
Anne Breicks Dankesrede
Tony Sender Preis 2025
Liebe Menschen, liebe alle hier im Raum,
dass ich heute hier stehen darf, euch hier alle begrüßen darf, das erfüllt mich mit einer so elektrisierenden Mischung aus Dankbarkeit, Freude, und Respekt, dass ich kaum Worte finde! Mit euch blicke ich heute zurück auf 40 Jahre Leidenschaft für Musik – nur mit EUCH konnte ich das schaffen. Ich bereue NIX!
Ganz besonderer Dank gilt einer Frau, deren Weg ich mit großer Bewunderung verfolgt habe, als die Ex-Vorständin der Commerzbank und heutige Beraterin. Ihr Vertrauen und ihre Freundschaft sind ein großes Geschenk. Ihre wundervolle Laudatio ein bewegender Höhepunkt für mich: Danke, Sabine Schmittroth.
Mein Glückwunsch auch an Barbara Luci Carvalho, die aus Bahia, genauer aus Salvador, kommt – aus der Region, in der ich auf mehreren Studienreisen meine Liebe zu Samba-Reggae und afro-brasilianischen Samba-Rhythmen entdeckt habe; eine Erfahrung, die mich bis heute trägt und beflügelt.
Ich habe gefühlt mehr als zehn Jahre auf diesen Moment gewartet. Vor zwei Jahren wollte ich schon den Kopf in den „Beat“ stecken und aufgeben. Eine willensstarke Frau, Politikerin und queere Netzwerkerin ließ nicht locker, mich anzuschieben: Ein besonderer Herzensdank geht an die Stadtverordnete Natascha Kauder, an alle frauenpolitischen Sprecherinnen und alle Unterstützerinnen, die an mich geglaubt haben.
Mein Dank gilt auch der wunderbaren Arbeit des in Deutschland einzigartigen Frauenreferates, allen voran der Leiterin Gaby Wenner und ihrem Powerteam. Viele Projekte wie die großen gemeinsamen Jubiläumskonzerte und die institutionelle Förderung des Frauen Musik Büros bis hin zur aktuellen Benefizkonzertreihe „fem*spot“, das … und vieles mehr hätte niemals stattgefunden. Die langjährige inhaltliche und kompetente Unterstützung gaben mir immer Rückenwind und beflügelte meine Arbeit.
Und natürlich das Frauendezernat und Team – und hier besonders an eine charismatische Rednerin und engagierte Frauendezernentin. Ihre erste Amtshandlung im letzten Jahr: das Hissen der progressiven Gay-Flag vom Römerbalkon und ihre feurige Rede vor der queeren Community. Dieser Moment steht für vieles, wofür ich heute hier stehe: Sichtbarkeit, Mut und Freude am öffentlichen Raum. Danke, liebe Tina Zapf-Rodriguez.
Meine Wurzeln? Ich bedanke mich bei meinen Eltern, auch wenn sie heute nicht mehr da sind – und alles, was sie mir in die Wiege gelegt haben: von Kreativität über den Geschäftssinn bis hin zu den „Grooves“ aus der Schmiede. Danke an meine Schwestern Dorothea und Nadi, die mich unermüdlich unterstützt und ermutigt haben. Sie ermöglichten mir die Begegnung mit den Lehren des Buddha, dem Dharma – ein wichtiger Grundstein für meine innere Kraft und Stabilität. Und ein tiefer Dank geht an meine Lebenspartnerin Marion Cieplik, die es mit einer so quirligen und umtriebigen Person im Rampenlicht nicht immer leicht hatte. Danke für deine Ruhe, deine Kraft und deine Liebe.
Jetzt stehe ich hier als Durchlauf-Erhitzerin, als Netzwerkerin für so viele mutige Musikerinnen, die an der Sichtbarkeit von Frauen im männerdominierten Pop-Musikbusiness mitgebaut haben. Vier von ihnen konntet ihr gerade erleben: Sie haben mich getragen und ertragen, inspiriert und gefördert, sie sind meine zweite Familie geworden: unser Freund, Gitarrist und Percussionist Uli Kratz, der uns alle zusammengebracht und mich heute vertreten hat; die groovige Funk-Bassistin und Latin-Queen Uli Pfeifer, die als Erste an meiner Seite stand; die kraftvolle Soulstimme mit den berührenden Texten und mit den mitreißenden Hooklines Elke Voltz; die Salsa-Keyboarderin Christiane Sattler, die schon zu Beginn in meiner privaten Musikerinnen-Kartei auftaucht. Zusammen sind sie meine einzigartige KICK LA LUNA Familie – über 33 Jahre gemeinsam on stage: „Was wäre ich ohne euch?“
Wie wird Frau eigentlich queere, feministische Musikerin? Sicher nicht, weil Rollenerwartungen es vorschreiben: Im Gegenteil. Durch die Sprüche einer westfälischen Kleinstadt, in der Mädchen wie ich bestenfalls Klavier oder Flöte spielen durften wohl eher nicht: „Wenn Mädchen pfeifen, weint die Mutter Gottes“ – und ich pfiff! Das alles hat mich eher angespornt zu zeigen, was geht. Was mir verboten war, wurde zum Antrieb. Ob auf dem Trecker, als Busfahrerin oder mit der Jazzgitarre am Lagerfeuer – ich habe ausprobiert, was mir Freude macht, auch gegen alle Widerstände. Bis ich den Rhythmus, die Trommeln, mein Instrument, endlich für mich entdecken konnte.
Auf einer Studienreise durch Marokko geschah dann der Wendepunkt, der meine Leben grundsätzlich auf den Kopf stellen sollte: In einem Beduinenzelt begegnete ich zum ersten Mal den kleinen Trommeln – den Bongos. Eine Nacht durchzutrommeln, gemeinsam mit marokkanischen Männern, die mich mitspielen ließen, war ein kleines Wunder – auch wenn meine Hände danach blau waren. Zurück in Münster nahm ich sofort Trommelunterricht – der Start meiner Bühnenarbeit 1984 und meiner ersten Frauenband Black Magic Women: sechs Frauen trommeln. Wir feierten große Erfolge und eröffneten ein Frauenprojekt nach dem anderen. Unterricht bekamen wir damals fast nur von Männern, aber wir waren selbstbewusst. Wir kombinierten Trommelrhythmen mit mehrstimmigem Gesang und Afro-Tanzeinlagen – das wurde zu unserem Erfolgsgeheimnis. Die boomende Frauenszene der 80er trug uns nach vorne; wir nahmen uns den öffentlichen Raum, wir nahmen uns die Bühne. Und ja: Eigentlich waren wir eine Lesbenband mit zwei Heterofrauen – nur ließ sich das damals nicht offen vermarkten! Dieses Spannungsfeld zwischen queerem Leben und Unsichtbarkeit als Lesbe zieht sich durch große Teile meiner Laufbahn.
Meine politischen Aktivitäten, hatten natürlich viel und immer mit Trommeln, mit Musik, mit SAMBA, und mit FLINTA* auf der Bühne zu tun: BUM BUM TSCHAK. Trommeln für Gleichberechtigung, Frauenrechte, zum „V-DAY“, auf der CSD-Parade und dem Dyke*March, für die Streichung des §218, vor Pro Familia, für den freien Zugang zu Beratungsstellen, gegen Gewalt an Frauen wie am 25.11. auf der Konstabler Wache. Diese Demos und Kundgebungen, waren mir ein wichtiges Anliegen: als queere Feministin – als Musikerin, Flagge zu zeigen und klare Position zu beziehen.
Als Frau, erst recht als lesbische, professionelle Musikerin, findet man selbst heute noch selten Vorbilder in leitender Position. Umso wichtiger war es, starke Netzwerke zu schaffen. Als ich nach Frankfurt kam, schloss ich mich direkt mit Musikerinnen zusammen, reiste durch die Republik zu Workshops, holte den Verein „Frauen machen Musik“ mit hierher, und erlebte, wie kraftvoll gemeinsames Arbeiten und Lernen unter Frauen sein kann. Alles, was wir geschaffen haben – etwa die „female concerts“, die heute aus Frankfurts Musikszene nicht mehr wegzudenken sind, die vielen Frauen-Musik-Festivals und Workshops – das alles entstand aus dem Willen, die Musikerinnen sichtbar zu machen und gemeinsam nach vorne zu bringen.
Es waren Frankfurterer Musikerinnen wie Annemarie Roelofs, die erste Jazzprofessorin an der HfMDK, die Latin-Funk-Bassistin Lexi Kercher (jetzt Rumpel), die Posaunistn Viola Engelbrecht oder die Jazz-Preisträgerin Corinna Danzer…. Sie alle zeigten mir, was alles möglich ist, wenn Frauen sich gegenseitig fördern und zusammenschließen: TOGETHER WE ARE BETTER! Sie alle spielten u. a. mit in der bekanntesten und größten Frauen Bigband Deutschlands, die ich im Frauen Kultur Haus mitinitiierte:
das 25 -köpfige UNITED WOMENS ORCHESTRA. Annemarie holte auch mit ihrer Arbeitsgruppe die „CANAILLE“, das „Festival für improvisierte Musik für Frauen“ ins damalige Frauen Kultur Haus.

Es waren auch Frankfurter Kulturmanagerinnen, die meine Vorbilder sind. Sie holten mich und meine Bands auf legendäre Festivals und setzten Meilensteine im Kulturbetrieb. Die Schauspielerin und Entertainerin Maja Wolff und die Eventmanagerin Conny Wynen aus der Brotfabrik. Das Frauen-Musik-Netzwerk, das hier in Frankfurt entstanden ist, ist einmalig. 50 Printausgaben der MELODIVA wurden hier herausgebracht, der Bandindex ist von damals 10 auf heute 800 Einträge angewachsen, Dank auch der unermüdlichen Arbeit einer Frau, die bis heute im Frauen Musik Büro arbeitet: Hildegard Bernasconi. Sie organisierte u.a. 19 Frauen-Musik-Wochen und holte Musikerinnen aus ganz Deutschland und Europa nach Hessen. Dass unsere Plattform MELODIVA Station der Frauen-Musik-Geschichte ist und heute immer noch erste Anlaufstelle für Porträts über Profimusikerinnen, Konzerthinweise und CD-Reports – dies erfüllt mich mit besonderem Stolz.

Auch die engagierte Kollegin, die Sängerin Mane Stelzer, prägt diese Arbeit bis heute. Sie entwickelt neue Bereiche wie die Nachwuchsredaktion Melodita, veranstaltet Sessions und verschreibt sich der Förderung von jungen Nachwuchstalenten und MINTA*. Das technische Now-How für die Internet-Präsenz und die Suchmaschinen liefert uns bis heute die Saxophonistin und Studiotechnikerin Patty Stucky aus Köln. Dies und diese tollen Frauen, auch die aus dem Vereinsvorstand – sie alle prägen diese, unsere gemeinsame Arbeit im einzigartigen Frauen Musik Büro Deutschlands: www.melodiva.de – clickt euch mal rein!
Unser Wirken ist inzwischen Teil einer offiziellen Jazzgeschichte geworden. Dank dem Kurator David Beikirch wird dies in der noch bis 6.1.2026 stattfindenden Ausstellung „JAZZ in Frankfurt“ im MAK sichtbar. Ich war zu Tränen gerührt, der großen Wand mit den übergroßen Melodiva Titelbildern gegenüber zu stehen.
Für die beständige Sichtbarkeit queerer Frauen war es ein langer und steiniger Weg. Noch in den 90ern wurde ich öffentlich geoutet und musste lernen, mit Anfeindungen und Klischees umzugehen. Doch auch das hat mich stärker gemacht: Heute sind Musikerinnen selbstverständlich auf den CSD-Events präsent. Der Dyke*March, der sich besonders für die Sichtbarkeit von Lesben stark macht, wurde dank der Mitbegründerin Simone Stockmann und dem Orga-Team, dem ich auch angehöre, bereits 7 Mal durchgeführt. Seit 3 Jahren sitze ich trommelnd auf dem Queermobil von GUNSTWERK und spiele zu den Electro-Beats von DJane Andilicious. Der 8. Dyke*March wird 2026 zum Sommeranfang stattfinden – SAVE THE DATE!
Wie sieht es aktuell mit der Beteiligung von Instrumentalistinnen im Pop-Musik-Business aus? Wenn wir auf das Deutsche Jazzfestival schauen, diesen über 70-jährigen Spiegel der deutschen Jazzgeschichte, sehen wir: Der Anteil von Musikerinnen liegt oft bei nur 7%, an zentralen Festivalabenden sogar bei null. In großen öffentlich finanzierten Bigbands (HR, SWR) spielen fast ausschließlich Männer! Unsere Rundfunkgebühren finanzieren also im Wesentlichen reine Männerensembles. Und bei Pop-Musik-Festivals? Da liegt der Frauenanteil auf den Bühnen mit 16%, nach wie vor weit unter dem, was einer gleichberechtigten Gesellschaft entsprechen würde.
In der Ausbildung sieht es nicht viel besser aus! An renommierten Pop- und Musikakademien liegt der Anteil von Dozentinnen in manchen Bereichen bei max. 15%; bei E-Gitarre ist er natürlich bei null, während der Gesangsbereich fast ausschließlich von Frauen besetzt ist. Die alten Rollenklischees leben weiter: Vorne die Sängerin als Aushängeschild, die auch so vermarktet wird, dahinter die „unsichtbare“ Band aus schwarz gekleideten Männern.
Jetzt frage ich mich: Wie würde Tony Sender ihr Resümee ziehen? Vielleicht so?
Solange Musikerinnen, FLINTA* – vor allem Instrumentalistinnen – im öffentlichen Raum kaum vorkommen, bleibt die Forderung klar:
– öffentliche Fördermittel sollen an eine gleichberechtigte Beteiligung geknüpft werden,
– 50% Musikerinnen FLINTA* gehören auf alle Bühnen, die mit öffentlichen Geldern finanziert werden,
– Die Landes- und Hochschulpolitik soll viel konsequenter an einer gleichberechtigen Besetzung von Professuren und Leitungspositionen arbeiten,
– Kulturdezernate, Sponsor*innen und Veranstalter*innen sollen sich sichtbar und verbindlich für Musikerinnen einsetzen: für gleiche Bezahlung, für gleiche Behandlung und für die gleiche Präsenz!
Ich habe hier in Frankfurt vor jetzt 36 Jahren angefangen, mit vielen, tollen und engagierten Musikerinnen im Team! Ich habe Grundsteine gelegt und kleine Schritte nach vorne gemacht. Vieles wirkt heute selbstverständlicher, ist es aber noch lange nicht.
Deshalb ein Appell an euch junge FLINTA*: Lasst euch nicht wegdrängen! Bleibt laut, nehmt euch den Raum auf allen Bühnen dieser Welt! Setzt euch auf allen Ebenen für eure Belange + Wünsche ein: künstlerisch… organisatorisch… politisch!
Es gibt noch so viel zu tun – let’s do it together! Und jetzt möchte ich mit euch allen und mit meiner Band KICK LA LUNA musikalisch aus der REIHE TANZEN…
Infos: Annes Website | Facebook | Insta Website Kick La Luna
04.12.2025

