ich liebe Leichtigkeit, obwohl – oder vielleicht auch WEIL – ich ziemlich melancholisch bin. Bekanntermaßen haben ja viele lebenslustige Menschen eine traurige bzw. dunkle Seite. So findet dann jeder sein Ventil.

Auf Deiner CD spielt bei dem Titel „To Be Continued“ das Deutsche Filmorchester Babelsberg mit, wie kam es dazu?

Max Knoth, Co-Writer und Arrangeur dieses Songs macht sehr viel Filmmusik, was man dem Lied ja auch anhört.
Dadurch hatte er den Kontakt zu diesem wunderbaren Orchester.

Mit Udo Lindenberg bei der Platin-Verleihung 2008

Wenn Du mal einen Vergleich zwischen Deinen Songs für Deine eigenen CD’s und den Texten für andere ziehst, macht es für Dich einen Unterschied, ob Du für Dich selbst oder für andere schreibst? Versuchst Du Dich z.B. in Udo Lindenberg hinein zu versetzen und zu sprechen bzw. zu singen wie er? 😉

Einerseits macht es einen großen Unterschied, denn ich stelle mich natürlich auf die Wortwelt, die Stimme und die Persönlichkeit des anderen ein und habe dadurch auch andere Themen und Ideen, als wenn ich für mich selbst schreibe. Aber irgendwie ist dann doch immer ein Teil von mir in den Lyrics und den Melodien versteckt, mal mehr mal weniger, das bleibt nicht aus und sicherlich ist das auch gut so.

Du schreibst ja auch Kinderlieder, wie z.B. die „Lieder mit der Maus“ (1998) oder „Mauseschlau & Bärenstark“ (2006). Wo nimmst Du Deine Inspirationen her?

Da waren die Themen meistens vorgegeben: Indianer- Roboter- Schul- oder Tiergeschichten aller Art. Außerdem kann ich mich gut an meine eigene Kindheit erinnern und war immer von Kindern umgeben, daraus habe ich geschöpft.

Zurück zu Deinem neuen Album: Du hast es mit Benni Dernhoff produziert, der auch an vielen Deiner Songs mitgeschrieben hat und eine große Riege von hervorragenden MusikerInnen wie Max Knoth, Phillip Steinke, Johannes Wennrich, Leo Lazar, Anne de Wolf und Anselm Kluge ins Studio eingeladen. Kanntest Du alle schon von anderen Produktionen?

Bis auf Anselm Kluge, mit dem zusammen mein zweites Album „Double Decker“ entstand, hatte bisher keiner der Gäste bei mir gespielt. Ich kannte sie alle aus der Hamburger Musikszene und habe sie mir ganz bewußt ausgesucht, jeder einzelne hat das Album bereichert und mit seinem Stil und seinen Ideen beeinflusst. Besonders Benni Dernhoff hat sich sehr einfühlsam und geduldig auf mich eingelassen. Ohne ihn gäbe es dieses Album nicht.

Was sind Deine Pläne für die Zukunft?

Berlin genießen, neue Menschen und Musikszenen entdecken – von ihnen entdeckt werden und schauen, was sich daraus wieder Spannendes ergibt. Diese Stadt ist riesig und scheint einen unerschöpflichen, sich ständig erneuernden Fundus zu haben. Vielleicht gibt es ja irgendwann noch ein viertes Album.

Vielen Dank für das Interview und alles Gute!

Aktuelle CD „Pictures By Picasso“ (2011)
Membran

http://dorisdecker.de
Autorin: Mane Stelzer

25.05.2011