Auf dem Podium saßen zwei Künstler*innen, die „waschechte“ Frankfurter*innen und beide in der Nordweststadt aufgewachsen sind: zum einen die in Ghana geborene R’n’B-Sängerin Rola, die nach einem Album und mehreren Singles unter Sony Music ihr zweites Studioalbum „Venus“ im April unter eigenem Namen released hat. Zum anderen der Rapper Gianni Suave, der 2016 einen Universalvertrag abgelehnt hat, um sich als Künstler entwickeln zu können. Er gründete stattdessen das Kollektiv „Don’t Mess With The Weather“. Außerdem eingeladen war die Berliner Rapperin Nashi44. Die Musikerin mit deutsch-vietnamesischen Wurzeln hat ihr Jazz & Popgesangsstudium in Leipzig aufgegeben, um Rap zu machen und kürzlich mit ihrem Video „Aus der Pussy“ für Furore gesorgt. Sie thematisiert in ihren Songs antiasiatische Rassismuserfahrungen aus einer intersektionalen Perspektive und veröffentlicht im Herbst ihre Debüt-EP.
Der HipHop Produzent JuJu Rogers stammt aus Schweinfurt und ist ebenfalls bilingual aufgewachsen. Aus Mainz stammt der Rapper Neromun, der auch unter dem Pseudonym Loki und durch das Duo Luk&Fil bekannt und seit 2016 solo unterwegs ist. Beide werden im Oktober gemeinsam auf „Black History Tour“ on tour sein und ihre Musik als Ansage gegen das Patriarchat, toxische Männlichkeit und white supremacy unter die Leute bringen. Moderiert wurde das Panel von der Musikjournalistin Miriam Davoudvandi, Chefredakteurin des splash! Mag, die in Rumänien geboren ist und einen iranischen Vater hat. Die geballte Ladung kritische Expertise also und ein gut ausgewählter Gästemix.
Die Diskussion dreht sich dann insgesamt mehr um Rassismus-Erfahrungen und rassistische Strukturen im Rap, und weniger um die empowernden Möglichkeiten, die der Rap als künstlerische und politische Ausdrucksform vor allem auch für FLINTA bietet. Rola erzählt, dass sie viele Bemerkungen ihr gegenüber erst als rassistisch konotiert erkannt hat, als sie begonnen hat, sich damit zu beschäftigen. Sie werde oft auf eine bestimme Rolle reduziert und nur als Schwarze Sängerin und Tänzerin gebucht, ihre Musik sei dabei zweitrangig. Davoudvandi berichtet, dass sie häufig zu negativen Themen eingeladen und zwangsläufig erwartet wird, dass sie sich politisch äußert. Sie sei häufig die „Quoten-“ oder „Kanackenfrau“, die noch dazu von Rappern nicht ernst genommen wird. JuJu Rogers möchte den Fokus auf die Gatekeeper im Musikbusiness lenken, die Leute in Machtpositionen, die entscheiden, wer aufgebaut und was vertrieben wird. Die Industrie müsse sich selbst hinterfragen, zumal die Künstler*innen ohnehin noch viel zu wenig verdienten. Suave bemerkt, dass vor allem im Internet rassistische Übergriffe stattfinden, wenn sich Menschen durch die Anonymität geschützt fühlten.
Einhelliger Meinung ist die Runde, dass Schwarzen Künstler*innen bestimmte Türen nicht geöffnet werden. Zu viele Klischees und Schubladen verhinderten, dass sie Zugang zu bestimmten Labels oder Playlists bekämen, meist mit dem vorgeschobenen Argument, dass sich die Mehrheit der Fans nicht mit Schwarzen Künstler*innen identifizieren könne. Neromun vermutet, dass die afro-deutsche Community zu heterogen ist, um ähnliche Sounds zu mögen. Dieser Ausschluss hätte auch damit zu tun, dass Menschen sich ihren Machterhalt durch Ignoranz sicherten. Rola fragt sich, ob auch die Akteur*innen in der Musikszene selbst Platz machen müssten, z.B. für asiatische Künstler*innen, von denen zu wenige nach oben kämen.
Einig wurde das Podium auch beim Thema „Blackfishing“, einer Methode, bei der sich weiße Personen so schminken, stylen oder anderweitig optisch verändern, dass sie sich als schwarz bzw. nicht-weiß inszenieren können. Als Beispiel wurde Shirin David genannt. Was erstmal harmlos klingen mag – Rola berichtet z.B. davon, wie sie früher weißen Personen Dreads gern frisiert hat, weil diese die Zöpfe einfach schön fanden – wird dann problematisch, wenn eine Person mit diesem Image Geld verdient, sich also Optik und Attitude einer Person of Colour quasi „einverleibt“ und daraus Kapital schlägt. Am Thema #deutschrapmetoo kam die Runde natürlich auch nicht vorbei. Da wäre sicherlich noch viel zu sagen gewesen – aber das steht auf einem anderen Blatt.
Es gibt jedenfalls noch viel zu tun. Die „Wachsstumsschmerzen“ (Rola), die wir bei der Auseinandersetzung mit dem Thema Rassismus empfinden, werden sicher noch lange anhalten. Wichtig erscheint mir aber, dass wir nicht aufhören, einander zuzuhören: „Learn to listen“…
GGVybe ist ein Zusammenschluss weiblicher* DJs und Veranstalterinnen* aus Frankfurt, die sich über DJ-Workshops zusammengefunden haben. Sie wollen die female DJ-Szene pushen und sichtbar machen und Safe Spaces schaffen, in denen sich Frauen* am DJing ausprobieren können. Als DJs und Veranstalterinnen mit teils unterschiedlichen Migrationsgeschichten nehmen sie sich den Raum, aktiv gegen Rassismus, Antisemitismus und jegliche Diskriminierungsformen anzugehen, indem sie den Bezug zu gesellschaftlichen Themen herstellen. In ihrer Veranstaltungsreihe GGVybe – Talk that Talk wollen sie durch Film, Literatur und Musik einen Ort für Sensibilisierung und Reflexion schaffen.