16. Afro-Pfingsten (CH)
Das Festival-Highlight: Zap Mama
Bereits zum 16. Mal fand dieses tradierte Afro-Festival in Winterthur statt, begleitet vom afrikanischen Markt in der Innenstadt, afrikanischen Filmen in den Kinos, einem „Swiss African Forum“ und über 40 Workshops in der „Alten Kaserne“. Diese Festivaltradition spürte auch der/die BesucherIn, denn alles war gut organisiert und lief wie am Schnürchen. Natürlich waren die international bekannten Acts, die dieses Festival Jahr für Jahr präsentiert, der Höhepunkt. 12 Formationen aus Mosambik, Senegal, Nigeria, Marokko, Brasilien, Kongo, Madagaskar, Gambia und Kuba standen auf dem Programm. Über zwei Highlights berichtet Anne Breick, die das Festival für Melodiva besuchte und auch die Fotos beisteuerte: ZAP MAMA (s.o.) und CHICO CÉSAR mit Band.
Nachdem ich über den AFRIKANISCHEN MARKT geschlendert war und mich über die Vielfalt der Stände, Waren, Instrumente und vor allem die große Anzahl farbiger Besucher gestaunt hatte, bewegte ich mich dann Richtung City Halle, einem Konzertsaal, der über 2000 Menschen faßte. Die Veranstalter schafften es, durch viele Getränkebars, kleine Sitzgruppen, Palmen und Deko, daß die Atmosphäre trotz der Massen entspannt und locker blieb. Engpaß war lediglich die Ein- und Ausgangssituation.
„Mabulu“ (s.li.) hieß die erste Band, die am Freitag das Festival eröffnete. Beste Highlife-Musik aus Mosambik stand auf ihrem Programm und schon nach wenigen Takten wogte die ganze Menge. Allerdings wunderte ich mich, daß vor der City Halle in Winterthur noch so viele Menschen an den Ständen dort standen und im Restaurantzelt die afrikanische Küche genossen. Sie alle warteten wohl auf den Hauptakt des Abends: ZAP MAMA.
Das Publikum schien sich völlig auszuwecheln und vor allem sah ich fast nur noch Frauen um mich herum. Zap Mama, eine der Frauenkultbands, die Anfang der 90er ihre Karriere und mit fünf Vokalistinnen mit Acapella-Afro-Songs begannen. Sie boomten vom ersten Ton an und erhielten einen Preis nach dem anderen, vor allem aber stürmten sie die Charts.
Sie tourten durch Europa und die Staaten und ihre erste CD war Kult. Noch immer singen unzählige Chöre ihre Songs nach, die polyphonen afrikanischen Gesangstraditionen entspringen, gemischt mit Scat-Gesang und afrokubanischen Rhythmen. Ihre damalige Gründerin und tragende Säule, Marie Daulne ist auch heute noch der Kopf der „New Zap Mamas“, die sich einer vollständigen Wandlung unterzogen haben: Besetzung, Musik und …überhaupt.
Für viele, die die „alten Fünf“ erwarten, eine Enttäuschung und Stilbruch zugleich. Für die, die offene Augen und Ohren haben ein Geheimtipp. Mit einer Bassistin und noch einer Backgroundsängerin aus der alten Formation betrat Marie Daulne die Bühne, hochkostümiert, schrill, bunt und absolut im Mittelpunkt des Geschehens.
Mit der groovenden, virtuosen Bassistin, dem smarten Drummer und dem Keyboarder, die einfach einen guten Job ablieferten, aber sonst nicht so in Erscheinung traten, waren die Stimmen der Zap Mamas natürlich tragend. Die Hauptstimme sang Marie Daulne, unterstützt und ergänzt von zwei Background-Sängerinnen und einem Background-Sänger. Sie zauberten zu viert die wundervollen Chorsätze und Melodien. Mit ein absoluter Höhepunkt war der DJ – er rappte, tanzte und scratche, wie ich es noch nie gehört und erlebt habe.
Überhaupt schaffte diese ganze Formation eine Bühnenpräsenz und Inszenierung, die das Publikum wirklich fesselte. Da wechselten sich Instrumental-Soli und Vocalparts mit der virtuosen Stimmakrobatik von Marie Daulne und einstudierten Tanzchoreographien ab. Als Mittelpunkt und Leaderin, aber auch im Hintergrund unterstützte Marie Daulne einfach ihr Ensemble.
Sie war Leitung, Frontfrau und Mitglied zugleich. In dem schrillen Outfit, in dem sie antrat, vermittelte sie zuerst einfach nur die DIVA. Das löste sich aber sofort auf, denn der Spaß, den sie und ihre MitmusikerInnen beim Musik-machen hatten, schwappte augenblicklich von der Bühne und die Sympatiewellen schwappten vom Publikum aus zurück, bis hin zu Begeisterungsstürmen. Marie Daulne tanzte über die Bühne, sang auf der Flasche (s. Foto) und verfremdete ihre Stimme selbst live mit dazwischengeschalteten Sequenzern und Vocodern.
Marie Daulne zelebrierte ihre Musik, ihre Band und auch sich. Aber vor allem hatte sie ihr Publikum vom ersten Ton an in der Hand. So ganz nebenbei sangen und tanzten alle mit. Ihr Charme und ihre Power ließen die zu Anfang etwas verhaltenen SchweizerInnen dann gleich abheben. Daß die vielen Farbigen um mich herum nicht gerade schüchtern schienen, brach den Bann insgesamt um so schneller.
Ein Konzertgenuss, den ich schon lange in dieser Form nicht mehr gehabt und live miterlebt hatte. Ich kann allen nur empfehlen, diese Show, diese perfekte Inszenierung guter Afro-Hip-Hop-Acapella-Musik zu genießen (ihre weiteren Tourdates sind unten im Anhang gelistet). Selbst „Alt-Zap Mama“-Fans erkannten immer wieder Bruchstücke der alten Ohr-Wurm-Songs in neuem, zeitgemäßen Gewand. Sie konnten sich getrost dem Zeitgeist hingeben und wegschmelzen, so wie die Leute es mit mir auch an Pfingsten in der City Halle in Winterthur getan haben.
Immerhin gehörte Zap Mama mit zu den Bands, die bei diesem sonst 100%ig mit Jungs besetzen Formationen, den weiblichen Anteil an Musikerinnen erhöhte und zu einer charismatischen FEMALE Präsenz beim Afro-Pfingsten mit beitrug.
Chico César mit Band & Gast: Ray Lema (Brasilien/Congo)
Neben der absoluten Herrenriege der 15-köpfigen „Cuban Allstars“, einem der musikalischen Höhepunkte des 2. Festivaltages, die nur eine Frau auf der Bühne im Hintergrund hatten, die dem Pianisten die Noten umblätterte, war die Band von Chico César eine Ausnahme im Musikbusiness.
Ganz selbstverständlich präsentierte der Brasilianer eine Schlagzeugerin und eine Saxophonistin/Flötistin. Daß ich das erwähnen muß zeigt, wie auffällig es immer noch ist, wenn Musikerinnen als Instrumentalistinnen in Erscheinung treten.
Das erfreute mich gleich, als die Band am letzten Festival-Abend auf die Bühne kam.
Chico César, der es von seinen Massen-Konzerten in Brasilien gewohnt ist, daß sein Publikum gleich vom ersten Ton an mitsingt, war wohl etwas enttäuscht von der eher kleinen Zahl an Zuschauern, die noch so lange ausgeharrt hatten. Nach zwei vorangegangenen Konzerten, waren einfach viele BesucherInnen vom Festival angefüllt bzw. auch überfüllt.
Das machte dem Zeremonienmeister etwas zu schaffen und seine Animationsversuche wirkten leider zu oft wie zähe „never-ending-loops“. Wenn Chico aber in seiner Musik war, in seinen wundervollen, groovigen, melodiösen Songs, dann knisterte es im Publikum. Dann war eine Gänsehaut nach der anderen am Rieseln.
Dafür sorgte auch seine sehr junge sympathische Begleitband mit Akkordeon, Bass, Drums und Querflöte bzw. Saxophon. Sein Hit „Mama Afrika“, der auch bei uns in den Charts zu finden war, schaffte es dann auch endlich, daß die Menge bereitwillig mitsang und tanzte. Chico César hatte es als Festival-Abschluß nicht ganz einfach, aber durch seinen Gastmusiker am Keyboard aus dem Kongo, Ray Lema (sein Meister, wie er ihn vorstellte), schaffte er sein Programm noch zu toppen. Mit zarter, tiefer, melancholischer Stimme zog Ray Lema das Publikum in seinen Bann. Beide zelebrierten dann mit zweistimmigen Wechselgesängen ihre Liebe zur afrikanischen Musik.
Bleibt mir nur noch, dieses Festival weiter zu empfehlen. Beim „AFRO PFINGSTEN“ Weltmusikfestival kommen Weltmusik-Fans absolut auf ihre Kosten. Mit dem tollen Markt, den vielen spannenden Workshops (von Djembe, Conga, Gesang, Tanz, Capoeira, Salsa bis hin zu Cajones) bietet dieses Festival eine reichhaltige Auswahl. Bleibt zu hoffen, daß 2006 das 17. Afro-Pfingsten über die Bühnen gehen wird.
www2.uol.com.br/chicocesar/index2.htm]
Copyright: Redaktion Melodiva
Autorin: Anne Breick
29.05.2005