Jenny Gerdts ist Produzentin, Songwriterin und Musikerin mit einem klaren Fokus auf modernen, genreübergreifenden Sound. Ihre Arbeit bewegt sich zwischen Pop, Indie und elektronischer Musik – geprägt von präzisem Handwerk, detailverliebten Arrangements und einer klaren künstlerischen Vision. Themen wie Feminismus und Gleichberechtigung spielen in ihrer Arbeit eine zentrale Rolle. Jenny versteht Musikproduktion als Raum für Empowerment, Diversität und authentischen Ausdruck.
Nach ihrem Studium an der ArtEZ Hochschule der Künste (MediaMusic, B.A.) und der Hochschule für Musik und Tanz Köln (M.A. Production) arbeitet sie als Produzentin und Songwriterin für verschiedene Artists – von Major-Produktionen bis hin zu Independent-Projekten. Darüber hinaus ist sie Dozentin für Musikproduktion an der HfMT Köln. 2022 wurde sie mit dem Female Producer Prize* ausgezeichnet – eine Anerkennung für ihre herausragende Arbeit und ihren Beitrag zur Sichtbarkeit von Produzentinnen in der Musikbranche. Jenny ist bei Sony Music Publishing und Tinseltown Music Production gesigned. Ihre Hauptinstrumente sind E-Gitarre und E-Bass – oft prägend für ihren Sound, der analoge Wärme mit digitaler Präzision verbindet und dabei immer eines im Mittelpunkt hat: Emotion und Energie.
Du bist Mutter eines Kindes und als Musikerin und Producerin tätig. Lässt sich dein Beruf gut mit Kindern vereinbaren?
Geht. Eigentlich eher nicht. Musiker*innen und vor allem Sänger*innen sind meist nicht sehr begeistert über frühe Studio-/Recordingzeiten. Fast alle in meinem Umfeld (außer sie haben selbst Kinder) sind eher ab mittags/nachmittags kreativ. Das Positive ist, dass ich durch meine Selbstständigkeit sehr flexibel bin, wenn es um Kinderbetreuung geht. Allerdings geht das meist auf Kosten meiner Arbeitszeit.
Warst Du mit Deinem Kind bereits on tour? Wie ist es euch da ergangen?
Nein. Ich nehme mein Kind (2 Jahre alt) nicht mit auf Tour und auch nicht mit zu Recording-Sessions. Ich habe letztes Jahr fast 6 Monate nicht gearbeitet. Das war eine wirklich tolle und priviligierte Zeit. Nur: viele Artists haben sich natürlich währenddessen andere Produzent*innen gesucht, und mein Einkommen ist, als ich wieder anfing zu arbeiten, für mehrere Monate stark eingebrochen.
Was ist Dein Eindruck, haben sich Veranstaltende, Deine Kund*innen und Projektpartner*innen, die Musikbranche insgesamt bereits auf Kulturschaffende mit Kindern eingestellt?
Nein. Einige wenige sind bemüht. Allerdings genieße ich einen sehr guten Ruf und es gibt viele Menschen, die unter allen Umständen mit mir arbeiten möchten. Diese nehmen auch frühe Zeiten gern in Kauf und durch den Rahmen von beispielsweise Tagesmutter-Zeiten ist meine Arbeit effektiver geworden. Zudem suche ich mir meine Projekte genauer aus, um die Zeit, die mir noch zur Verfügung steht, sinnvoll und erfüllend zu nutzen.
In der Regel arbeiten Schwangere in den letzten Wochen vor der Geburt nicht mehr und gehen in den Mutterschutz und danach in Elternzeit. Wie war das bei Dir?
Meine Frau hat das Kind geboren. Ich habe 2 Wochen vor der Geburt und ca. 2 Monate nach der Geburt keine Jobs angenommen und vorgearbeitet. Meine damaligen Hochschulkurse waren sowieso online. Das konnte man dann gut kombinieren, da meine Frau ein Jahr Elternzeit nahm. Kleinere Jobs, die ich zuhause machen konnte, habe ich angenommen. Das waren z.B. kleinere Mixing-Jobs. Durch mein Home-Studio war ich so rund um die Uhr zuhause und wir konnten uns sehr gut mit dem Baby abwechseln.
Konntest Du Deine Projekte so planen, dass Du beruhigt eine Auszeit nehmen konntest? Und wie hast Du das finanziell hinbekommen?
Ja. Ich habe 2 Monate Elternzeit genommen. Wie oben bereits erwähnt habe ich ebenfalls direkt nach der Geburt ein paar Monate nicht gearbeitet. Vor den „Auszeit-Monaten“ habe ich allerdings immer sehr viel gearbeitet, sodass ich ein wenig Puffer bzgl. Geld gehabt hab.
Ist der Beruf als selbstständige Musikerin/Producerin manchmal auch ein Vorteil, wenn Frau eine Familie gründen will?
Natürlich bin ich meist flexibler in meinen Arbeitszeiten. Meine Frau ist Suchttherapeutin und hat auch noch eine Leitungsstelle. Da kann man nicht mal eben alles ein paar Stunden nach hinten schieben. Generell finde ich die ganze Musikbranche dennoch recht undankbar in Bezug auf Familiengründung.
Stichwort Kinderbetreuung: viele Kitas haben zu, wenn Kulturschaffende arbeiten, nämlich abends und am Wochenende. Wie hast Du das geregelt?
Meine Frau ist genau zu diesen Zeiten zuhause. Natürlich muss man schauen, dass man auch noch eine Partnerschaft führt und nicht nur Kind- und Hund-Übergabe stattfindet. Aber ich kann meistens schon gut am Vormittag arbeiten und schaue bei Konzerten, die ich zusage, ob diese mich wirklich weiter bringen oder erfüllen.
Wo sind die kritischen Knackpunkte, wo es schwierig wird? Was braucht es, um den Spagat gut hinzukriegen? Was müsste sich verändern?
Da ich meist zuhause im Studio arbeite, ist es manchmal schwierig direkt anzufangen. Vor allem wenn Nächte hart waren oder man erstmal das Spielchaos des Morgens beseitigen möchte. Zudem macht mir immer dieses Zeitlimit zu schaffen. Da ist ständig Druck, dass es direkt gut klingen und funktionieren muss, weil man hat ja nur diese paar Stunden, bis das Kind dann wieder da ist. Am besten war auch noch der Hund in der Zeit groß raus, damit es danach alles entspannter laufen kann. Aber Produktionen müssen fertig werden, sonst kommt kein Geld rein.
Ich arbeite beispielsweise auch viel lieber in den Abend hinein oder nachts. Eine flexiblere Kinderbetreuung wäre für mich total sinnvoll. Wenn ich beispielsweise einen entspannten Morgen mit unserer Tochter verbringen und sie dann gegen späten Mittag zur Betreuung bringen könnte, wäre das für meinen kreativen Flow sehr viel dienlicher. Bevor wir unsere Tochter bekommen haben, habe ich viel mehr Newcomer-Projekte für günstigere Preise produziert. Das kann ich mir jetzt mit dem Zeitkontingent nicht mehr erlauben. Zudem ist es schwierig, nicht mehr ständig erreichbar zu sein. Sich selbst da abzugrenzen hat aber natürlich auch den positiven Aspekt Familie/„Freizeit“ und Arbeit mehr zu trennen.
Was musstest Du an Deiner Lebens- und Arbeitsweise ändern, um alles unter einen Hut zu bekommen?
Die Arbeitszeiten. Früh aufstehen, vormittags bis frühen Nachmittag arbeiten. Danach Handy-freie Familienzeit. Bandinterne Aufgaben wie Social Media Posts kann ich fast nicht mehr übernehmen, da mir dann zu viel Zeit für Produktionen fehlt.
Gibt es Tipps & Tricks, die Du weitergeben möchtest?
Bevor das Kind da ist priorisieren und immer wieder Projekte ausmisten. Nicht zu viel zusagen und vor allem Dinge tun, die einen erfüllen.
Wie sind Deine Pläne für die nahe Zukunft?
Überleben. 🙂 Zudem meinen Workflow noch mehr zu optimieren, sodass ich einfach super schnell arbeiten kann. Ich möchte den Fokus vor allem wieder auf Recording und Produktionen richten, sodass ich Arbeitszeiten habe, die mit Kita und Familienleben kompatibel sind. Ich habe nämlich richtig Bock, eine super gute Produzentin und ein super gutes Elternteil zu sein!
Vielen Dank, liebe Jenny, für dieses Gespräch!
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Titelfoto: Studio Ignatov, Foto 1: Melanie Bollhorst, Foto 2: Jürgen Lindemann, Foto 3: Thomas Berschet, Foto 4: Picture People


Erstmal herzlichen Glückwunsch zum wohlverdienten Preis! Wie großartig, dass Du aus über 150 Bewerbungen ausgewählt wurdest! Wie fühlst Du Dich so als „herausragende Produzentin“? Hast Du damit gerechnet, dass Du einen Preis bekommst?
Wir kennen Dich vor allem als Schlagzeugerin von ELDA. Wie kam es dazu, dass Du irgendwann ein Soloprojekt gestartet hast?
Das kommt sehr darauf an. Bei meinen eigenen elektronischen Produktionen programmiere und spiele ich alles selbst ein, die Drums sind bei den aktuellen Songs rein elektronisch. Machmal spiele ich auch noch eine Gitarre, Klavier oder Percussion dazu ein. Im nächsten Jahr möchte ich wieder mehr akustische Drums dazu einspielen. Ich nehme auch Bands auf, da spiele ich dann natürlich keines der Instrumente ein. Manchmal produziere ich Songs mit anderen Produzent*innen zusammen, dann spielen alle verschiedene Spuren für den Song ein.