Claudia Helmers-Shirokov (1968 – 2002)

"Optimismus und Power"

Die in Marburg lebende Musikerin und Komponistin verstarb am 9. April, nach langer schwerer Krebskrankheit. Bis zum Schluß probte sie für ihr CD-Release-Konzert, das sie mit ihrem Mann Igor für Mitte Mai in Marburg und Frankfurt geplant hatte.

Das, was allen Menschen, die mit ihr zusammenarbeiteten und zusammen Musik machten, in Erinnerung bleiben wird, war ihr ungebrochener Optimusimus, ihr leidenschaftliches Engagement für all ihre Projekte und auch ihre Ungezwungenheit und Offenheit. Sie machte Mut, Sachen anzugehen, sie verbreitete Zuversicht und damit eine kraftvolle und humorvolle Atmosphäre um sich herum.

Ich möchte mit diesem Porträt einen Menschen, eine Musikerin, Mutter und Freundin beschreiben, die mir als Musikerin, dem Frauen Musik Büro und der Melodiva-Redaktion als Mitarbeiterin, den Kultur- und Musikinitiativen in Frankfurt als Dozentin und Künstlerin und auch zahlreichen jungen Musikerinnen, die sie unterrichte und unterstütze, immer im Gedächtnis bleiben wird.

Ein engagiertes und aktives Leben

Mutter zweier Söhne (Dimitri 3 Jahre) und Anatoli (9 Jahre), Musik-Managerin ihres Ehemannes und Musikers Igor Shirokov, Dozentin in der Kulturwerkstatt in Frankfurt und beim Mädchen-Rockmobil ROCKETTA, Musikerin in diversen Projekten, Bandcoach für junge Musikerinnen in Marburg, ehrenamtliche Mitarbeiterin beim Frauen Musik Büro und bei der Melodiva Redaktion als Autorin, Mitarbeiterin bei der Frankfurter Jazz-Initiative, Mitinitiatorin der ersten „Musikerinnen-Sessions“ bei Waggong und Mitinitiatorin des Marburger Frauen-Musik-Festivals „Weibrations“, das 1998 und 2000 an drei bzw. zwei Tagen stattfand. Sie war vielseitig interessiert und offen, sie packte mit an, wo Hilfe gefordert war, sie hielt, was sie versprach und wir konnten uns auf sie verlassen. Das ist wundervoll, denn viele der oben beschriebenen Projekte und Initiativen konnten und können nur mit solchem Engagement existieren bzw. funktionieren.

Mut und Power trotz Mehrfachbelastung

Nach der Geburt ihrer beiden Söhne kam zu den diversen Aufgaben, die sie übernommen hatte, die Aufgaben einer Mutter hinzu. Mütter wissen am besten, was es bedeutet, diese vielfältigen Aufgaben mit der Arbeit einer Selbständigen unter einen Hut zu bringen. „Zu den Proben und Konzerten waren die Kinder mit dabei“ so berichtet mir ihre Kollegin Anka Hirsch (Cello – s. Foto oben links)

– „Ich kann es noch gar nicht fassen und weiß auch noch nicht, in welcher Form ich weitermachen kann mit „Trirakel“, was daraus entsteht, was mit unserer Musik wird….“. „Wie schaffte sie das nur alles?“, so berichtet mir Anka, die seit 1996 sehr eng mit Claudia zusammenarbeitete. Sie lernten sich über eine Anzeige im Musikmagazin „Jazzpodium“ kennen und waren ab da an musikalisch eng verbunden. „Wir standen schon manchmal bewundernd neben ihr und schlugen auch die Hände über dem Kopf zusammen. Ich arbeitete mit ihr in diversen Projekten: Musik, Performance, freie Improvisation, Theatermusik. Und vor allem aber in unserem gemeinsam entwickelten Projekt „Trirakel“…“. Mit dem Duo spielten die beiden eine CD ein mit dem Titel „A Trick an Jazz.

Zur Musik von Claudia sagte mir Anka Hirsch: „…ich liebe ihre Kompositionen, die etwas ganz eigenes haben, eine Kraft und eine Leichtigkeit. Und ihre Art zu spielen war so besonders: manchmal rauh, kantig, in großen Bögen und sehr kraftvoll, vor allem auf dem Bariton….“

Durch Claudias und auch Ankas Engagement in Frankfurt lernten die beiden auch Annemarie Roelofs kennen, mit der sie einige Konzerte gemeinsam bestritten. Auch gastierte Marianne Steffen-Witteck, die Drummerin und Hochschulprofessorin (Musikhochschule/Weimar) bei einigen Konzerten von Trirakel.

Ganz in ihrem Sinne…

Diese Doppel- bzw. Dreifach-Belastung auszuhalten und damit noch eine komplette Familie zu ernähren, das ist eine absolute Leistung. Claudia stand ihre Frau, was sie auch anpackte. Ihr letztes Projekt war die Debut-CD, für die sie in ihrem Geburtsland Schweden ein Label besorgte, auf dem die Platte veröffentlicht werden konnte. Das Album umfaßt zu gleichen Teilen Kompositionen von Claudia wie auch von ihrem Mann Igor, und wir können sehr auf die Musik gespannt sein. Desweiteren plante sie die Release-Konzerte im KFZ-Marburg und im Freien Theaterhaus in Frankfurt. Die Entscheidung ihres Mannes und ihrer KollegInnen wie auch der Veranstalter, das Konzert nach ihrem Tod nicht abzusagen, ist bestimmt ganz im Sinne Claudias: „…das Konzert darf nicht ausfallen, es muß stattfinden. Die Platte muß herauskommen. Ihr müßt das zusammen hinkriegen!“, so hören wir sie alle in Erinnerung uns ermutigend zurufen.

Konzerte in Marburg und Frankfurt

Damit sowohl die CD adäquat präsentiert wird und auch alle BesucherInnen die Musik, die uns Claudia hinterlassen hat, hören können, haben sich ihre Freunde und FreundInnen, ihre Kollegen und Kolleginnen eingesetzt. Nach der CD-Präsentation, die ihr Mann Igor mit zwei weiteren Musikern spielt, werden ihre Kolleginnen und Kollegen ein „Benefizkonzert “ zugunsten der Familie spielen. Koordinieren wird den Abend in Frankfurt die Jazzinitiative, Annemarie Roelofs und im KFZ in Marburg ihr Mann Igor. Wer der Familie durch eine kleine Spende helfen möchte, kann das u.a. Spendenkonto verwenden, das ihre Eltern und ihr Mann eingerichtet haben.

Sie wird mit dem, was sie zu Lebzeiten geschaffen hat, mit ihrer Musik und durch ihre beiden Söhne weiterleben. Wir alle trauern um Claudia Helmers-Shirokov und werden ihr Lebenswerk in Erinnerung behalten.

Text: Anne Breick

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Im Anhang noch ein Nachruf, der die biographischen Daten noch mehr vervollständigt:

Aus „Express Marburg“, 12/2002, Text: Thomas Gebauer

Abschied von Claudia Helmers-Shirokov

Ihren ersten Klavierunterricht nahm sie im Alter von 5 Jahren. Bereits ein Jahr drauf begann sie, Querflöte zu spielen. Auf diese Weise klassisch ausgebildet, lernte sie später nach Altflöte, Bariton- und Altsaxophon. Fasziniert von Tönen, Klängen und Klangkombinationen komponierte sie Jazz, Kammer- und Bühnenmusik und entwickelte für das ihr eigene Verständnis von Musik als Sprache. Sie spielte in verschiedenen internationalen und überregionalen Formationen, von Solo bis Big-Band, von Freier Improvisation zum Jazz mit gelegentlichen Ausflügen in die neue Musik, Popmusik oder Theatermusik.

Seit 1986 lebte die in 1968 in Lund/Schweden geborene Helmers-Shirokov in Marburg. Von dort aus startete sie auch zu Tourneen durch Russland, Sibirien, Kasachstan, Kirgisien, Schweden und Deutschland. Neben Projekten mit ihrem Mann, Igor Shirokov, spielte sie u.a. mit Anka Hirsch, Alexander Pischikov, Tahir Ibgraginov, Vitold Rek, Clauia Deppa, Pablo Nahar und Annemarie Roelofs. 1997 brachte sie zusammen mit Anka Hirsch und dem Duo „Trirakel“ ihre Debut-CD heraus „A trick on Jazz“. Für das multikulturelle Projekt „Grenzgänger – Kinder Europa“ und der Gruppe „Kultur im Ghetto“ aus Frankfurt organisierte sie zusammen mit anderen MusikerInnen auch Workshops mit Kindern aus sozialen Brennpunkten.

Kein Zweifel: Die Kraft und der Ideenreichtum ihrer Musik wurde zu einer unverwechselbaren Sprache und spiegelte sich in ihrer tiefen Menschlichkeit und großen Lebensfreude wider, mit der sie tatendurstig ihre Umgebung gleichermaßen inspirierte und begeisterte.

Für den 14. Mai hatte Claudia zusammen mit ihrem Mann die Präsentation von 3 CDs im KFZ Marburg vorbereitet und geplant, die sie für das kanadische Label eingespielt hatten.

Am Morgen des 9.4.2002 verlor sie jedoch den Kampf gegen eine lange und schwere Krankheit und starb an den Folgen von Brustkrebs. Am Tag zuvor hat sie noch im Liegen an ihren Stücken die Vorbereitungen für das Jubiläumskonzert vorangetrieben.

Wenn es wahr ist, dass Musik Sound erzeugt und Sound Energie ist und ohne Energie keine Sound und keine Musik entstehen, dann wird uns die Musik von Claudia Helmers-Shirokov auch in Zukunft an der Kraft ihres Lebens teilhaben lassen.

Mai 2002

29.05.2002