Liebe Menschen, liebe alle hier im Raum,

dass ich heute hier stehen darf, euch hier alle begrüßen darf, das erfüllt mich mit einer so elektrisierenden Mischung aus Dankbarkeit, Freude, und Respekt, dass ich kaum Worte finde! Mit euch blicke ich heute zurück auf 40 Jahre Leidenschaft für Musik – nur mit EUCH konnte ich das schaffen. Ich bereue NIX!

Ganz besonderer Dank gilt  einer Frau, deren Weg ich mit großer Bewunderung verfolgt habe, als die Ex-Vorständin der Commerzbank und heutige Beraterin. Ihr Vertrauen und ihre Freundschaft sind ein großes Geschenk. Ihre wundervolle Laudatio ein bewegender Höhepunkt für mich: Danke, Sabine Schmittroth.

Mein Glückwunsch auch an Barbara Luci Carvalho, die aus Bahia, genauer aus Salvador, kommt – aus der Region, in der ich auf mehreren Studienreisen meine Liebe zu Samba-Reggae und afro-brasilianischen Samba-Rhythmen entdeckt habe; eine Erfahrung, die mich bis heute trägt und beflügelt.

Ich habe gefühlt mehr als zehn Jahre auf diesen Moment gewartet. Vor zwei Jahren wollte ich schon den Kopf in den „Beat“ stecken und aufgeben. Eine willensstarke Frau, Politikerin und queere Netzwerkerin ließ nicht locker, mich anzuschieben: Ein besonderer Herzensdank geht an die Stadtverordnete Natascha Kauder, an alle frauenpolitischen Sprecherinnen und alle Unterstützerinnen, die an mich geglaubt haben.

Mein Dank gilt auch der wunderbaren Arbeit des in Deutschland einzigartigen Frauenreferates, allen voran der Leiterin Gaby Wenner und ihrem Powerteam. Viele Projekte wie die großen gemeinsamen Jubiläumskonzerte und die institutionelle Förderung des Frauen Musik Büros bis hin zur aktuellen Benefizkonzertreihe „fem*spot“, das … und vieles mehr hätte niemals stattgefunden. Die langjährige inhaltliche und kompetente Unterstützung gaben mir immer Rückenwind und beflügelte meine Arbeit.

Und natürlich das Frauendezernat und Team – und hier besonders an eine charismatische Rednerin und engagierte Frauendezernentin. Ihre erste Amtshandlung im letzten Jahr: das Hissen der progressiven Gay-Flag vom Römerbalkon und ihre feurige Rede vor der queeren Community. Dieser Moment steht für vieles, wofür ich heute hier stehe: Sichtbarkeit, Mut und Freude am öffentlichen Raum. Danke, liebe Tina Zapf-Rodriguez.

Meine Wurzeln? Ich bedanke mich bei meinen Eltern, auch wenn sie heute nicht mehr da sind – und alles, was sie mir in die Wiege gelegt haben: von Kreativität über den Geschäftssinn bis hin zu den „Grooves“ aus der Schmiede. Danke an meine Schwestern Dorothea und Nadi, die mich unermüdlich unterstützt und ermutigt haben. Sie ermöglichten mir die Begegnung mit den Lehren des Buddha, dem Dharma – ein wichtiger Grundstein für meine innere Kraft und Stabilität. Und ein tiefer Dank geht an meine Lebenspartnerin Marion Cieplik, die es mit einer so quirligen und umtriebigen Person im Rampenlicht nicht immer leicht hatte. Danke für deine Ruhe, deine Kraft und deine Liebe.

Jetzt stehe ich hier als Durchlauf-Erhitzerin, als Netzwerkerin für so viele mutige Musikerinnen, die an der Sichtbarkeit von Frauen im männerdominierten Pop-Musikbusiness mitgebaut haben. Vier von ihnen konntet ihr gerade erleben: Sie haben mich getragen und ertragen, inspiriert und gefördert, sie sind meine zweite Familie geworden: unser Freund, Gitarrist und Percussionist Uli Kratz, der uns alle zusammengebracht und mich heute vertreten hat; die groovige Funk-Bassistin und Latin-Queen Uli Pfeifer, die als Erste an meiner Seite stand; die kraftvolle Soulstimme mit den berührenden Texten und mit den mitreißenden Hooklines Elke Voltz; die Salsa-Keyboarderin Christiane Sattler, die schon zu Beginn in meiner privaten Musikerinnen-Kartei auftaucht. Zusammen sind sie meine einzigartige KICK LA LUNA Familie – über 33 Jahre gemeinsam on stage: „Was wäre ich ohne euch?“

Wie wird Frau eigentlich queere, feministische Musikerin? Sicher nicht, weil Rollenerwartungen es vorschreiben: Im Gegenteil. Durch die Sprüche einer westfälischen Kleinstadt, in der Mädchen wie ich bestenfalls Klavier oder Flöte spielen durften wohl eher nicht: „Wenn Mädchen pfeifen, weint die Mutter Gottes“ – und ich pfiff! Das alles hat mich eher angespornt zu zeigen, was geht. Was mir verboten war, wurde zum Antrieb. Ob auf dem Trecker, als Busfahrerin oder mit der Jazzgitarre am Lagerfeuer – ich habe ausprobiert, was mir Freude macht, auch gegen alle Widerstände. Bis ich den Rhythmus, die Trommeln, mein Instrument, endlich für mich entdecken konnte.

Auf einer Studienreise durch Marokko geschah dann der Wendepunkt, der meine Leben grundsätzlich auf den Kopf stellen sollte: In einem Beduinenzelt begegnete ich zum ersten Mal den kleinen Trommeln – den Bongos. Eine Nacht durchzutrommeln, gemeinsam mit marokkanischen Männern, die mich mitspielen ließen, war ein kleines Wunder – auch wenn meine Hände danach blau waren. Zurück in Münster nahm ich sofort Trommelunterricht – der Start meiner Bühnenarbeit 1984 und meiner ersten Frauenband Black Magic Women: sechs Frauen trommeln. Wir feierten große Erfolge und eröffneten ein Frauenprojekt nach dem anderen. Unterricht bekamen wir damals fast nur von Männern, aber wir waren selbstbewusst. Wir kombinierten Trommelrhythmen mit mehrstimmigem Gesang und Afro-Tanzeinlagen – das wurde zu unserem Erfolgsgeheimnis. Die boomende Frauenszene der 80er trug uns nach vorne; wir nahmen uns den öffentlichen Raum, wir nahmen uns die Bühne. Und ja: Eigentlich waren wir eine Lesbenband mit zwei Heterofrauen – nur ließ sich das damals nicht offen vermarkten! Dieses Spannungsfeld zwischen queerem Leben und Unsichtbarkeit als Lesbe zieht sich durch große Teile meiner Laufbahn.

Meine politischen Aktivitäten, hatten natürlich viel und immer mit Trommeln, mit Musik, mit SAMBA, und mit FLINTA* auf der Bühne zu tun: BUM BUM TSCHAK. Trommeln für Gleichberechtigung, Frauenrechte, zum „V-DAY“, auf der CSD-Parade und dem Dyke*March, für die Streichung des §218, vor Pro Familia, für den freien Zugang zu Beratungsstellen, gegen Gewalt an Frauen wie am 25.11. auf der Konstabler Wache. Diese Demos und Kundgebungen, waren mir ein wichtiges Anliegen: als queere Feministin  – als Musikerin, Flagge zu zeigen und klare Position zu beziehen.

Als Frau, erst recht als lesbische, professionelle Musikerin, findet man selbst heute noch selten Vorbilder in leitender Position. Umso wichtiger war es, starke Netzwerke zu schaffen. Als ich nach Frankfurt kam, schloss ich mich direkt mit Musikerinnen zusammen, reiste durch die Republik zu Workshops, holte den Verein „Frauen machen Musik“ mit hierher, und erlebte, wie kraftvoll gemeinsames Arbeiten und Lernen unter Frauen sein kann. Alles, was wir geschaffen haben – etwa die „female concerts“, die heute aus Frankfurts Musikszene nicht mehr wegzudenken sind, die vielen Frauen-Musik-Festivals und Workshops – das alles entstand aus dem Willen, die Musikerinnen sichtbar zu machen und gemeinsam nach vorne zu bringen.

Es waren Frankfurterer Musikerinnen wie Annemarie Roelofs, die erste Jazzprofessorin an der HfMDK, die Latin-Funk-Bassistin Lexi Kercher (jetzt Rumpel), die Posaunistn Viola Engelbrecht oder die Jazz-Preisträgerin Corinna Danzer…. Sie alle zeigten mir, was alles möglich ist, wenn Frauen sich gegenseitig fördern und zusammenschließen: TOGETHER WE ARE BETTER! Sie alle spielten u. a. mit in der bekanntesten und größten Frauen Bigband Deutschlands, die ich im Frauen Kultur Haus mitinitiierte:
das 25 -köpfige UNITED WOMENS ORCHESTRA. Annemarie holte auch mit ihrer Arbeitsgruppe die „CANAILLE“, das „Festival für improvisierte Musik für Frauen“ ins damalige Frauen Kultur Haus.

Es waren auch Frankfurter Kulturmanagerinnen, die meine Vorbilder sind. Sie holten mich und meine Bands auf legendäre Festivals und setzten Meilensteine im Kulturbetrieb. Die Schauspielerin und Entertainerin Maja Wolff  und die Eventmanagerin Conny Wynen aus der Brotfabrik. Das Frauen-Musik-Netzwerk, das hier in Frankfurt entstanden ist, ist einmalig. 50 Printausgaben der MELODIVA wurden hier herausgebracht, der Bandindex ist von damals 10 auf heute 800 Einträge angewachsen, Dank auch der unermüdlichen Arbeit einer Frau, die bis heute im Frauen Musik Büro arbeitet: Hildegard Bernasconi. Sie organisierte u.a. 19 Frauen-Musik-Wochen und holte Musikerinnen aus ganz Deutschland und Europa nach Hessen. Dass unsere Plattform MELODIVA Station der Frauen-Musik-Geschichte ist und heute immer noch erste Anlaufstelle für Porträts über Profimusikerinnen, Konzerthinweise und CD-Reports – dies erfüllt mich mit besonderem Stolz.

Auch die engagierte Kollegin, die Sängerin Mane Stelzer, prägt diese Arbeit bis heute. Sie entwickelt neue Bereiche wie die Nachwuchsredaktion Melodita, veranstaltet Sessions und verschreibt sich der Förderung von jungen Nachwuchstalenten und MINTA*. Das technische Now-How für die Internet-Präsenz und die Suchmaschinen liefert uns bis heute die Saxophonistin und Studiotechnikerin Patty Stucky aus Köln. Dies und diese tollen Frauen, auch die aus dem Vereinsvorstand – sie alle prägen diese, unsere gemeinsame Arbeit im einzigartigen Frauen Musik Büro Deutschlands: www.melodiva.de – clickt euch mal rein!

Unser Wirken ist inzwischen Teil einer offiziellen Jazzgeschichte geworden. Dank dem Kurator David Beikirch wird dies in der noch bis 6.1.2026 stattfindenden Ausstellung „JAZZ in Frankfurt“ im MAK sichtbar. Ich war zu Tränen gerührt, der großen Wand mit den übergroßen Melodiva Titelbildern gegenüber zu stehen. 

Für die beständige Sichtbarkeit queerer Frauen war es ein langer und steiniger Weg. Noch in den 90ern wurde ich öffentlich geoutet und musste lernen, mit Anfeindungen und Klischees umzugehen. Doch auch das hat mich stärker gemacht: Heute sind Musikerinnen selbstverständlich auf den CSD-Events präsent. Der Dyke*March, der sich besonders für die Sichtbarkeit von Lesben stark macht, wurde dank der Mitbegründerin Simone Stockmann und dem Orga-Team, dem ich auch angehöre, bereits 7 Mal durchgeführt. Seit 3 Jahren sitze ich trommelnd auf dem Queermobil von GUNSTWERK und spiele zu den Electro-Beats  von DJane Andilicious. Der 8. Dyke*March wird 2026 zum Sommeranfang stattfinden – SAVE THE DATE! 

Wie sieht es aktuell mit der Beteiligung von Instrumentalistinnen im Pop-Musik-Business aus? Wenn wir auf das Deutsche Jazzfestival schauen, diesen über 70-jährigen Spiegel der deutschen Jazzgeschichte, sehen wir: Der Anteil von Musikerinnen liegt oft bei nur 7%, an zentralen Festivalabenden sogar bei null. In großen öffentlich finanzierten Bigbands (HR, SWR) spielen fast ausschließlich Männer! Unsere Rundfunkgebühren finanzieren also im Wesentlichen reine Männerensembles. Und bei Pop-Musik-Festivals? Da liegt der Frauenanteil auf den Bühnen mit 16%, nach wie vor weit unter dem, was einer gleichberechtigten Gesellschaft entsprechen würde.

In der Ausbildung sieht es nicht viel besser aus! An renommierten Pop- und Musikakademien liegt der Anteil von Dozentinnen in manchen Bereichen bei max. 15%; bei E-Gitarre ist er natürlich bei null, während der Gesangsbereich fast ausschließlich von Frauen besetzt ist. Die alten Rollenklischees leben weiter: Vorne die Sängerin als Aushängeschild, die auch so vermarktet wird, dahinter die „unsichtbare“ Band aus schwarz gekleideten Männern. 

Jetzt frage ich mich: Wie würde Tony Sender ihr Resümee ziehen? Vielleicht so?

Solange Musikerinnen, FLINTA* – vor allem Instrumentalistinnen – im öffentlichen Raum kaum vorkommen, bleibt die Forderung klar: 

– öffentliche Fördermittel sollen an eine gleichberechtigte Beteiligung geknüpft werden,
– 50% Musikerinnen FLINTA* gehören auf  alle Bühnen, die mit öffentlichen Geldern finanziert werden,
– Die Landes- und Hochschulpolitik soll viel konsequenter an einer gleichberechtigen Besetzung von Professuren und Leitungspositionen arbeiten,
– Kulturdezernate, Sponsor*innen und Veranstalter*innen sollen sich sichtbar und verbindlich für Musikerinnen einsetzen: für gleiche Bezahlung, für gleiche Behandlung und für die gleiche Präsenz!

Ich habe hier in Frankfurt vor jetzt 36 Jahren angefangen, mit vielen, tollen und engagierten Musikerinnen im Team! Ich habe Grundsteine gelegt und kleine Schritte nach vorne gemacht. Vieles wirkt heute selbstverständlicher, ist es aber noch lange nicht.

Deshalb ein Appell an euch junge FLINTA*: Lasst euch nicht wegdrängen! Bleibt laut, nehmt euch den Raum auf allen Bühnen dieser Welt! Setzt euch auf allen Ebenen für eure Belange + Wünsche ein: künstlerisch… organisatorisch… politisch!

Es gibt noch so viel zu tun – let’s do it together! Und jetzt möchte ich mit euch allen und mit meiner Band KICK LA LUNA  musikalisch aus der REIHE TANZEN…

Infos: Annes Website | Facebook | Insta Website Kick La Luna

Über 156 Bewerbungen gingen beim Female* Producer Prize ein und wurden von einer fünfköpfigen Fachjury begutachtet. Weil die Qualität der Bewerbungen so hoch war, werden in diesem Jahr sieben statt vormals fünf Produzentinnen mit dem Preis ausgezeichnet. Die Finalistinnen erwartet ein Support-Paket, Produktionszuschüsse, Gutscheine für Musikequipment, ein Workshop in den Sony Music Circle Studios sowie eine Eintragung in das Female Producer Register von Sony Music und Neubau Music Management. Bevor sie diesen Preis am 14. September in Berlin entgegennimmt, ist sie beim 3. Nordpark-Festival in Frankfurt live zu erleben.

Erstmal herzlichen Glückwunsch zum wohlverdienten Preis! Wie großartig, dass Du aus über 150 Bewerbungen ausgewählt wurdest! Wie fühlst Du Dich so als „herausragende Produzentin“? Hast Du damit gerechnet, dass Du einen Preis bekommst?

Vielen Dank! Ich fühle mich sehr geehrt, dass ich diesen Preis bekommen habe, und finde es super, dass es so etwas gibt!

Hast Du schon vermehrt Anfragen bekommen, z.B. für Interviews, Jobs oder Kooperationen?

Es gibt ein Interview und Steckbriefe der Gewinner*innen in der Musikwoche von August. Und bei den Jobs und Kollaborationen habe ich auf jeden Fall gemerkt, dass es noch mehr Anfragen gibt und mehr Leute auf mich aufmerksam geworden sind.

Wir hatten in der Vergangenheit ja immer mal Kontakt: Du hast als ganz junge Musikerin bei unserem Mädchen*-Bandprojekt „Bandfieber“ teilgenommen und bist 2017 beim 4. Miezenabend aufgetreten. Wie wichtig waren diese safe space-Projekte für Dich, wenn Du zurückblickst?

Ich war als Jugendliche sehr unsicher mit meiner Musik. Außerhalb von Bandfieber hätte ich mich womöglich erst viel später getraut, in einer Band zu spielen oder mit meinem eigenen Projekt aufzutreten. Für mich war das auf jeden Fall eine wichtige Motivation und ein guter Push.

Wann und wie hast Du mit dem Musikmachen angefangen? Du spielst ja mehrere Instrumente?

Ich komme aus einer musikalischen Familie, da habe ich als kleines Kind schon auf dem Klavier herumgeklimpert und meine Lieblings-Kinderlieder nachgespielt. Mit 10 Jahren habe ich angefangen, Schlagzeug zu lernen, das habe ich dann nach der Schule auch studiert. Aktuell bin ich in den letzten Zügen meines Masterstudiums mit Hauptfach Producing & Composing an der Popakademie und arbeite als selbstständige Schlagzeugerin und Produzentin.

Wir kennen Dich vor allem als Schlagzeugerin von ELDA. Wie kam es dazu, dass Du irgendwann ein Soloprojekt gestartet hast?

Das Solo-Projekt gab es schon, bevor ich bei Elda angefangen habe. Ich habe mich immer in erster Linie als Produzentin und Schlagzeugerin begriffen, und das Solo-Projekt nicht in den Vordergrund gestellt, sondern vorrangig die Projekte von anderen Sänger*innen produziert. Seit dem Lockdown habe ich allerdings auch Lust bekommen, meine eigenen Songs zu veröffentlichen und spiele dieses Jahr auch ein paar Solo-Auftritte.

Wie entstehen Deine Songs?

Das ist sehr unterschiedlich, und meistens kann ich es im Nachhinein gar nicht mehr richtig nachvollziehen. Der Song „Sind wir noch okay“ entstand total unerwartet auf dem Weg zu einer Silvesterparty, da bin ich an einem riesigen LKW-Depot vorbeigelaufen und hatte ein starkes Gefühl von Weltschmerz beim Anblick der vielen still herumstehenden Laster, die täglich unsere Waren transportieren. Die sind natürlich sehr wichtig, aber andererseits war der übermäßige Konsum in unserer Gesellschaft schon immer ein Thema, das mich sehr beschäftigt hat. Da sind mir die Melodie und der Text für den Song in den Kopf geschossen, und ich habe sie als Sprachnotiz in mein Handy eingesungen und dann zu Hause direkt produziert. Meistens „wächst“ der Song dann über ein paar Wochen, in denen ich ihn in großen Abständen anhöre und immer weiter daran herumfeile, bis ich zufrieden bin.

Spielst Du bei Deinen Produktionen alles selbst ein?

Das kommt sehr darauf an. Bei meinen eigenen elektronischen Produktionen programmiere und spiele ich alles selbst ein, die Drums sind bei den aktuellen Songs rein elektronisch. Machmal spiele ich auch noch eine Gitarre, Klavier oder Percussion dazu ein. Im nächsten Jahr möchte ich wieder mehr akustische Drums dazu einspielen. Ich nehme auch Bands auf, da spiele ich dann natürlich keines der Instrumente ein. Manchmal produziere ich Songs mit anderen Produzent*innen zusammen, dann spielen alle verschiedene Spuren für den Song ein.

Ist es aufwendiger, alles selbst zu produzieren und einzuspielen oder macht es alles einfacher?

Sowohl als auch. In der Zusammenarbeit mit anderen Musiker*innen muss man eine gemeinsame Sprache und einen Konsens finden. Das ist ja auch das, was ich sehr daran so mag und immer sehr spannend finde. Es macht aber auch viel Spaß, alleine Musik zu machen und gar keine Kompromisse eingehen zu müssen. Allerdings verliere ich dabei auch manchmal total die Distanz zu meinen Songs, und verheddere mich ein bisschen, weil die Resonanz während des Prozesses fehlt. Die Intros werden dann zum Beispiel manchmal sehr lang. In Zusammenarbeit mit anderern würde ich das nie so machen, aber bei mir selbst fällt mir das meistens erst auf, wenn der Song schon draußen ist.

Die ersten Singles sind schon erschienen: „Mein Gold“, „Spiel“ und zuletzt der Track „Goldgräber“ und „Romanze“. Was willst Du „aufmischen“ mit Deinem Projekt und mit Deinen Lyrics? Erzähl doch mal, um was es in den Songs geht.

Ich glaube ich mische zur Zeit erst mal noch überwiegend mich selbst auf :D.
Ich habe mich lange wie in einer Box gefangen gefühlt und wenig getraut, mich zu zeigen. Jetzt ist das Gefühl von Lähmung umgeschwungen in viel Energie und Lebendigkeit. Es artet auch ein bisschen aus, ich habe ein brennendes Herz und komme schwer zur Ruhe, aber genieße es sehr. „Mein Gold“ zeigt das wahrscheinlich bisher am besten.

 

Der Song „Spiel“ ist ein offensichtliches Liebeslied, da habe ich einer vergangenen Beziehung hinterhergetrauert und versucht das zu verarbeiten.
„Goldgräber“ ist eine Kritik an der Leistungsgesellschaft, auch mit Seitenhieben gegen die Musikindustrie und das Patriarchat. Ich beschreibe das Gefühl, in einem ständigen Hamsterrad-Loop zu sein und wie ein Zombie herumzulaufen, weil die Kräfte von außen einen immer mehr in ihren Bann ziehen.

Mitte August ist die dritte Single-Auskopplung mit dem Titel „Romanze“ erschienen. Das ist ein Sex-positiver Song über Rollenspiele mit Konsens.
Auf lange Sicht möchte ich noch sozialkritischere Musik machen. Idealerweise würde das Leute aufmischen, die meiner Meinung nach festgefahren und auf eine schädliche Art und Weise konservativ sind.

Was bedeutet Musik für Dich?

Ich werde nie müde, mich mit Musik zu beschäftigen, und bin immer wieder erstaunt über Musik, weil ich tagtäglich mit ihr zu tun habe, aber sie gleichzeitig so ein flüchtiges Medium ist. Man kann sie nicht festhalten, und bei jedem Mal, wenn man ein- und dasselbe Stück hört, kann es sich komplett anders anfühlen, das ist zumindest bei mir so. Das macht es auch gleichzeitig so spannend.

Wie hast Du das Producing-Handwerk gelernt?

Ich habe immer vielen befreundeten Produzent*innen über die Schulter geschaut und sie ausgefragt und dann angefangen, mich selbst an den Drums und der Gitarre aufzunehmen. Dann folgten Aufnahmen von meiner Band. Irgendwann habe ich angefangen, akustische mit elektronischer Musik zu mischen und viele Tutorials geschaut. Durch das Masterstudium und das Female-Producer-Collective habe ich noch eine große Menge an Techniken gelernt und Input bekommen.

Du produzierst auch die Musik von anderen Künstler*innen, hast auf dem Album von Poetry-Künstlerin Dshamilja Roshani und der EP von Pop-Sängerin Pieke mitgewirkt. Sind diese auf Dich zugekommen oder wie kam es dazu?

Die sind tatsächlich beide über gemeinsame Freund*innen zustande gekommen. Die Freund*innen haben ein gutes Händchen und haben uns connected, so passiert das im Moment tatsächlich sehr häufig.

Die Preisverleihung findet am 14. September in Berlin statt. Werden wir da auch live was zu hören und sehen bekommen? Und folgt auf die EP eine LP?

Bei der Preisverleihung wird es hauptächlich Workshops geben. Ich arbeite gerade parallel schon an meiner nächsten EP und an meiner live-Performance für Aufmischen. Am 9.9. trete ich auf dem Nordpark-Festival auf, und danach folgen hoffentlich noch weitere Gigs.

Fallen Dir noch weitere Themen ein, über die Du sprechen willst?

Vor allem möchte ich mich bedanken, dass es Melodiva und das Frauen Musik Büro gibt und dass solche Projekte wie Bandfieber ins Leben gerufen wurden!

Das freut uns sehr! Vielen Dank für das Gespräch, liebe Annelie.

(Fotos: Julietta Key)

Aufmischen solo @ Spotify
Prod. von Aufmischen @ Spotify

Infos

Erstmalig, dafür auch gleich achtfach nominiert wurde Lizzo (Foto: Atlantic Records) u.a. für ihr erstes Studioalbum auf einem Majorlabel „Cuz I Love You“. Die US-amerikanische Sängerin, Rapperin und Songschreiberin widmet sich mit ihrem Mix aus Pop, R’n’B und HipHop vor allem Themen wie Diversität und Body Positivity. Sie kann bereits mehrere Gold- und Platinschallplatten vorweisen.

 

Bereits zum sechsten Mal nominiert, aber noch nie gewonnen hat die erst 17jährige Chartbreakerin Billie Eilish (Foto), die bereits bei den MTV Europe Music Awards 2019 abgeräumt hat. Sie wurde in gleich mehreren Kategorien ausgewählt, sodass ihr diesmal ein Sieg sicher sein sollte. Lana Del Ray wurde ebenfalls noch nie ausgezeichnet, und ist 2020 für ihr Album „Norman F***king Rockwell!“ zur Wahl gestellt worden. Auch H.E.R. ist für das Album Of The Year, den Best Rocksong und die Best R’n’B Performance nominiert. Zwar erst 20 Jahre jung, ist sie in einer Musikerfamilie aufgewachsen, hatte mit 14 bereits ihren ersten Plattenvertrag und arbeitet seit ihrer Kindheit kontinuierlich an ihrer Musik.

 

Maggie Rogers (Foto: Burak Cingi Redferns)

Als Best New Artist ist die junge Singer-/Songwriterin Maggie Rogers nominiert worden. Sie schreibt nicht nur ihre Songs selbst, sondern produzierte sie früher sogar im Alleingang; für ihr aktuelles Album „Heard It In A Past Life“ reiste sie regelmäßig von Maryland nach Los Angeles, um dort mit Produzenten wie Greg Kurstin (Foo Fighters, Adele, Kendrick Lamar) zu kollaborieren. Als Newcomer*innen sind auch die britische Musikerin Yola und die großartigen Tank In The Bangas im Gespräch, bei denen Tarriona „Tank“ Ball, früher als  Slampoetin aktiv, am Mikro steht.

 

Rodrigo y Gabriela (Foto: Eleanor Jane)

Bei der Kategorie Best Contemporary Instrumental Album kann das mexikanische Gitarrenduo Rodrigo y Gabriela auf einen Preis hoffen. Die beiden Akustikgitarrist*innen Rodrigo Sánchez und Gabriela Quintero spielten früher gemeinsam und relativ erfolglos in einer Thrash-Metal-Band und zogen dann nach Irland, um in Pubs zu spielen. Dort entwickelten sie ihren Stil, der auch von Charterfolgen gekrönt wurde. 2011 wirkten sie gar an Hans Zimmers Soundtrack von „Pirates of the Caribbean – Fremde Gezeiten“ mit. 

 

iLe (Foto: Cesar Berrios)

iLe aus Puerto Rico hat schon für ihr Debüt einen Grammy gewonnen, jetzt hat sie auch mit ihrem neuen Album „Almadura“ überzeugt und hat Aussichten auf einen Preis in der Kategorie Best Latin Rock, Urban or Alternative Album. “My first album was about recognizing hurts and vulnerabilities and realizing that those aren’t weaknesses, but signs of strength,” sagte sie dem Rolling Stone. “Now with ‘Almadura,’ we release that strength, and courage.” Auch sie stand bereits als 16jährige Frontsängerin der Band ihrer Brüder Calle 13 auf der Bühne und gewann mit ihnen 24 Latin Grammys. Mit ihrem zweiten Album singt sie gegen den Machismo an und wirbt für Gleichberechtigung und ein Ende des Patriarchats.

Auch die all female Mariachi-Band Flor De Toloache (Titelfoto) mit ihrem Album „Undestructible“ sowie Rosália mit „El Mal Querer“ sind in dieser Sparte aufgestellt. In der Kategorie Best Urban Contemporary Album sind fast nur weibliche Künstler aufgestellt: nämlich Lizzo, Georgia Anne Muldrow, NAO und die kanadische Künstlerin Jessie Reyez. Auch in Sachen Rock tut sich was: für den besten Rocksong wurde Brittany Howards „History Repeats“ zur Auswahl gestellt, deren Musik mit Prince‘ verglichen wird. Sie gewann im letzten Jahr als Sängerin und Gitarristin der US-Rockband Alabama Shakes. Sie ist auch für Best Rockperformance neben Karen O & Danger Mouse nominiert.

Larkin Poe (Foto: Wizard)

Die Best American Roots Performance könnte von Sara Bareilles, Rhiannon Giddens, Yola oder I Am With Her kommen, bei Best Americana Album hoffen wir auf Madison Cunningham mit „Who Are You Now“ . Erstmalig nominiert wurde die all female Bluegrass Band Missy Raines für ihre CD „Royal Traveller“.  Als langjähriger Fan von Larkin Poe freue ich mich besonders, dass sie mit „Venom & Faith“ zum ersten Mal die Grammy-Jury auf sich aufmerksam gemacht haben und jetzt auf einen Preis als Best Contemporary Blues Album hoffen können.

Southern Avenue

Die fünfköpfige megageile Soul-Blue-R’n’B-Truppe Southern Avenue um die Schwestern Tierinii (voc) und Tikyra Jackson (dr) ist mit ihrem Zweitling „Keep On“ in der gleichen Kategorie aufgestellt. Bei Best Improvised Jazz Solo ist die chilenische Saxophonistin Melissa Aldana für ihr Solo in „Elsewhere“ nominiert. Die Sparte Best Vocal Jazz Album ist komplett in weiblicher Hand: Sara Gazarek, Jazzmeia Horn, Catherine Russell, Esperanza Spalding und The Tierney Sutton Band. Esperanza Spalding wurde für “12 Little Spells (Thoracic Spine)” auch in der Kategorie Best Arrangement nominiert.

 

Anat Cohen Tentet

Die besten Alben für Large Jazz Ensemble hat nach Meinung der Jury u.a. das Anat Cohen Tentet mit „Triple Helix“ veröffentlicht. Die israelische Saxophonistin und Klarinettistin hat sich für dieses Projekt eine 10köpfige Gruppe aus erstklassigen New Yorker Musiker*innen zusammengestellt, u.a. spielen Sheryl Bailey (git) und Nadje Noordhuis (tp) mit.

 

Amy Hanaiali’i hat Chancen auf den Preis Best Regional Roots Album, Angelique Kidjo könnte die Auszeichnung Beste World Music Album bekommen. Barbara Streisand, India.Arie, Ella Mai, Ashley McBryde, Tanya Tucker, Maren Morris, Reba McEntire, Pistol Annies, Joy Williams, Patty Griffin gehören ebenfalls zu den potentiellen Preisträger*innen.

Die Jury der National Academy of Recording Arts and Sciences, die aus über 20.000 Bewerbungen und Vorschlägen die Nominierten auswählt, besteht aus 150 Mitgliedern. Eigentlich sollten die Preisträger*innen unabhängig von Charterfolgen und Plattenverkäufen ausgesucht werden, aber in der Vergangenheit war auffällig, dass häufig Megastars und Topseller*innen die Begünstigten waren.

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