Mariella ist seit über 10 Jahren freiberufliche Musikerin, Songwriterin und Mutter von zwei Kindern. Vor der Pandemie und der Geburt ihres ersten Kindes war sie als Live-Musikerin, Violinpädagogin, Studiomusikerin und Arrangeurin tätig, seit 2020 hat sie ihr Berufsfeld stark eingegrenzt und den größten Teil der Care-Arbeit übernommen. In ihrer wenigen freien Zeit legt sie den Fokus auf ihr Soloprojekt ELLA FALL. Abends wenn die Kinder schlafen, wird sie aktiv, schreibt und produziert ihre Songs oder übt schlichtweg Violine. Außerdem ist sie weiterhin im Hintergrund der Klangkantine Studios in Darmstadt tätig, die sie mit ihrem Mann zusammen führt.

Aktuell ist Mariella noch in Elternzeit, plant aber bereits ihren Wiedereinstieg auf die Live-Bühne – eine Herausforderung, nicht zuletzt wegen fehlender Betreuung im nahen Umfeld. Ihr Antrieb: die Sichtbarkeit von Musikerinnen und Müttern, der Austausch mit anderen Music Moms und der Wunsch, nicht länger allein zwischen Kunst und Care-Arbeit zu stehen.

 

Du bist Mutter zweier Kinder und weiter als Musikerin tätig. Warst Du mit Deinen Kindern bereits on tour? Wie ist es Euch ergangen?

Ich bin mittlerweile Mama von zwei Kindern. Bei meinem ersten Kind kamen mehrere Faktoren zusammen, warum mein Wiedereinstieg holpriger war als geplant war. Zum einen die Pandemie, zum anderen eine Geburt, an der ich sehr lange zu knabbern hatte und die Betreuungssituation. Aber mir war es auf jeden Fall wichtig, das erste Jahr für mein Kind da zu sein. Sobald es dann Abend war und das Kind geschlafen hat, habe ich mich in mein Musikzimmer zurückgezogen und Songs geschrieben, gesungen und Geige geübt. Immerhin konnte ich regional den einen oder anderen Gig nach eineinhalb Jahren spielen, wenn es die Betreuungssituation zuließ. Gigs, an denen ich mehrere Tage am Stück unterwegs gewesen wäre, hatte ich vorerst für mich ausgeschlossen.

 

Haben sich Veranstaltende bereits darauf eingestellt, dass manche Musiker*innen mit Kindern anreisen?

Bei den „Brotjobgigs“ bin ich des Öfteren auf sehr traditionelle Strukturen gestoßen. Zum Beispiel habe ich, bevor ich Mutter wurde, mehrmals für die TU Darmstadt bei Preisverleihungen das Programm mit Musik untermalt. Bei meinem letzten Auftrag wollte ich mein Baby mit Begleitperson mitbringen, denn wir waren noch nie getrennt und ich wollte es nicht plötzlich fünf Stunden bei jemanden „parken“. Ich hatte mir schon einen guten Plan ausgedacht, wie es hätte klappen können, als mir gesagt wurde, dass ich mich entscheiden müsse: Ich könnte den Gig spielen, wenn ich alleine komme, ansonsten müssten sie mir absagen. Ich habe mich für mein Kind entschieden und den Gig abgesagt. Bei den kleineren Clubgigs oder Festivals mit meinem Künstlerprojekt ELLA FALL war es kein Problem, dass das Kind Backstage mitkonnte. Und dadurch, dass ich ohnehin erstmal nur regional auftrat und nach dem Gig wieder heimfahren konnte, erübrigten sich Mehrkosten wie Übernachtungen für mehrere Personen durch den Veranstalter.

 

Würdest Du es wieder machen oder lieber eine längere Auszeit in Kauf nehmen?

Dass ich mir bewusst die Zeit gegeben habe, als Mutter anzukommen, meinen Platz zu finden und mein Kind in Ruhe kennenzulernen, war sehr wichtig für meine mentale Gesundheit. Da ich die erste Geburt schlecht weggesteckt habe, brauchte ich schlichtweg die Zeit zur Regeneration – die physischen als auch die mentalen Narben mussten erstmal heilen. Ich betrachte es als Luxus, dass ich mir das rausgenommen habe. Bei meinem zweiten Kind habe ich mir auch ein Jahr Elternzeit genommen, nur dass mein erstes Konzert schon früher sein wird, worauf ich mich sehr freue.

 

In der Regel arbeiten Schwangere in den letzten Wochen vor der Geburt nicht mehr und gehen in den Mutterschutz. Viele Musikerinnen* können sich das gar nicht leisten oder fühlen sich so fit, dass sie weiter auf der Bühne stehen. Wie war das bei Dir?

Bei meinem ersten Kind waren noch Gigs bis weit in den Mutterschutz geplant, aber durch Corona war ich Monate vorher schon alle meine Jobs und Gigs los. Ich habe dann von meinen Rücklagen gelebt, bis ich offiziell in den Mutterschutz ging. Beim zweiten Kind waren aus gesundheitlichen Gründen keine Konzerte kurz vorher mehr geplant. Da mein Mann und ich ein Tonstudio führen, war dort noch genug bis vor der Geburt zu erledigen, sodass ich bei beiden Kindern bis zwei Wochen vor ET gearbeitet habe.

 

Konntest Du Deine Projekte so planen, dass Du beruhigt eine Auszeit nehmen konntest? Und wie hast Du das finanziell hinbekommen, Du bekommst ja wahrscheinlich kein Gehalt?

Bei meinem ersten Kind ist mir das nicht gut gelungen und so wollte ich es beim zweiten besser machen. Zum Beispiel habe ich bei meinem Soloprojekt „Ella Fall“ viel vorgearbeitet und meine Parts für die Aufnahmen abgeschlossen, sodass ich während der Elternzeit Musik zum Veröffentlichen habe. Aber wie schon beschrieben, ist es ein laufender Prozess und abends ist meine Zeit zum Produzieren und Musizieren.

Während der Elternzeit haben wir Elterngeld erhalten. Danach haben mein Mann und ich uns hingesetzt und abgewogen, wie es für uns finanziell leichter ist. Wegen Corona war ich sowieso erstmal arbeitslos; als die Regelungen sich lockerten, kamen auch wieder Anfragen rein, aber erstmal bei weitem nicht mehr so viele wie vor Corona. Ich hätte uns damit nicht ernähren können. Da wir mit dem Unternehmen neben Musik noch weitere Dienstleistungen abdecken (während der Pandemie waren Hörbücher, Hörspiele und Podcasts sehr gefragt), konnten wir als kleine Familie gut davon leben. Ich hatte on top noch die Gigs, die mit unserem Betreuungsmodell zu vereinbaren waren und auf die ich Lust hatte.

 

Ist der Beruf als selbstständige Musikerin manchmal auch ein Vorteil, wenn frau eine Familie gründen will?

Im Grunde vielleicht schon, weil man viel Gestaltungsfreiheit hat. Setzt voraus, dass die Schwangerschaften und Geburten auch reibungslos ablaufen. Bei mir war nichts planbar, ich habe die Kinder genommen, die ich wortwörtlich „kriegen“ konnte. Ich hatte viele Schwangerschaften, die frühzeitig zu Ende gingen. Das war sowohl eine psychische als auch eine körperliche Belastung. Das ist aber eher die Ausnahme, von daher denke ich, dass man generell als Selbstständige durchaus Vorteile in der Planung hat.

 

Stichwort Kinderbetreuung: viele Kitas haben zu, wenn Musikerinnen* arbeiten, nämlich abends und am Wochenende. Wie hast Du das geregelt?

Aktuell bin ich noch in Elternzeit, was bedeutet, dass ich nur arbeiten kann, wenn die Kinder schlafen. Wenn ich Violine übe, Songs oder Arrangements schreibe usw., dann mache ich das abends/nachts im Musikzimmer – das Babyphone neben mir. Bei Gigs am Wochenende oder Abend war entweder mein Mann mit Kind dabei oder sie blieben zu Hause. Da mein Mann aber selbst viel arbeitet und spät abends heimkommt, sprang die Oma auch mal ein, was eine große Hilfe ist. Und wenn es nicht anders ging und ich niemanden zur Betreuung gefunden habe, habe ich Gigs auch abgesagt. Auch gebe ich nachmittags keinen Violinunterricht mehr, da ich dann mit den Kindern bin. Aufnahmen als Studiomusikerin versuche ich vormittags unterzukriegen, wenn das große Kind im Kindergarten ist. Das Kleine kommt mit einer zweiten Person mit ins Studio. Das muss dann auch gut geplant werden.

 

Wo sind die kritischen Knackpunkte, wo es schwierig wird? Was braucht es, um den Spagat gut hinzukriegen? Was müsste sich verändern?

Kritisch wird es, wenn jemand krank wird. Egal ob‘s die Kinder, mein Mann oder die Oma ist. Da gibt’s dann keinen Plan B. Neuerdings habe ich noch eine weitere Person gefunden, die gelegentlich zum Babysitten kommt. Das entspannt mich zu wissen, dass ggf. noch jemanden fragen kann, der einspringt, wenn‘s eng wird. Das muss ich dann aber finanziell gut abwägen. Die Versorgung für unser großes Kind an einer öffentlichen Betreuungseinrichtung ist zwar gegeben, aber wegen Personalmangels in der Kita nicht so lange und flexibel wie eigentlich angedacht und vereinbart. Zudem fühlt sich unser Kind dort nicht immer wohl aufgrund der Überlastung– was mich dazu veranlasst, ihn ab und zu früher abzuholen oder zuhause zu lassen. Generell sollte der Beruf der Erzieher*innen mehr gewürdigt werden, sodass auch der Anreiz besteht, den Beruf auszuüben. Ich sehe, was die Erzieher*innen leisten müssen. Das steht in keinem Verhältnis zu der Bezahlung.

 


„Es ist schön zu sehen, dass der Trend zu Konzerten am Nachmittag oder familienfreundliche Festivals zunimmt. Das dürfte für die Backstage Moms gerne mehr werden“.


 

Was musstest Du an Deiner Lebens- und Arbeitsweise ändern, um alles unter einen Hut zu bekommen?

Ich musste mich erstmal sehr daran gewöhnen, dass sich mein Leben komplett ändert. Früher habe ich am Tag 10-12 Stunden gearbeitet. Jetzt ist nur noch der Abend zum Arbeiten da. Zum einen musste ich Prioritäten setzen. Alles konnte ich nicht mehr machen und habe z.B. aufgehört zu unterrichten. Auch habe ich Jobs nicht mehr angenommen, die weniger gut vergütet waren. Das hat auch was damit zu tun, dass man sich bewusst wird, dass man nur begrenzt Energie hat. Und die Energie, die man besitzt, sollte man auch nur effizient verwenden. Als Selbstständige muss man sich ohnehin strukturieren und mit Kindern nochmal mehr. Vieles plane ich nun weiter im Voraus, oder plane auch mehr Zeit ein. Ich habe mich mehr oder weniger daran gewöhnt, dass ich vorübergehend nicht mehr so spontan sein kann.

 

Wie sind Deine Pläne für die nahe Zukunft?

Auf lange Sicht möchte ich gerne wieder live spielen und arbeite darauf hin. Allerdings nicht mehr in dem Ausmaß, wie ich es in der Zeit vor meinen Kindern gemacht habe, sondern so, dass es mir und meinen Kindern gut damit geht. Bis dahin lege ich mein Augenmerk auf die offenen Produktionen und Kollaborationen, die ich dieses Jahr noch abschließen und zeitnah veröffentlichen möchte. Zudem habe ich begonnen, mir mit einem Kollegen ein kleines Akustikset meiner Songs zusammenzustellen und zu proben. Das ist ziemlich viel, wie ich finde, nach einem 12-Stunden Tag voller Care-Arbeit. Am 25.7. erfolgt der Release von „Bloom“, eine Kollaboration mit meinem Kollegen fÄst, worauf ich mich sehr freue.

 

Gibt es Tipps & Tricks, die Du weitergeben möchtest?

Ich hatte am Anfang meiner Mutterschaft sehr Bedenken, dass ich nun als Künstlerin nicht mehr „da“ bin (eine Art Identitätskrise) und nicht mehr so wahrgenommen werde, dass ich „draußen“ bin. Und ja, das bin ich auch, und ich habe lange gebraucht um mir einzugestehen, dass dies auch etwas Schönes ist: Schließlich habe ich zwei gesunde absolute Wunschkinder nach vielen Höhen und Tiefen und bin sehr glücklich darüber – und in dem ganzen Diskurs über Vereinbarkeit von Frauen mit Mutterschaft und Berufstätigkeit geht oft unter, dass eine Mutter zu sein (neben der krassen Arbeitslast) auch eine zauberhafte Zeit sein kann.

 


„Elternschaft und Care-Arbeit sind absolut wichtig, ich finde ihr gehört mehr gesellschaftlich Wertschätzung entgegengebracht und auch unsere volle Aufmerksamkeit, da wir im wahrsten Sinne die Zukunft gestalten“.


 

Wir als Familie und insbesondere ich habe mich bewusst dazu entschlossen, dieser Aufgabe mit Zeit und voller Aufmerksamkeit nachgehen zu wollen. Da unser Unternehmen uns gut ernähren konnte und man als freiberufliche Künstlerin finanziell deutlich unsicherer aufgestellt ist (und oft schlecht verdient) ist hauptsächlich der Grund, warum ich mich entschlossen habe, den Großteil der Care-Arbeit zu leisten. Alles andere hätte dazu geführt, dass wir beide weniger Zeit als Familie verbringen können.

Was ich damit sagen möchte: Ich habe mir anfangs selbst viel Stress gemacht, dass ich alles gleichzeitig machen muss: Die Mutter zu sein, die ich sein möchte und gleichzeitig meinen Weg als eigenständige Künstlerin zu gehen. Natürlich war da auch ein Teil (und ist manchmal immer noch) in mir traurig und voller Sehnsucht. Mittlerweile kann ich aber sagen: Es ist ein Luxus, zeitweise „Backstage-Musikerin“ zu sein und nicht selbst im Rampenlicht stehen zu müssen, sondern die Zeit mit meinen Kindern verbringen zu dürfen. Ich bin dankbar, dass es im Hintergrund mit ELLA FALL weiter geht, ich den Luxus habe, ein professionelles Tonstudio zu haben, um meine Lieder aufnehmen zu können. Ich bin nämlich sehr gerne Studiomusikerin und treffe mich dort regelmäßig mit meinen Musikerkollegen. Das gibt mir das nötige Durchhaltevermögen. Es klingt abgedroschen, aber es ist wahr: Diese Zeit, wenn die Kinder so klein sind, kommt nicht wieder, sie ist schnell vorbei. Doch wieder mehr Zeit auf Bühnen verbringen zu dürfen, kommt sicherlich wieder – und man ist nicht „gescheitert“, wenn man ein paar Jahre andere Prioritäten gesetzt hat! Und irgendwann werde ich all die gesammelten Werken aus dieser Zeit live spielen.

 

Vielen Dank, liebe Mariella, für das Gespräch!

 

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Fotos: Hey Frau Anika

Diskriminierung durch Gatekeeper

Dass durch #musicmetoo eine breite Debatte angestoßen wird, ist längst überfällig und kann die Musikbranche letztlich nur gerechter und sicherer machen. Als Verein, Veranstalterinnen*, Musikjournal und Netzwerk setzen wir uns seit über 35 Jahren für Frauen* und Mädchen* in der Musikszene ein. Im Zuge unserer Arbeit haben wir viele Musikerinnen* interviewt und Umfragen in unserem Netzwerk durchgeführt. Dabei haben wir zwar nicht von sexueller Gewalt, aber von vielen Diskriminierungen, Zuschreibungen und auch Grenzüberschreitungen erfahren, die viele im Laufe ihrer Karriere ertragen mussten. Meist kamen diese von „Gatekeepern“: sei es der Musikhochschulprofessor, Produzent, Jurymitglied, Labelbetreiber, A&R Manager, Veranstalter oder Journalist. Im Zweifel waren und sind es (cis) Männer, die darüber urteilen, ob frau* als Musikerin* etwas „taugt“ und Karriere machen kann. Leider hat sich daran im Lauf der Zeit nicht viel geändert: Bei der Keychange Studie 2021 gaben 96% der befragten Akteurinnen in der Musikbranche an, dass sie bereits Diskriminierung erlebt hätten.

Beziehungen mit Machtgefälle

In vielen Beziehungen in der Musikbranche gibt es ein Machtgefälle, das missbräuchliches Verhalten begünstigt. Die Regeln, nach denen „gespielt“ wird, sind oft nicht klar. Manche glauben gar, dass für sie gar keine Regeln gelten, wie es sich jetzt beim Fall Till Lindemann aufdrängt. Klar, das ist Sex, Drugs ’n Rock’n’Roll, da wird so manches Auge zugedrückt, weil es eben Stars mit Allüren sind. Und die Groupies sind selbst dran schuld, weil sie ja angeblich Bescheid wissen müssten!

Was sich letztlich zwischen Star und Fan in Backstage-Bereichen und Tourbussen abspielt, wird aber selten bekannt. Umso mutiger sind die Frauen, die sich jetzt trauen, über ihre traumatischen Erfahrungen zu berichten. Nachdem die Bilder und Texte von Shelby Lynn in den sozialen Medien die Runde machten, wechselten sich Fassungslosigkeit und Mitgefühl ab. Der Verdacht kommt auf, dass in der Musikindustrie sexuell übergriffiges Verhalten von Männern gegenüber anderen Personen gebilligt und geduldet wird und nach wie vor traurige Realität ist. Was hier ans Licht der Öffentlichkeit gelangt, ist systematische sexualisierte Gewalt gegenüber Frauen*, wie sie Till Lindemann in diversen Publikationen schon seit längerem kommuniziert – welches „künstlerische Ich“ hierfür verantwortlich ist, verändert leider nicht die Tatsache der durch Text und Film geschaffenen Realität.

Täter-Opfer-Umkehr statt Empathie

Genauso schockierend ist, wie in der Gesellschaft damit umgegangen wird. Es kommt wie zu erwarten zu massivem Victim Blaming und Beschuldigungen gegen die Betroffenen. Eine Sensibilisierung den Betroffenen gegenüber sollte wirklich allerspätestens seit der #metoo-Bewegung und Debatte vorauszusetzen sein. Fehlanzeige: viele Stimmen im Netz suchen die Schuld lieber bei den Opfern. Es kommt zu tätlichen Angriffen von Rammstein Fans gegenüber Demonstrantinnen* vor den aktuellen Konzerten, die Anwälte von Rammstein verschicken Unterlassungsklagen an die Betroffenen, um nur ein paar Konsequenzen für die Betroffenen zu nennen. Das alles vor dem Hintergrund, dass es Shelby Lynn nicht gelang, am Tag nach dem Geschehen eine Anzeige bei der Polizei in Vilnius zu erstatten und die Behörden ihr auch sonst erst helfen wollten, nachdem sie sich auf Social Media geäußert hat.

#rammstein ist kein Einzelfall

Deshalb ist eine Plattform wie #musicmetoo so wichtig! „Es ist nicht nur ein Genre, nicht nur eine Band und #rammstein ist kein Einzelfall“, schreiben die Initiator*innen der Plattform #musicmetoo in ihrer aktuellen Pressemitteilung. Die von Queer Cheer, Safe the Dance, MusicSWomen* e.V., MusicTHWomen* und Deutschrapmetoo gestartete Anlaufstelle will nicht nur sexualisierte Gewalt und Sexismus in den Blick nehmen; sie geht noch weiter und beleuchtet die Verschränkungen mit weiteren Problemen in der Musikbranche: Rassismus, Trans-Feindlichkeit, Ableismus, Gewalt aufgrund der sexuellen Orientierung, Herkunft oder Religion. Personen würden zudem mehrfach marginalisiert und befänden sich dadurch in noch schlechteren Ausgangspositionen, sich zur Wehr zu setzen. Deshalb meint der Begriff #musicmetoo alle Formen von Diskriminierung und Grenzüberschreitungen.

Zukünftig soll es auf der Plattform Bildungsangebote und umfassende Infos geben. Außerdem zeigen die dort aufgestellten Forderungen auf, wie Politik, Institutionen, Künstler*innen und alle anderen strukturellen Problemen begegnen können. Die Initiator*innen rufen alle verantwortlichen Akteur*innen und Institutionen der Musikbranche auf, sich zu Awareness und betroffenen-zentrierter Arbeit zu verpflichten und sich über öffentliche Statements zu positionieren. Insbesondere sei es wichtig, dass Künstler*innen mit Reichweite Stellung beziehen. 

Auch die Musikerin Friede Merz hat Machtmissbrauch und emotionale Manipulation an einer deutschen Musikhochschule erlebt. Auf ihrem Blog geht sie in einem ausführlichen Statement darauf ein, wie eine heimliche „Beziehung“ zu dem deutlich älteren Professor Greg Cohen während ihrer Studienzeit in Isolation, Depression und den Verlust des künstlerischen Selbstbewusstseins mündete. Wie aus vielen kleinen Vorfällen schließlich ein massiver Schaden in ihrer Seele entstand und sie sich niemandem anvertrauen konnte, keine Anlaufstellen fand, wo sie über die erlittene psychische Gewalt hätte berichten können. Inzwischen gibt es einige Adressen, die euch in solchen Fällen weiterhelfen:

 

Tipps & Anlaufstellen

Music S Women* organisiert zusammen mit der Themis Vertrauensstelle gegensexuelle Belästigung und Gewalt e.V. einen digitalen Infotalk für Akteur*innen der Musikbranche am 13.07.2023. Die Teilnahme erfolgt mit Anmeldung, es sind 30 Plätze vorhanden.

#musicmetoo setzt sich aktiv gegen Übergriffe und Machtmissbrauch in der deutschen Musikbranche ein. Die Plattform bietet Betroffenen die Möglichkeit, ihre Erfahrungen anonym und öffentlich zu teilen und darüber das strukturelle Ausmaß des Problems zu zeigen. 

Themis ist eine Vertrauensstelle, an die sich Menschen seit 2019 wenden können, die sexuelle Belästigung oder Gewalt anlässlich ihrer beruflichen Tätigkeit in einem Betrieb der Kultur- oder Medienbranche erfahren haben. Gemeinsam mit der betroffenen Person klärt sie den Vorfall auf und unterstützt bei der Beantwortung der Frage: Was kann ich und was kann mein*e Arbeitgeber*in zu meinem Schutz tun? Die niedrigschwellige Beratungsstelle berät Betroffene, Zeug*innen, Angehörige und Arbeitgeber*innen der Kultur- und Medienbranche kostenfrei juristisch und psychologisch, d.h. sie liefert eine erste juristische Einordnung und bietet psychologische Entlastungsgespräche an. Zusätzlich wird auch eine juristische Beschwerdeführung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz angeboten, die aufgrund des Gesetzeswortlauts jedoch Freiberufler*innen, Ehrenamtliche und Studierende bisher leider noch nicht einschließt. Themis setzt sich gemeinsam mit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes und anderen Sozialverbänden dafür ein, dass diese Regelungslücke schnellstmöglich geschlossen und der Schutz des AGG ausgeweitet wird. Trotzdem können sich alle Freiberufler*innen, Ehrenamtliche und Studierende gerne an Themis wenden, um eine juristische Ersteinschätzung oder psychologische Unterstützung zu bekommen. Übrigens: Die Vertrauensstelle wird zu 40% von der Staatsministerin für Kultur Claudia Roth gefördert, der Rest wird durch Mitgliedsverbände und Spenden abgedeckt. Das heißt, sie agiert transparent und unabhängig und ist in keiner Weise von Weisungen ihrer Mitgliedsverbände und Spender*innen abhängig. 

Die Ombudsstelle – die „Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung“ des Landes Berlin kam aufgrund des Antidiskriminierungsgesetzes (LADG) 2020 zustande. Das LADG schützt bei Diskriminierung, die von Berliner Behörden und Berliner öffentlichen Einrichtungen, also auch Hochschulen ausgeht. Sie bietet Betroffenen eine Anlaufstelle, die eine kostenlose, unabhängige und vertrauliche rechtliche Einschätzung des Falles nach dem LADG gewährleistet. Die Ombudsstelle handelt nicht nach dem Strafrecht, sondern agiert im Privatrecht, d.h., die Beweispflicht liegt bei den Täter*innen. Vonseiten der Betroffenen braucht es keine strafrechtlich relevanten Beweise, hinreichende Indizien genügen. Besonders im Falle sexualisierter Gewalt, wo es selten Beweise gibt, ist das wichtig.

Deutschrapmetoo ist eine Initiative, die Betroffene von sexualisierter Gewalt innerhalb der Deutschrapbranche miteinander vernetzt. Menschen haben die Möglichkeit, DRMT ihre Erlebnisse zu schildern, diese werden gesammelt und anonymisiert veröffentlicht. Außerdem werden Betroffene bei Bedarf an Psycholog*innen oder Jurist*innen weitergeleitet. DRMT versteht sich als Sprachrohr für die Perspektive von Betroffenen sexualisierter Gewalt. 

Safe the Dance ist eine Agentur für Awareness, Inklusion, Diversity  und Musikindustrie Know-how. Sie hält Schulungen und Ressourcen bereit, hält Vorträge und Workshops und kuratiert und produziert Events.

Queer Cheer – Community für “Jazz” and Improvisierte Musik – ist ein in Berlin gegründetes Kollektiv für queere Musiker*innen. Queer Cheer setzt sich mit intersektionalem Ansatz für die Sichtbarkeit queerer Musiker*innen ein, sowie für Interdisziplinarität und Multiperspektivität  in der Kunst.

Handlungsempfehlungen zum Umgang mit sexualisierter Diskriminierung und Gewalt an Kunst- und Musikhochschulen: die Bundeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen e.V. (bukof) schägt darin 10 Maßnahmen vor, um angehende Künstler*innen aller Sparten bestmöglich zu schützen.

„Sexualisierte Belästigung, Diskriminierung und Gewalt im Hochschulkontext – Herausforderungen, Umgangsweisen und Prävention“ von Sabine Blackmore und Heike Pantelmann: Dieses Werk ist eine orientierende Handreichung für alle, die im universitären und/oder Forschungsbereich arbeiten, Personalverantwortung tragen, die Entwicklung von akademischen Einrichtungen begleiten und nicht zuletzt für all jene, die von sexualisierter Diskriminierung und Gewalt in hochschulischen Kontexten direkt betroffen oder ihr indirekt begegnet sind. Im Beitrag Kunst braucht Nähe. Nähe braucht Regeln. Vom professionellen Umgang mit Grenzen in der musikalischen Ausbildung an Musikhochschulen von Antje Kirschning wird z.B. gezeigt, wie die Hochschulstrukturen und der alltägliche Umgang Grenzüberschreitungen, Diskriminierung und Machtmissbrauch begünstigen. Dies geschieht durch überzogenen Leistungsdruck und Angstmachen als didaktisches Mittel, fehlende Bewertungskriterien, intransparente Auswahlverfahren, unreflektiertes Übernehmen von sexistischen Schönheitsidealen, ein fehlendes normatives Gerüst mit gemeinsam vereinbarten Grundwerten, fehlende pädagogische Vor- und Weiterbildung von Lehrenden sowie Versperrung von Zugängen und Netzwerken. Präventive Maßnahmen müssen verhindern, dass hierarchische Situationen ausgenützt und Abhängigkeiten missbraucht werden. Aufgrund ihrer Erfahrungen als Frauenbeauftragte, die zu Grenzüberschreitungen und sexualisierter Belästigung ausdrücklich auch Männer und nicht-binäre Menschen berät, empfiehlt die Autorin verpflichtende Weiterbildungen für Lehrende zum Ausbalancieren von Nähe und Distanz und mehrsprachige, unbenotete Seminare für Studierende zum Umgang mit körperlichen und seelischen Grenzen. Abschließend werden drei Vorschläge zur Prävention von Machtmissbrauch, sexualisierter Belästigung und Gewalt gemacht, die über die Hochschulen hinaus in die Kulturbranche hineinwirken würden: Verhaltenskodizes, eine bundesweite Aufklärungskampagne sowie der Einsatz von Intimitätskoordinator*innen.

Online-Broschüre „#HackSexism – Strategien und Maßnahmen gegen Sexismus und sexualisierte Gewalt auf Festivals & Co“: In der Broschüre werden die Ergebnisse eines im April 2021 stattgefundenen „Social Hackathon“ und eines öffentlichen Calls gebündelt, um den Diskurs zu Sexismus und sexualisierter Gewalt auf Festivals weiter voranzutreiben. Die Broschüre verfolgt zwei Ziele: „All denen Raum und Sichtbarkeit geben, die am Social Hackathon mitgehackt und drei Tage lang intensiv die Köpfe zusammengesteckt haben, um zu diskutieren, an Problemen zu arbeiten, sich zu vernetzen, auszutauschen, zu informieren und weiterzubilden. (…) Außerdem wollen wir dieses Wissen für Festivalbetreibende zugänglich und nutzbar machen. In dieser Broschüre findet sich ein großer Wissens- und Erfahrungsschatz, der unterschiedliche Themen und Perspektiven zu den Themen Sexismus und sexualisierte Gewalt umfasst. Natürlich sind diese Ergebnisse auf eine Weise unvollständig – Awarenessarbeit, und damit die Bemühung Orte für alle sicherer zu machen, ist ein immerwährender Prozess – aber sie sind eine Sammlung von Eindrücken, Denkansätzen, Ideen für Maßnahmen und damit wertvolles nutzbares Wissen für die praktische Festivalarbeit. Wir wünschen uns, dass dieses Wissen aktiv genutzt und in die Praxis umgesetzt wird. Damit Festivals für alle sicherer werden“.

(Fotos: picjumbo.com, Anete Lusina)

Autorinnen: Verena Höfle & Mane Stelzer

Am 25.11.2021 begeht die Welt den Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen*. Die Organisation „Terre des Femmes“, die sich seit 40 Jahren für ein freies Leben ohne Gewalt und Gleichberechtigung für alle Mädchen* und Frauen* einsetzt, hat im September einen kurzen und wirkungsstarken Film veröffentlicht, der eine klare Botschaft verbreitet: Es ist absurd, dass ein winziges zweites X-Chromosom dein Leben bestimmt – #bornequal! Noch immer spüren Milliarden Frauen weltweit jeden Tag, dass sie mit zwei X-Chromosomen auf die Welt gekommen sind: Vergewaltigungen, Genitalverstümmelungen, Zwangsverheiratungen, Schläge und Hassworte gehören zu ihrer Lebensrealität.

  

Mit einem Livestream am 12.11. ab 19 Uhr will Terre des Femmes sein Jubiläum feiern. Hier könnt ihr die Arbeit der NGO für ein freies Leben ohne Gewalt für alle Mädchen und Frauen unterstützen.

Pünktlich zum Aktionstag machen viele Städte auch wieder bei der weltweiten Aktion „Orange Your City“ mit, bei der öffentliche Gebäude und andere Wahrzeichen orange beleuchtet werden. Neben öffentlichen Einrichtungen mit städtischen Gebäuden sind auch Unternehmen, Geschäfte, Kirchen, Sozialverbände und Privatleute eingeladen, sich an der Illumination zu beteiligen. Auch Frankfurt ist mit dabei und lässt u.a. die Paulskirche, Alte Oper, Historisches Museum und Gewerkschaftshaus in Orange erstrahlen. Gerne können sich noch weitere Gebäude beteiligen, Meldungen bitte an das Frauenreferat per Mail. Mit einem Banner mit der Aufschrift „Respekt. Stoppt Sexismus“ in 11 Sprachen wird die Stadt am Eisernen Steg vom 22.11. bis Januar ein weiteres Zeichen setzen. Am Aktionstag selbst organisiert das Bündnis Frankfurt für Frauenrechte gemeinsam mit Politik, NGOs, Gewerkschaften und dem Frauenreferat ab 17 Uhr eine Demonstration gegen Gewalt an Frauen* und Mädchen* und ruft zur Teilnahme auf (Treffpunkt: Willy-Brandt-Platz). Der Arbeitskreis gegen Häusliche Gewalt Frankfurt West veranstaltet am 25.11.2021 von 17-19 Uhr die Kunstaktion „Tatorte“ am Höchster Bahnhof und ab 19.11.2021 jeweils freitags von 11:00 – 13:00 Uhr via Zoom die digitale Fachreihe „Häusliche Gewalt und Kinderschutz“. Weitere Veranstaltungen in Frankfurt findet ihr hier.

Städte und Vereine können sich auch wieder an der bundesweiten Fahnenaktion „25. November – NEIN zu Gewalt an Frauen. Frei leben – ohne Gewalt“ von Terre des Femmes beteiligen (bestellen könnt ihr sie im Online-Shop) oder sich hier inspirieren lassen.

Solidarische Gesten sind wichtig, noch wichtiger aber ist die konkrete politische Arbeit. Die Union der Deutschen Zonta Clubs hat eine Petition gestartet, mit der sie eine staatliche Koordinierungsstelle fordern, um jeglicher Gewalt gegen Frauen in Deutschland wirksam entgegenzutreten. Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine ressort-übergreifende Gesamtstrategie zu entwickeln, um Gewalt gegen Frauen zu verhüten und zu bekämpfen und damit Artikel 7 und 10 des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt umzusetzen sowie den Empfehlungen des Bündnisses Istanbul Konvention zu folgen. Diese schließt eine umfassende Aus- und Weiterbildung von Mitarbeiter*innen aller Berufsgruppen, die mit Betroffenen und Tätern in Kontakt kommen, sowie die entsprechende Entwicklung von Curricula für Kindergärten und Schulen ein. Die Petition könnt ihr noch bis 06.12.2021 hier mitzeichnen.

Am 06.11.2021 lädt Zonta ab 16:30 Uhr zu einer Online-Auftaktveranstaltung ein. U.a. wird Maria Freifrau von Welser („Mona Lisa“) mit renommierten Expertinnen aus Gewaltschutzarbeit und Wissenschaft über Möglichkeiten diskutieren, noch bestehende Hürden zu überwinden. Jede*r ist herzlich eingeladen zu 90 Minuten, mit denen die Organisatorinnen dafür sensibilisieren wollen, was jede*r von uns tun kann, um Gewalt an Frauen* zu beseitigen.

(Titelbild: Roland Beyer)

Vor allem die Stimme wird hierbei als klangliche Performanz von Körperlichkeit und Subjektivität zum Ausgangspunkt näherer Betrachtungen. In der Analyse einiger bekannter Popsongs arbeitet sie* auf dieser theoretischen Basis Unterschiede in der Darstellung von Geschlecht heraus, die nahelegen, dass die Beziehung zur eigenen Stimme und zum eigenen Körper nach geschlechtsspezifischen Normen geformt wird. Es geht ihr* dabei um den Anteil von Musik an der machtvollen kulturellen Reproduktion von Geschlechter- und Sexualitätsbildern in populären Medien und wie Sexismus z.B. in der Stimmgebung oder Nachbearbeitung entsteht. Wie Sängerinnen oft auch im Klang zu Anderen gemacht werden, wir uns aber mit scheinbar emotional bedürftigen Sängern identifizieren, erklärt sie* in unserem ausführlichen Interview.

Sexismus im Klang populärer Musik zu untersuchen – wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Eigentlich, glaube ich, es liegt sehr nahe sich zu fragen, wie sich Sexismus im Klang von Popmusik ausdrückt. In Videos und Texten wird er schließlich auch kritisiert. Und dass die meisten Sänger*innen ihr Geschlecht nicht einfach nur durch den Tonumfang transportieren, sondern unterschiedliche Gesangstechniken einsetzen und dass ihre Stimmen hörbar verschieden bearbeitet werden, ist eigentlich offensichtlich. Aber was sagt uns das über gesellschaftliche Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit? Eine Antwort auf diese Frage erscheint mir nicht nur spannend, sondern eigentlich notwendig, denn wenn auf dieser Ebene Geschlechterbilder geformt werden, dann ist hier auch eine Reflexion und Kritik nötig.

Ich weiß daher nicht mehr, wann ich angefangen habe mir diese Frage zu stellen. Sie hat mich wahrscheinlich mein ganzes Studium über begleitet. Zuerst habe ich lange nach Texten oder Autor*innen gesucht, die mir diese Fragen beantworten. Auf der Suche ergaben sich dann zuerst weitere Fragen (z.B. Wieso fehlt hier so offensichtlich eine entsprechende Analyse? Was sind die Schwierigkeiten?) und dann entwickelten sich mehr und mehr Ansätze einer möglichen Antwort.

Haben Sie sich bei Ihrer Analyse ausschließlich auf den Klang beschränkt und z.B. die Inszenierung, Kleidung, Image usw. außen vor gelassen oder beziehen sie diese mit ein?

Ich beschränke mich tatsächlich auf den Klang und mache keine Analyse von Videos, Interviews, Songtexten, Images oder Performances. Dabei denke ich nicht, dass diese anderen Ebenen für die Musikrezeption irrelevant sind, und je nach Fragestellung gehören sie zu einer möglichst vollständigen Untersuchung eines Songs oder einer*s Sänger*in dazu. Allerdings wollte ich den Fokus ganz bewusst auf die klangliche Ebene legen, um mich nicht in der Fülle des Materials zu verlieren und um herauszuarbeiten, was klanglich bereits ohne visuelle oder sprachliche Unterstützung passiert. Und da es mir hier um die Entwicklung einer feministischen Musik- und Klangkritik geht, erschien es mir sinnvoll den Fokus so zu setzen.

Zum Sender/zur Senderin gehören Empfänger*innen: In der populären Musik gibt es ja auch Stimmen, die eine*n stark berühren können und die eine große Tiefe haben. Beziehen Sie diese Hörerfahrung in Ihre Überlegungen mit ein?

Ja, genau darum geht es mir. Dass Stimmen uns berühren, ist eine bekannte Sache. Ich möchte aber herausfinden, wie sie das tun.

Es gibt große Unterschiede zum Beispiel dazwischen, ob ich von den verschiedenen akustischen Auffälligkeiten einer Stimme fasziniert bin oder mich mit ihrem emotionalen Ausdruck identifiziere, ob ich mich einfach im Klang geborgen und aufgehoben oder mich direkt angesprochen und zu irgendetwas aufgefordert fühle. Und selbst diese Beschreibungen sind noch recht ungenau. Außerdem erzeugen Stimmen Vorstellungen und Bilder vom Innern der Sänger*innen, zum Beispiel von Emotionen, Vitalität und Intentionen.

Mit Tiefe oder Berührung durch eine Stimme werden oft je nach Kontext verschiedene Erfahrungen benannt, weil schnell die Worte fehlen, um selbige näher zu beschreiben. Diese Schwierigkeit im Benennen halte ich für einen der Hauptgründe für das bisherige Fehlen einer feministischen Klangkritik. Solche teilweise sehr intensiven Erfahrungen sind aber sehr spezifisch und können als solche analysiert werden. Ich komme dabei zu dem Schluss, dass die möglichen emotionalen Erfahrungen mit Stimmen in der Popmusik in der Breite geschlechtsspezifisch verteilt sind, dass wir also im Klang populärer Musik eingeladen werden, bestimmte Erfahrungen eher mit männlichen und andere eher mit weiblichen Stimmen zu machen. Das, was uns an einer Stimme berührt, ist damit traurigerweise oft mit der Reproduktion und Naturalisierung sexistischer Geschlechterbilder eng verbunden.

Ihr Fokus liegt ja auf der Stimme. Nehmen wir mal an, es gäbe keine optische Inszenierung, also nur die Möglichkeit, die Lieder zu hören, aber nicht die Texte zu verstehen – ist dann Sexismus für Sie noch herauszulesen? Oder anders gefragt: war für Sie entscheidender, was die Stimme singt oder wie sie etwas singt?

Es geht, denke ich, weniger darum zu fragen, ob das „was“ oder das „wie“ entscheidender ist, sondern darum einen Ansatz zu finden, um das „wie“ zu thematisieren. Die Kritik von sexistischen Texten ist natürlich trotzdem wichtig. Aber es ist auch nötig zu verstehen, wie Sexismus klanglich, z.B. in der Stimmgebung oder Bearbeitung entsteht.

Bei manchen Stimmgebungen entsteht beispielsweise recht verbreitet der Eindruck, dass sie „sexualisiert“ klingen, z. B. in Britney Spears‘ Song „Baby One More Time“; dabei geht es im Text eigentlich eher um Leibeskummer.

Ein beliebter Erklärungsansatz verweist auf den stöhnartigen Klang von Britney Spears‘ Knarrstimme und setzt diesen dann sofort mit Sexualität gleich. Solche Erklärungsmuster laufen aber Gefahr, einen biologischen Automatismus nahezulegen, in der weibliche Knarrstimmen unweigerlich den Gedanken an Sex auslösen oder Sexualität ausdrücken. Das ist natürlich sehr problematisch, da es dazu tendiert, patriarchale Vorstellungen von Heterosexualität (= Männer sind aktiv und begehren Frauen) zu naturalisieren.

Dennoch findet hier ganz klar Sexualisierung statt: Diese geschieht jedoch viel eher dadurch, dass uns die Knarrstimme als interessante akustische Eigenschaft präsentiert wird und sie im Klang, z.B. in der Intro mit ihrem wiederholten und bearbeiteten „Oh baby baby“ regelrecht fragmentarisch ausgestellt und gleichzeitig auf Distanz (wie hinter einem Schleier) gehalten wird. Die Knarrstimme wird insgesamt übertrieben und erscheint nicht mehr als Ausdruck eines emotionalen Gehalts (Knarrstimmen sind eigentlich eher Zeichen für Langeweile, Müdigkeit oder Entspannung und bei männlichen Stimmen wird dadurch oft eine lässige coole Haltung ausgedrückt), sondern als eine Art akustischer Aufmerksamkeitsköder.

Damit setzen wir uns automatisch in Distanz zu Britney Spears und „betrachten“ hörend ihren spezifischen Stimmklang, wodurch sie, bzw. ihre Stimme tendenziell objektiviert wird. Dazu kommt, dass sie im Klang wiederholt mit Schmolllippen singt (hörbar z.B. bei „supposed to know“) und damit ein offenkundig vorgespieltes Bild von Kindlichkeit und Unschuld präsentiert. Auch das läuft einer möglichen Identifikation zuwider, sondern wirkt wie eine aufgesetzte Maske, die eher Begehren nach Enthüllung weckt.

Eine herkömmliche Musikanalyse (Harmonie, Melodie, Form) erschien Ihnen eher ungeeignet, Sie haben daher neue Werkzeuge zur Untersuchung populärer Musik entwickelt. Wie dürfen wir uns das vorstellen?

Ich denke, hier ist es zuerst wichtig zu klären, was Musik ist. In der allgemeinen Vorstellung ist Musik dabei gerne eine Art Gegenstand, etwas Objektives, das in der Welt existiert und über das bestimmte Aussagen getroffen werden können.

Was tatsächlich physikalisch existiert ist jedoch nur Schall. Dieser wird erst in dem Moment zu Musik, wenn jemand ihn als solche hört. Dies lässt sich vielleicht damit vergleichen, dass eine Zeichnung nur aus Linien besteht, in denen wir aber ein Haus erkennen. Das Erkennen ist dabei etwas, das in der Interaktion von Subjekt und Gegenstand passiert. Genauso entsteht Musik nur im Moment des Hörens. Sie passiert gewissermaßen zwischen Subjekt und Schall und basiert darauf, dass wir beim Hören den Schall in einer bestimmten Weise interpretieren, durch die überhaupt erst die ganzen faszinierenden Wirkungen entstehen können, die Musik ausmachen.

Diese Erkenntnis ist eigentlich nicht neu, denn beispielweise viele Phänomene der traditionellen Musiktheorie basieren hierauf. Hier gibt es z.B. die Vorstellung, dass ein „Leitton zum Grundton strebt“ (in C-Dur ein h nach oben zum c), was natürlich nicht der Klang selbst tut, sondern eigentlich eine Beschreibung einer verinnerlichten musikalischen Erwartungshaltung ist, die auch nicht von allen Menschen auf diesem Globus geteilt wird. Das Phänomen Leitton entsteht somit zwischen Hörer*in und Klang und ist streng genommen nicht objektiv gegeben.

Solche Dynamiken, in denen durch den Klang unwillkürlich Wirkungen in den Hörer*innen ausgelöst werden (z.B. bestimmte Erwartungshaltungen, Anspannung, Interesse, emotionales Mitfühlen), existieren m.E. auch auf anderen Ebenen, die bisher nicht näher untersucht wurden. Das Beispiel mit Britney Spears macht deutlich, dass bestimmte stimmliche (Knarrstimme, vorgestülpte Lippen) und technische Mittel (technisch bearbeitete Ausstellung in der Intro) eingesetzt werden, die im Hören dazu motivieren sich objektivierende und begehrende Vorstellungen von der Sängerin zu machen. Ähnlich, wie beim Leitton wird damit jedoch recht direkt ein (erlerntes) Begehren im Hörprozess ausgelöst, was aber genau der emotionale Kommunikationsprozess ist, den der Song m. E. erzeugen möchte.

Nun ist die Frage, wie wir an solche Momente musikanalytisch herankommen. Meine Antwort ist eigentlich ganz einfach: Möglichst genau Hinhören und dabei die beiden Ebenen – Schall und subjektiver Prozess – gleichzeitig im Auge behalten. Für Sexismus sind dabei nach meiner bisherigen Arbeit vor allem drei Aspekte wichtig: 1. die Vorstellungen, die der Klang vom hörbaren Körper, d.h. in der Regel den der*s Sänger*in, vermittelt, 2. die Positionen, die beim Hören zu diesem hörbaren Körper eingenommen werden (können), und 3. die emotionalen Prozesse (z.B. Begehren, Geborgenheit oder Identifikation), die durch die Musik ermöglicht werden.

All das versuche ich möglichst genau zu beschreiben, damit jede*r es nachhören kann.

Können Sie uns ein Beispiel geben?

Gerne. Nehmen wir den Song „Shape of you“ von Ed Sheeran (aber das Folgende funktioniert mit fast jedem Mainstreamhit eines weißen Cis-Sängers). Die Stimme drückt über weite Teile die emotionale Position des Sängers aus: Begehren und Genuss des eigenen begehrenden Zustandes. Dabei wird der Sänger in seiner körperlichen Anspannung hörbar, z.B. in den auffällig vehement agitierten und schon fast aggressiv gerufen klingenden Worten „trust“ und „stop“ in der ersten Strophe, die vielleicht seine Aufregung und Begeisterung ausdrücken. Stark körperlich affizierend wirkt zudem das Summen „mmm“, das entspannt und bestätigend wirkt. Es klingt (v.a. unter Kopfhörern) sehr wie ein Summen im eigenen Kopf/Körper, so dass wir uns leicht in Sheerans Position hineinversetzen können. Zudem wird die Stimme im Chorus zwar von anderen Stimmen überlagert, aber diese Dopplungen sind extrem gleichzeitig, und wirken so wie eine Verstärkung, Bestätigung und Unterstützung des Sängers oder genauer: Der Sänger wirkt wie die Personifikation eines Kollektiv.

All das lädt beim Hören dazu ein, sich unwillkürlich mit dem Sänger zu identifizieren und sich emotional auf ihn einzustellen. Wir befinden uns damit beim Hören schnell in einer Art emotionalem Alignment mit dem Sänger und werden Teil seines Kollektivausdrucks: Wir singen mit, bewegen uns im Takt und freuen uns gewissermaßen mit ihm. Darüber überhören wir schnell den offenkundigen Sexismus von Sätzen, wie „I’m in love with your body“.

Und selbst wenn der sprachliche Sexismus nicht vorhanden wäre, erzeugt diese Art und Weise der Artikulation den Sänger als emotional relevantes Subjekt – was vor allem deshalb problematisch ist, weil diese Position insbesondere von Sängerinnen im Pop-Mainstream nur sehr selten eingenommen wird. Zudem werden hier die ausgedrückten Gefühle, die (wie sehr oft in Popmusik von weißen Sängern) vor allem im Ausdruck von sexuellen Wünschen und Begehren bestehen, durch die emotionale Vehemenz fast wie Bedürfnisse präsentiert und als solche naturalisiert.

Außerdem wird klanglich auch durch den Kollektivklang vermittelt, dass das eigentlich grenzverletzende Verhalten, das im Song performt wird, legitim ist und durch die Identifikation sogar eine Art emotionale Beteiligung erzeugt, die Mitgefühl und Verständnis für das arme bedürftige singende Subjekt produziert.

Das Popbusiness war ja zugleich auch immer ein Ort, an dem alternative Selbstentwürfe entwickelt werden konnten, z.B. gibt es erfolgreiche, androgyne Erscheinungen und Inszenierungen im Popbusiness, von Annie Lennox, Sinead O’Connor, Grace Jones, Prince, Boy George, David Bowie, HIM bis Conchita Wurst, die 2014 mit ihrer Ballade „Rise Like A Phoenix“ den Eurovision Song Contest gewann. Lässt sich das auch auf klanglicher Ebene beobachten?

Das ist bisher nicht der Schwerpunkt meiner Arbeit, aber natürlich passieren da auch spannende Dinge im Klang. Dabei lässt sich das Subversive m.E. am besten im Bezug zur Norm verstehen. Beispielsweise müssen wir eine Idee davon haben, wie normative Bilder von Geschlecht klanglich produziert werden, um zu erklären, was Conchita Wursts vokales Cross-Dressing so überzeugend macht, oder wieso Boy George irgendwie queer klingt. Ansonsten wird Androgynität schnell auf einen bestimmten nicht eindeutigen Tonraum reduziert und Geschlecht damit wieder nur biologisch verstanden.

Wir wollen den Leser*innen natürlich nicht alles verraten, aber vielleicht können Sie schon einige Ihrer Haupt-Erkenntnisse preisgeben?

Ich komme im Großen und Ganzen zu zwei Thesen:

Zum einen denke ich, dass in Popmusik insgesamt tendenziell etwas passiert, dass dem männlichen Blick im Film vergleichbar ist. Das heißt, dass wir oft dazu motiviert werden, die subjektive Position von Männern zu teilen und uns zu identifizieren. Frauen werden hingegen auch im Klang oft zu Anderen gemacht. Hörend identifizieren wir uns mit ihnen weniger, sondern werden durch die klanglichen Anordnungen im imaginären Raum und durch Gesangstechniken eher in einer getrennten Position angesprochen. Dadurch können Frauen klanglich leicht objektiviert, sexualisiert, ausgestellt und fragmentiert werden oder zur emotionalen Unterstützung und klangliche Umarmung dienen. Diese Position führt aber auch zur Entwicklung von klanglichen Mitteln, die auch kreativ eingesetzt werden können, um die bestehenden Verhältnisse zu kritisieren.

Bei meiner Analyse kam jedoch ein zweiter Aspekt, der damit zusammenhängt, aber eigentlich darüber hinaus geht mehr und mehr zum Vorschein: Hierbei geht es um die Frage, was für eine Beziehung zum eigenen Körper durch die Stimmklänge vermittelt wird. In den beiden hier kurz angerissenen Beispielen wird dabei schon klar, dass Birtney Spears ihre Stimme und damit ihren Körper extrem kontrollieren muss: Ihre Stimme wird zum Objekt, nicht zum Ausdruck ihrer Gefühle. Im Gegensatz dazu drückt Sheeran in seiner Stimme seinen emotionalen Zustand scheinbar direkt aus. Sein Körper erscheint wie die natürliche Erweiterung seines Gefühlslebens. Damit wird aber der Körper der Sängerin sogar im Verhältnis zu ihr selbst objektiviert, während der Gefühlsausdruck des Sängers selbigen auch noch zum Träger eines im Diskurs privilegierten ehrlichen oder authentischen Ausdrucks macht.

Beides wird klanglich konstruiert und ist nicht einfach gegeben (denn auch der scheinbar authentische Ausdruck ist erlernt und entsteht durch Selbstdisziplinierung). Dabei ist, denke ich, die These naheliegend, dass diese in der Popmusik sehr verbreitet auftretenden Muster auch Auswirkungen auf den Alltag haben könnten. Es macht mir Sorgen, welche Auswirkungen die verbreitete Vermittlung solcher Bilder z.B. für die wahrgenommene Glaubwürdigkeit, Autorität und spontane Handlungsfähigkeit von Männern und Frauen hat.

Sie haben in ihrem Buch einige „bekannte Popsongs“ untersucht, welche waren das z.B. und aus welcher Zeit stammen sie? Ordnen Sie diese auch zeitgeschichtlich ein?

Ich habe mich nur mit sechs Songs näher befasst. Es ging mir um eine paradigmatische Auswahl, wobei ich mich zudem auf weiße Sänger*innen beschränkt habe. Dabei arbeite ich in den beiden Beispielen von Männern („Smells like teen spirit“ von Nirvana und „Feel“ von Robbie Williams) die Gemeinsamkeiten in diesen sehr unterschiedlichen Songs heraus: Beide Sänger werden bei allen Unterschieden zu emotionalen Subjekten.

In den vier Songs von Sängerinnen („Can’t get You Out of my Head“ von Kylie Minogue, „Feel it“ von Kate Bush, „All is full of love“ von Björk und „People Help the People“ von Birdy) zeige ich einerseits, dass trotz der Unterschiedlichkeit keine der Sängerinnen in derselben Weise zur emotionalen Identifikation einlädt, wie die beiden Sänger und arbeite dann die hier jeweils angewendeten anderen ästhetischen Strategien und ihre emotionalen Wirkungsweisen heraus. Dabei geht es mir auch darum Frauen nicht als passive Opfer zu verstehen, sondern sexistische Strukturen als Rahmenbedingungen der ästhetischen Praxis in der Popmusik zu verstehen, mit denen Sängerinnen* unterschiedliche Umgangsweisen finden (müssen).

Da ich die einzelnen Beispiele sehr genau untersuche, sprengt eine historische Einordnung leider ebenso den Rahmen, wie die angemessene Berücksichtigung weiterer diskriminierender Dynamiken, insbesondere Rassismus. Beides sind für mich offene Baustellen, an denen ich wahrscheinlich in irgendeiner Form in der Zukunft weiterarbeiten werde.

Was meinen Sie: Ist unsere Gesellschaft offener geworden, in der sich eine individuelle Künstler*innen-Persönlichkeit jenseits geschlechterbezogener Erwartungen eher entfalten kann oder unterliegen Musiker*innen heute mehr denn je ökonomischen Erfolgszwängen, die sie in bestimmte Stereotypen zwingen?

Es ist schwer die eigene Gegenwart zu analysieren. Mir geht es bisher um das Herausarbeiten sehr großer Kontinuitäten, in denen mit immer neuen musikalisch-technischen Mitteln eigentlich alte Geschlechterstereotype aktualisiert werden. Dazu gab und gibt es immer Alternativen und ich nehme hier auch aktuell recht viel Bewegung wahr, die mich tatsächlich ein wenig hoffnungsvoll stimmt.

Die entscheidende Frage ist aber m.E., ob die hegemoniale Position des männlichen Blicks und die damit in Beziehung stehenden Dynamiken von männlichem Subjekt und weiblichem Objekt in unserer kulturellen Vorstellungswelt nachhaltig gebrochen werden können. Solange das nicht gelingt, steht jeder kreative Ausdruck vor diesem sexistischen Hintergrund, der jede Vorstellung einer freien künstlerischen Artikulation zu einer Farce macht. Weibliche und queere Künstler*innen haben damit grundsätzlich nicht nur mit den schon bekannten Benachteiligungen in der Musikindustrie zu kämpfen, sondern auch mit ästhetischen, da z.B. die Vorstellungen einer „ausdrucksstarken Stimme“ nicht geschlechtsneutral sind.

Popmusik zeigt mir daher in der Breite eigentlich vor allem, wie weit, wir von irgendeiner Gleichheit oder Gerechtigkeit weg sind und wieviel es noch zu verändern gilt. Sicherlich gibt es Songs und Sänger*innen, die Alternativen dazu entwickeln. Jedoch wird, denke ich, vor allem ein Hinterfragen und Dekonstruieren der zentrierten männlich-weißen Position in der Breite notwendig sein.

Hier gibt es das Inhaltsverzeichnis als pdf.

Marta Press, April 2018
204 Seiten
ISBN: 978-3-944442-55-6 
24,00 € (D), 26,00 € (AT), 28,00 CHF UVP (CH)

Nachtrag: L.J.Müller hat für ihr* Buch den IASPM Book Prize 2019 als beste nicht-englische Erstveröffentlichung zu populärer Musik erhalten.

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