Mariella ist seit über 10 Jahren freiberufliche Musikerin, Songwriterin und Mutter von zwei Kindern. Vor der Pandemie und der Geburt ihres ersten Kindes war sie als Live-Musikerin, Violinpädagogin, Studiomusikerin und Arrangeurin tätig, seit 2020 hat sie ihr Berufsfeld stark eingegrenzt und den größten Teil der Care-Arbeit übernommen. In ihrer wenigen freien Zeit legt sie den Fokus auf ihr Soloprojekt ELLA FALL. Abends wenn die Kinder schlafen, wird sie aktiv, schreibt und produziert ihre Songs oder übt schlichtweg Violine. Außerdem ist sie weiterhin im Hintergrund der Klangkantine Studios in Darmstadt tätig, die sie mit ihrem Mann zusammen führt.

Aktuell ist Mariella noch in Elternzeit, plant aber bereits ihren Wiedereinstieg auf die Live-Bühne – eine Herausforderung, nicht zuletzt wegen fehlender Betreuung im nahen Umfeld. Ihr Antrieb: die Sichtbarkeit von Musikerinnen und Müttern, der Austausch mit anderen Music Moms und der Wunsch, nicht länger allein zwischen Kunst und Care-Arbeit zu stehen.

 

Du bist Mutter zweier Kinder und weiter als Musikerin tätig. Warst Du mit Deinen Kindern bereits on tour? Wie ist es Euch ergangen?

Ich bin mittlerweile Mama von zwei Kindern. Bei meinem ersten Kind kamen mehrere Faktoren zusammen, warum mein Wiedereinstieg holpriger war als geplant war. Zum einen die Pandemie, zum anderen eine Geburt, an der ich sehr lange zu knabbern hatte und die Betreuungssituation. Aber mir war es auf jeden Fall wichtig, das erste Jahr für mein Kind da zu sein. Sobald es dann Abend war und das Kind geschlafen hat, habe ich mich in mein Musikzimmer zurückgezogen und Songs geschrieben, gesungen und Geige geübt. Immerhin konnte ich regional den einen oder anderen Gig nach eineinhalb Jahren spielen, wenn es die Betreuungssituation zuließ. Gigs, an denen ich mehrere Tage am Stück unterwegs gewesen wäre, hatte ich vorerst für mich ausgeschlossen.

 

Haben sich Veranstaltende bereits darauf eingestellt, dass manche Musiker*innen mit Kindern anreisen?

Bei den „Brotjobgigs“ bin ich des Öfteren auf sehr traditionelle Strukturen gestoßen. Zum Beispiel habe ich, bevor ich Mutter wurde, mehrmals für die TU Darmstadt bei Preisverleihungen das Programm mit Musik untermalt. Bei meinem letzten Auftrag wollte ich mein Baby mit Begleitperson mitbringen, denn wir waren noch nie getrennt und ich wollte es nicht plötzlich fünf Stunden bei jemanden „parken“. Ich hatte mir schon einen guten Plan ausgedacht, wie es hätte klappen können, als mir gesagt wurde, dass ich mich entscheiden müsse: Ich könnte den Gig spielen, wenn ich alleine komme, ansonsten müssten sie mir absagen. Ich habe mich für mein Kind entschieden und den Gig abgesagt. Bei den kleineren Clubgigs oder Festivals mit meinem Künstlerprojekt ELLA FALL war es kein Problem, dass das Kind Backstage mitkonnte. Und dadurch, dass ich ohnehin erstmal nur regional auftrat und nach dem Gig wieder heimfahren konnte, erübrigten sich Mehrkosten wie Übernachtungen für mehrere Personen durch den Veranstalter.

 

Würdest Du es wieder machen oder lieber eine längere Auszeit in Kauf nehmen?

Dass ich mir bewusst die Zeit gegeben habe, als Mutter anzukommen, meinen Platz zu finden und mein Kind in Ruhe kennenzulernen, war sehr wichtig für meine mentale Gesundheit. Da ich die erste Geburt schlecht weggesteckt habe, brauchte ich schlichtweg die Zeit zur Regeneration – die physischen als auch die mentalen Narben mussten erstmal heilen. Ich betrachte es als Luxus, dass ich mir das rausgenommen habe. Bei meinem zweiten Kind habe ich mir auch ein Jahr Elternzeit genommen, nur dass mein erstes Konzert schon früher sein wird, worauf ich mich sehr freue.

 

In der Regel arbeiten Schwangere in den letzten Wochen vor der Geburt nicht mehr und gehen in den Mutterschutz. Viele Musikerinnen* können sich das gar nicht leisten oder fühlen sich so fit, dass sie weiter auf der Bühne stehen. Wie war das bei Dir?

Bei meinem ersten Kind waren noch Gigs bis weit in den Mutterschutz geplant, aber durch Corona war ich Monate vorher schon alle meine Jobs und Gigs los. Ich habe dann von meinen Rücklagen gelebt, bis ich offiziell in den Mutterschutz ging. Beim zweiten Kind waren aus gesundheitlichen Gründen keine Konzerte kurz vorher mehr geplant. Da mein Mann und ich ein Tonstudio führen, war dort noch genug bis vor der Geburt zu erledigen, sodass ich bei beiden Kindern bis zwei Wochen vor ET gearbeitet habe.

 

Konntest Du Deine Projekte so planen, dass Du beruhigt eine Auszeit nehmen konntest? Und wie hast Du das finanziell hinbekommen, Du bekommst ja wahrscheinlich kein Gehalt?

Bei meinem ersten Kind ist mir das nicht gut gelungen und so wollte ich es beim zweiten besser machen. Zum Beispiel habe ich bei meinem Soloprojekt „Ella Fall“ viel vorgearbeitet und meine Parts für die Aufnahmen abgeschlossen, sodass ich während der Elternzeit Musik zum Veröffentlichen habe. Aber wie schon beschrieben, ist es ein laufender Prozess und abends ist meine Zeit zum Produzieren und Musizieren.

Während der Elternzeit haben wir Elterngeld erhalten. Danach haben mein Mann und ich uns hingesetzt und abgewogen, wie es für uns finanziell leichter ist. Wegen Corona war ich sowieso erstmal arbeitslos; als die Regelungen sich lockerten, kamen auch wieder Anfragen rein, aber erstmal bei weitem nicht mehr so viele wie vor Corona. Ich hätte uns damit nicht ernähren können. Da wir mit dem Unternehmen neben Musik noch weitere Dienstleistungen abdecken (während der Pandemie waren Hörbücher, Hörspiele und Podcasts sehr gefragt), konnten wir als kleine Familie gut davon leben. Ich hatte on top noch die Gigs, die mit unserem Betreuungsmodell zu vereinbaren waren und auf die ich Lust hatte.

 

Ist der Beruf als selbstständige Musikerin manchmal auch ein Vorteil, wenn frau eine Familie gründen will?

Im Grunde vielleicht schon, weil man viel Gestaltungsfreiheit hat. Setzt voraus, dass die Schwangerschaften und Geburten auch reibungslos ablaufen. Bei mir war nichts planbar, ich habe die Kinder genommen, die ich wortwörtlich „kriegen“ konnte. Ich hatte viele Schwangerschaften, die frühzeitig zu Ende gingen. Das war sowohl eine psychische als auch eine körperliche Belastung. Das ist aber eher die Ausnahme, von daher denke ich, dass man generell als Selbstständige durchaus Vorteile in der Planung hat.

 

Stichwort Kinderbetreuung: viele Kitas haben zu, wenn Musikerinnen* arbeiten, nämlich abends und am Wochenende. Wie hast Du das geregelt?

Aktuell bin ich noch in Elternzeit, was bedeutet, dass ich nur arbeiten kann, wenn die Kinder schlafen. Wenn ich Violine übe, Songs oder Arrangements schreibe usw., dann mache ich das abends/nachts im Musikzimmer – das Babyphone neben mir. Bei Gigs am Wochenende oder Abend war entweder mein Mann mit Kind dabei oder sie blieben zu Hause. Da mein Mann aber selbst viel arbeitet und spät abends heimkommt, sprang die Oma auch mal ein, was eine große Hilfe ist. Und wenn es nicht anders ging und ich niemanden zur Betreuung gefunden habe, habe ich Gigs auch abgesagt. Auch gebe ich nachmittags keinen Violinunterricht mehr, da ich dann mit den Kindern bin. Aufnahmen als Studiomusikerin versuche ich vormittags unterzukriegen, wenn das große Kind im Kindergarten ist. Das Kleine kommt mit einer zweiten Person mit ins Studio. Das muss dann auch gut geplant werden.

 

Wo sind die kritischen Knackpunkte, wo es schwierig wird? Was braucht es, um den Spagat gut hinzukriegen? Was müsste sich verändern?

Kritisch wird es, wenn jemand krank wird. Egal ob‘s die Kinder, mein Mann oder die Oma ist. Da gibt’s dann keinen Plan B. Neuerdings habe ich noch eine weitere Person gefunden, die gelegentlich zum Babysitten kommt. Das entspannt mich zu wissen, dass ggf. noch jemanden fragen kann, der einspringt, wenn‘s eng wird. Das muss ich dann aber finanziell gut abwägen. Die Versorgung für unser großes Kind an einer öffentlichen Betreuungseinrichtung ist zwar gegeben, aber wegen Personalmangels in der Kita nicht so lange und flexibel wie eigentlich angedacht und vereinbart. Zudem fühlt sich unser Kind dort nicht immer wohl aufgrund der Überlastung– was mich dazu veranlasst, ihn ab und zu früher abzuholen oder zuhause zu lassen. Generell sollte der Beruf der Erzieher*innen mehr gewürdigt werden, sodass auch der Anreiz besteht, den Beruf auszuüben. Ich sehe, was die Erzieher*innen leisten müssen. Das steht in keinem Verhältnis zu der Bezahlung.

 


„Es ist schön zu sehen, dass der Trend zu Konzerten am Nachmittag oder familienfreundliche Festivals zunimmt. Das dürfte für die Backstage Moms gerne mehr werden“.


 

Was musstest Du an Deiner Lebens- und Arbeitsweise ändern, um alles unter einen Hut zu bekommen?

Ich musste mich erstmal sehr daran gewöhnen, dass sich mein Leben komplett ändert. Früher habe ich am Tag 10-12 Stunden gearbeitet. Jetzt ist nur noch der Abend zum Arbeiten da. Zum einen musste ich Prioritäten setzen. Alles konnte ich nicht mehr machen und habe z.B. aufgehört zu unterrichten. Auch habe ich Jobs nicht mehr angenommen, die weniger gut vergütet waren. Das hat auch was damit zu tun, dass man sich bewusst wird, dass man nur begrenzt Energie hat. Und die Energie, die man besitzt, sollte man auch nur effizient verwenden. Als Selbstständige muss man sich ohnehin strukturieren und mit Kindern nochmal mehr. Vieles plane ich nun weiter im Voraus, oder plane auch mehr Zeit ein. Ich habe mich mehr oder weniger daran gewöhnt, dass ich vorübergehend nicht mehr so spontan sein kann.

 

Wie sind Deine Pläne für die nahe Zukunft?

Auf lange Sicht möchte ich gerne wieder live spielen und arbeite darauf hin. Allerdings nicht mehr in dem Ausmaß, wie ich es in der Zeit vor meinen Kindern gemacht habe, sondern so, dass es mir und meinen Kindern gut damit geht. Bis dahin lege ich mein Augenmerk auf die offenen Produktionen und Kollaborationen, die ich dieses Jahr noch abschließen und zeitnah veröffentlichen möchte. Zudem habe ich begonnen, mir mit einem Kollegen ein kleines Akustikset meiner Songs zusammenzustellen und zu proben. Das ist ziemlich viel, wie ich finde, nach einem 12-Stunden Tag voller Care-Arbeit. Am 25.7. erfolgt der Release von „Bloom“, eine Kollaboration mit meinem Kollegen fÄst, worauf ich mich sehr freue.

 

Gibt es Tipps & Tricks, die Du weitergeben möchtest?

Ich hatte am Anfang meiner Mutterschaft sehr Bedenken, dass ich nun als Künstlerin nicht mehr „da“ bin (eine Art Identitätskrise) und nicht mehr so wahrgenommen werde, dass ich „draußen“ bin. Und ja, das bin ich auch, und ich habe lange gebraucht um mir einzugestehen, dass dies auch etwas Schönes ist: Schließlich habe ich zwei gesunde absolute Wunschkinder nach vielen Höhen und Tiefen und bin sehr glücklich darüber – und in dem ganzen Diskurs über Vereinbarkeit von Frauen mit Mutterschaft und Berufstätigkeit geht oft unter, dass eine Mutter zu sein (neben der krassen Arbeitslast) auch eine zauberhafte Zeit sein kann.

 


„Elternschaft und Care-Arbeit sind absolut wichtig, ich finde ihr gehört mehr gesellschaftlich Wertschätzung entgegengebracht und auch unsere volle Aufmerksamkeit, da wir im wahrsten Sinne die Zukunft gestalten“.


 

Wir als Familie und insbesondere ich habe mich bewusst dazu entschlossen, dieser Aufgabe mit Zeit und voller Aufmerksamkeit nachgehen zu wollen. Da unser Unternehmen uns gut ernähren konnte und man als freiberufliche Künstlerin finanziell deutlich unsicherer aufgestellt ist (und oft schlecht verdient) ist hauptsächlich der Grund, warum ich mich entschlossen habe, den Großteil der Care-Arbeit zu leisten. Alles andere hätte dazu geführt, dass wir beide weniger Zeit als Familie verbringen können.

Was ich damit sagen möchte: Ich habe mir anfangs selbst viel Stress gemacht, dass ich alles gleichzeitig machen muss: Die Mutter zu sein, die ich sein möchte und gleichzeitig meinen Weg als eigenständige Künstlerin zu gehen. Natürlich war da auch ein Teil (und ist manchmal immer noch) in mir traurig und voller Sehnsucht. Mittlerweile kann ich aber sagen: Es ist ein Luxus, zeitweise „Backstage-Musikerin“ zu sein und nicht selbst im Rampenlicht stehen zu müssen, sondern die Zeit mit meinen Kindern verbringen zu dürfen. Ich bin dankbar, dass es im Hintergrund mit ELLA FALL weiter geht, ich den Luxus habe, ein professionelles Tonstudio zu haben, um meine Lieder aufnehmen zu können. Ich bin nämlich sehr gerne Studiomusikerin und treffe mich dort regelmäßig mit meinen Musikerkollegen. Das gibt mir das nötige Durchhaltevermögen. Es klingt abgedroschen, aber es ist wahr: Diese Zeit, wenn die Kinder so klein sind, kommt nicht wieder, sie ist schnell vorbei. Doch wieder mehr Zeit auf Bühnen verbringen zu dürfen, kommt sicherlich wieder – und man ist nicht „gescheitert“, wenn man ein paar Jahre andere Prioritäten gesetzt hat! Und irgendwann werde ich all die gesammelten Werken aus dieser Zeit live spielen.

 

Vielen Dank, liebe Mariella, für das Gespräch!

 

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Fotos: Hey Frau Anika

01. – 30.09.2022 Monat der zeitgenössischen Kunst #6

In vier Wochen, auf 65 Bühnen, innerhalb 150 Veranstaltungen werden Berliner Musiker*innen, Komponist*innen und Ensembles wieder im Monat der zeitgenössischen Kunst unterschiedlichste künstlerische Positionen in Konzerten, Performances und Klanginstallationen sowohl an den großen Konzerthäusern als auch an den Bühnen der Freien Szene zeigen. Der Monat der zeitgenössischen Kunst gilt hierbei als verlässlicher Gradmesser aktueller Tendenzen der zeitgenössischen Musik. Einerseits, weil sein Programm nicht von einer zentralen Stelle kuratiert wird, sondern direkt aus der Freien Szene heraus entsteht. Und andererseits, weil er gerade deshalb unter seinem Dach eine Vielzahl unterschiedlichster künstlerischer Ansätze vereint, deren Überschneidungen und Verbindungslinien untereinander die heterogene Gemeinschaft Berlins offenbaren.

Die diesjährige sechste Ausgabe ist geprägt von musikalischen und intermedialen Grenzgängern und einer vertieften Beschäftigung mit neuen Ansätzen transtraditioneller Musik. Deutlich spürbar wird auch der wachsende Drang der Musik, mit sozialen und politischen Themen Position zu beziehen. Viele der Projekte beleuchten das Verhältnis zwischen Kunst und Aktivismus, Klang und Ökologie sowie Aspekte des Zusammenkommens aus unterschiedlichen Perspektiven. Aktuelle komponierte Kammer- und Orgelmusik mit zahlreichen Uraufführungen und Berliner Spezialitäten wie der Klangkunst, der Echtzeitmusik und Improvisation fehlen natürlich auch in diesem Septemberprogramm nicht. Dazu gesellen sich gleich zwei Festivals, die sich elektroakustischer Musik verschrieben haben. Partizipative Formate und ein Angebot für Kinder und Jugendliche laden zum Mitmachen ein (Foto: Florian Schmuck). Infos

 

02. – 03.09.2022 14. Europe Blues Train Festival Berlin

Am 2. & 3. September 2022 hält der Europe Blues Train wieder in Berlin und trifft dabei auf Soul, Jazz und Global Music. Offen für alle, außer die „Blues Purist*innen“. In der Forum Factory Berlin wird das Blues-Feeling in vielen musikalischen Facetten gefeiert, denn der Blues kommt aus Afrika und ist die Basis für viele zeitgenössische Musikstile von R&B, Rock, Swing, über Pop bis Hip Hop. Die Priester Sisters (Foto: Petr Jiskra) komponieren frischen, neuen, alternativen Pop mit einer Prise Psychedelic und Folklore. Die Band besteht aus drei Schwestern mit slowakischen Wurzeln: Lucia (Violine), Victoria (Klavier und Akkordeon) und Barbora (Gitarre). Mit viel Liebe zum Detail erreichen sie einen neuartigen Sound, der zwischen Pop/Rock, Swing und ihren osteuropäischen Wurzeln liegt. Ihre unverwechselbar harmonische Dreistimmigkeit sticht dabei besonders hervor. Im März 2020 veröffentlichten die Priester Sisters ihre erste Single Second Hand Man. BadKat stammt ursprünglich aus Florida, USA, und lebt seit vielen Jahren in Berlin. Sie ist vor allem für ihre Arbeit im Bereich der Hip-Hop-Musik bekannt. Als vielseitige Künstlerin produziert sie im Stillen ein breites Spektrum an Musik und Medieninhalten. In den letzten Jahren hat sie sich auf das Produzieren und Sound-Engineering konzentriert und dabei eine breite Palette von Musikgenres wie Elektronik, Rock, Funk und Hip-Hop geschaffen. So ist es nicht verwunderlich, dass ihr neuestes Werk eine Kombination all dieser Stile zu einem einheitlichen, ganz eigenen Sound ist. Ihre Performance ist eine Kombination aus Live-Gesang, Bassgitarre, elektronischen Backbeats und gelegentlichen Gastauftritten mit anderen Musiker*innen. Infos

 

02. – 03.09.2022 Zuckerbrot und Peitsche Festival Darmstadt

Das Festival in der Oetinger Villa in Darmstadt nähert sich über verschiedene Wege den Themen Strafe und Gewalt. Die Fragen, welche soziologische Funktion Strafen einnehmen, welche Formen von Strafen oder Sanktionen wir kennen oder verinnerlicht haben oder aus Notwendigkeit akzeptieren, welche Institutionen wie und warum bestrafen können und aus welchen Perspektiven heraus daran Kritik geübt wird, werden im Vordergrund stehen. Behandelt werden die Themen auf die unterschiedlichsten Arten und Weisen, etwa in Form von Workshops und Vorträgen, Theater- und Performance-Aufführungen, Ausstellung, Lesungen und Info-Ständen – mal expliziter, mal mit einem etwas weiter gefassten Begriff. Da das Thema nicht unbedingt leicht zu verarbeiten ist, wird es in ein Umfeld gefasst, das konträr dazu steht. Es wird eine Art Jahrmarkt geschaffen, der auf vielen Ebenen ästhetisch erfahrbar ist. Abgeschlossen wird das ganze mit einem Konzert von JulaKim, BAUMARKT und PISTOLE und Aftershow mit ohjasry. In dem Kontrast dieser beiden Welten will das Festival einen neuen Zugang zu diesem Themenkomplex erlangen und künstlerisch einen Gegenpart der Utopie erzeugen. Infos

 

02. – 04.09.2022 Riviera Festival Offenbach

Offenbachs Riviera sind zwei Kilometer Mainufer und ein Netzwerk für junge Musikschaffende in der wachsenden Stadt. Seit 2018 veranstaltet das Amt für Kulturmanagement das dezentrale Festival für Pop- und Clubkultur an wechselnden Locations. Mehr als 20 Bands, DJs und Performancekünstler*innen sind dieses Jahr wieder im Studio, im Club, auf der Open Air Bühne und sogar auf einem neuen Kulturschiff dabei, u.a. Anthony Hüseyin, (UN)KNOWN SPHERES, Jenne, Fuffifufzich, Whitney Rose, Pape, Discovery Zone, Eilis Frawley, Evelinn Trouble, Albertine Sarges, Safa, Frau Ton, Kiki Hitomi und Chillera. Letztere Band wurde 2017 von Anya Brizhata, Polina Matskevich und Nastya Marikutsa im ukrainischen Odessa gestartet. Mit Schlagzeug, Bass und Gitarre ist die Besetzung recht „klassisch“, Effektgeräte kommen nur wohl dosiert zum Einsatz, was super erfrischend, ungezwungen und lässig rüberkommt. Mélissa Laveauxs (Foto: Adeline-Rapon) Musik verweigert sich jeglicher Kategorisierung: Während die beiden ersten Alben mit einer gelungenen Mischung aus Pop und Folk überzeugten, schöpfte die in Montreal geborene Songwriterin und Sängerin für ihr drittes Album mit dem Titel „Radyo Siwèl“ aus den traditionellen Gesängen Haitis Inspiration. Die „afro-feministische“ Sängerin erzählte von Widerstand, der Macht der Musik, ließ die damals gebildeten Méringue-Straßenorchester wieder aufleben und fügte ihnen eine Prise Afrobeat und Indie-Rock bei. Nun ist Mélissa Laveaux mit einem vierten Studioalbum zurück: „Mama forgot her name was Miracle“, einer modern-subversiven Platte um feministische Kämpfe und soziale Gerechtigkeit. Body*Lotion (Foto: Marcus Morgenstern) ist das Soul/Pop/Jazz Duo von Katharina Wittenbrink und Arvid Morgenstern aus Offenbach. Mit ihrer Musik erforschen sie Wege zu zwischenmenschlicher Gleichstellung. Die Riviera Konferenz für Pop- und Clubkultur ist auch 2022 integraler Teil des Riviera Festivals. Auch die dritte Ausgabe widmet sich relevanten Themen und Belangen der Musikbranche im Rhein-Main Gebiet und findet am Freitag, den 02.09. im Capitol Theater statt. Sie endet um 18 Uhr mit Konzerten & DJ-Sets im glamourösen Theatersaal. Die Teilnahme an der Konferenz inklusive Konzerten ist kostenfrei. Infos

 

02. – 04.09.2022 Lindenfels Festival

Das LIFE will seinen Beitrag leisten, um der Landflucht entgegen zu treten und Städte und Kommunen dabei unterstützen, ein eigenes Kulturangebot auf die Beine zu stellen und damit auch für junge Menschen und Familien wieder attraktiver zu werden. Das Festival des Verkehrsvereins Lindenfels e.V. in Kooperation mit dem freien Kulturkollektiv äkta.Kultur möchte mit einem bunten Programm aus Konzerten, Workshops, einer Glückswanderung und einem Ökomarkt mit Kurzvorträgen das Gemeinschaftsgefühl der Lindenfelser-Community stärken. Wichtig ist den Veranstalter*innen auch der Gedanke der Solidarität: an der sog. Karmakasse kann selbst bestimmt werden, wie viel mensch* für einen Workshop oder ein Konzert bezahlen kann und möchte. Als Headlinerin konnten sie Wallis Bird (Foto: Tobias Ortmann) gewinnen, die sich auf ihrem neuesten Album „HAND“ oder auch „NINE AND A HALF SONGS FOR NINE AND A HALF FINGERS“ Themen wie Vertrauen, Alkoholmissbrauch, Stagnation, Selbstzensur und Selbstverbesserung widmet und ihre energetische Mischung aus Irish Folk, Rock, Pop und Soul auf die Bühne bringen wird. Außerdem dabei: Salma mit Sahne mit ihren meist deutschsprachigen Liedern, die sich irgendwo zwischen Folk-Pop und Liedermaching bewegen und die Indiekünstlerin Lisa Who mit ihrem zweiten Album „Ein neuer Beginn“, einem Plädoyer fürs Mutigsein. Die mit dem Panikpreis ausgezeichnete Fee. kommt mit ungestümen Oden ans Leben, weitere Acts sind Feli, Lesà, zwei Schüler*innenbands u.a. Infos

 

03.09.2022 Laut! Festival Osnabrück

Am 03.09.2022 findet Open Air beim GZ Ziegenbrink das zweite LAUT! Festival statt. Das Festival will mehr sein, als eine Vorstellung herausragender regionaler junger Künstlerinnen*. Der Ursprungsgedanke liegt darin, FLINTA+ Personen zu fördern, die trotz der Fortschritte in Bezug auf die Gleichberechtigung in den meisten musikalischen Genres unterrepräsentiert sind. Die auftretenden Acts sollen keinesfalls reine FLINTA+ Formationen sein, jedoch müssen die einzelnen Acts mindestens eine FLINTA+ Person als Mitglied haben, die auch eine gleichberechtigte Position mit allen anderen Mitgliedern einnimmt. Gleichzeitig soll die Vielfalt der Akteurinnen* der Osnabrücker Musikszene dargestellt werden.  Ab 13Uhr öffnen sich die Tore für das Publikum. Von 14 – 23Uhr spielen neun wunderbare Acts – von Indie-Pop über Jazz und Rap bis Pop-Punk wird alles vertreten sein: Zara Akopyan (Folk-Pop), 11minuteslate (Creativ-Jazz), JULIKA (Indie-Pop), Tameera (Indie-Pop/R&B), party from afar (Acoustic Indie), Alina Sebastian (Country), Lynger (Rap), Sparclub (Punk), Wenn einer lügt dann wir (Pop-Punk). Infos

 

08. – 11.09.2022 Jazzin‘ The Black Forest Festival Villingen

Villingen im Schwarzwald genießt einen Ruf wie Donnerhall, denn hier residierte einst das legendäre MPS-Label. Auch heute noch steht die Stadt für Jazz, wie die fünfte Ausgabe des Festivals Jazzin‘ The Black Forest vom 8. bis zum 11. September unter dem Motto „Colours Of The World“ beweist. Den Auftakt macht die sibirische Sängerin Valeria Maurer mit ihrem Quartett, die in ihrer Musik Jazz, Pop, Folk und orientalische Einflüsse vereint. Aus Georgien stammt die Pianistin Russudan Meipariani, die mit ihrem Ensemble, zu dem der Cellist Giga Khelaia und die Geigerin Natalie Meipariani gehören, eine einzigartige Verbindung zwischen kaukasischem Klang und europäischer Musiktradition herstellt. Mit einer Musik zwischen Soul und Pop macht die Sängerin Teresa Bergman, die in Neuseeland geboren wurde, auf ihrem Debüt-Album „33, Single And Broke“ auf sich aufmerksam. Am letzten Festivaltag präsentiert die britische Band Vula Viel explosive Klangwelten mit afrikanischem Groove. Infos

 

 

08. – 10.09.2022 Waves Festival Wien

Waves hat sich neue Musik groß auf den Unterarm stechen lassen. Das Festival versteht sich als Showcase-Festival – das heißt, es geht darum neue Bands zu entdecken, solche, die sich mehr Aufmerksamkeit verdient haben, die über internationales Format verfügen, aber aus dem einen oder anderen Grund noch nicht nach ganz oben gespült worden sind. Das Festivalticket bietet die Möglichkeit, rund um den 9. Bezirk ein äußerst dichtes, internationales Programm zwischen Alternative, Elektronik, Rock und Clubmusik in kompakter Form kennenzulernen. Dabei heißt das Waves Festival immer zwei Gastländer willkommen. Getreu dem Motto „East Meets West“ werden im Live-Programm verstärkt Acts aus diesen beiden Ländern auftauchen. Darüber hinaus widmet die Waves Festival Conference einen Teil des Programms den Musikmärkten und -szenen dieser Länder. Ein sehr reichhaltiges Line-up featured u.a. Philine Sonny, Wilhelmine, Boy with Apple, Liz Metta, BERGLIND, Musspell, Kids Return, Alice Low, Christl, Lisa Pac, Kahlenberg feat. Anna Mabo, Umme Block, Bipolar Feminin, Farce, Naima Bock, Sassy 009, Priya Ragu, Minimal Schlager, Low Island, Paula Carolina, Nalan, UTO, Elena Steri, Böbe, 3:rma, Batbait, nothhingspecial, Kitana, Karolina Beranova, Amelie Tobien, Florence Besch, Aili, Nuha Ruby Ra, Vanille, Francis On My Mind, Nina Hochrainer, Celia May, Sahareya, Nelavie, Shitney Beers, Olgas Boris, Skaar, Laundromat Chicks, Girli, Anna Erhard, Alexandra Alden, Christin Nichols, JOKO, Ultraflex, The Hanged Man, W1ZE, Pyra. Infos

 

09.09.2022 Das f*mz wird 35 – die Jubiläumsparty!

Das Frauen*­musik­zentrum Hamburg wird 35! Seit sage und schreibe 35 (!) Jahren bietet das Frauen*musikzentrum FLINTA*-Personen eine musikalische Plattform: Divers, feministisch, musikalisch  – und genialisch! Wenn das mal kein Anlass für eine Jubi-Party ist. Dazu haben die f*mz-Aktiven die Berliner Reihe „Ich Brauche Eine Genie“ nach Hamburg eingeladen. Die Musikerinnen und Autorinnen Kersty Grether und Sandra Grether veranstalten dort seit 5 Jahren geniale Events gegen den Kult ums „männliche Genie“, denn „das tiefe Vertrauen in die männlichen Fähigkeiten, das als Kehrseite der Medaille eine ewige Skepsis gegenüber Musikerinnen* in sich trägt, muss der Vergangenheit angehören!“ Die Jubelparty am 09.09. lockt mit Musik von LIZZN & The Doctorella, Lesungen von Lina Ehrentraut, Kersty & Sandra Grether und mehr im HausDrei. All gender welcome!! Infos

 

10. – 11.09.2022 Cock Am Ring Festival Münster

Anfang 2022 kam die Band Kochkraft durch KMA auf das Ladies&Ladys Label zu und mit einer großartigen Idee um die Ecke: „Wie wärs, wenn Bands mit FLINTA* Anteil vom diesjährigen Rock Am Ring Line-Up Songs covern würden? Dann wüsste die Welt mal, wie Rock Am Ring klingen könnte, wenn sie das Line-Up diverser aufstellen würden?“ Gesagt, getan, im Juni kam pünktlich zum Rock Am Ring/Rock Im Park Wochenende 2022 der Sampler „Cock Am Ring“ mit 24 FLINTA*stischen Coverversionen heraus. Jetzt folgt wie angekündigt das dazugehörige Festival und es soll vor allem eins: Aufmerksamkeit generieren! Daher der Titel und der Hahn – aber der hat wenigstens die Vielfalt im Blick und kräht: Let’s be the change! Auf euch warten 2 Tage krasse Musik auf 3 Bühnen in der Sputnikhalle in Münster mit Kochkraft durch KMA (Foto: Simon von der Gathen & Sascha Jörres), Wenn einer lügt dann wir, Lisa Who, metty, Mina Richman, ELL, Lisa Spielmann, Schwester Ebra, Birgit Jones, Kapa Tult, Becky Sikasa und KatKit, Aftershowpartys, Workshops und Panels. Infos

 

13.09. – 01.10.2022 Women in (e)motion Festival Bremen

1988 gegründet, um auf das musikalische Schaffen von Künstlerinnen aus den unterschiedlichsten Genres hinzuweisen, ist der Auftrag auch nach 34 Jahren noch nicht zu Ende. Das Women in (e)motion Festival Bremen möchte renommierten Musikerinnen sowie Neuentdeckungen eine große Bühne bieten und ihre Kunst einem breiten Publikum bekannt machen. Der Fokus liegt dabei auf den Genres Jazz, Blues, Folk und Singer-Songwriting. Radio Bremen Zwei und die Sparkasse Bremen präsentieren in ihrer gemeinsamen Konzertreihe „Sparkasse in concert“ wieder das Festival mit zahlreichen Entdeckungen im Kulturzentrum Schlachthof, Music Hall, Kito und verschiedenen Orten in Bremen, Worpswede, Bremen-Vegesack. Auf dem Programm 2022 stehen Gwenifer Raymond, AMAK, Jeannette Hubert / Megan Henwood, Nomfusi, Georgia van Etten, Yumi Ito, Nabou / A Tonic For The Troops und die Blues-, Soul- und Jazz-Sängerin Ina Forsman (Foto: Johanna Rontu) mit sechsköpfiger, international besetzter Band. Infos

 

15. – 19.09.2022 MULTITUDE FESTIVAL Hannover

Vom 15.-18. September lädt das MULTITUDE Festival für feministische und intersektionale Solidarität zu vier Tagen voller Theater, Musik, Performances, Austausch, Auseinandersetzung und Empowerment in das Kulturzentrum Pavillon ein. Die zweite Ausgabe wartet mit unzähligen großartigen Workshops, Gesprächsformate, Ausstellungen und Installationen auf, die keinen Eintritt kosten (für die Workshops müsst ihr euch aber anmelden). Musik kommt von Ebow (Support by Yowlandi), Saeko Killy, Donia Touglo, dem all-female DJ Kollektiv Get Over It und Gudrun Gut. Der Begriff MULTITUDE stammt aus der politischen Philosophie und bezeichnet eine Gruppe von Menschen, die gemeinsam handelt, ohne dass sie gemeinsame Merkmale hat oder haben muss. Im Sinne des Festivals meint sie eine plurale Vorstellung von Gesellschaft und Kunst, die von einer radikalen Vielfalt als Grundlage des Miteinanders ausgeht“, schreiben die Veranstalter*innen. Die diesjährige Ausgabe hat übrigens das Thema Generationen: Wer kam vor uns und wer wird nach uns sein? Wie können wir voneinander lernen, uns aufeinander beziehen und aus den Kämpfen an anderen Zeiten und Orten Kraft schöpfen? Aber auch: Was bedeuten gesellschaftliche Ungleichheiten für unsere Freund*innenschaften, Beziehungen und Wahlfamilien? Diesen und anderen Fragen wollen die Festivalmacher*innen gemeinsam mit euch nachgehen: auf dem Dancefloor, in Gesprächen, in den Performances und Installationen, bei der Teatime mit unseren Kooperationspartner*innen oder an der Bar mit einem Drink. Infos

 

15. – 26.09.2022 Multiphonics Festival Köln, Wuppertal & Düsseldorf

Das von der Klarinettistin Annette Maye gegründete Multiphonics Festival geht in diesem Jahr in seine neunte Ausgabe. Das Internationale Festival für „kreative Klarinettenmusik“ findet vom 15. bis 26. September 2022 in Köln, Wuppertal und Düsseldorf statt und featured wieder herausragende Musiker*innen aus allen Ecken der Welt wie z.B. die Pianistin und Komponistin Kris Davis als „Artist in Residence“ mit einem exklusiven Festivalprojekt. In ihrem Kompositionsauftrag interpretiert sie mit Musikern an Klarinette, Bass und Schlagzeug den Ansatz ihres Projekts Save your breath neu. Die israelische Klarinettistin Shirley Brill widmet sich mit ihrem Ensemble Sistanagila folkloristischen und religiösen Melodien aus Klezmer, sephardischer und traditionell persischer Musik. Neu arrangiert, unterspült mit Einflüssen von Flamenco, Jazz und sogar Metal, verschmelzen die Kompositionen zu einer musikalischen Brücke zwischen Kulturen. Als Gastsängerin ergänzt die junge Iranerin Mahjabin Kavari das Ensemble. Ihre künstlerische Arbeit ist gezeichnet von Flucht und Anfeindungen, immer wieder wurde sie von örtlichen Imamen der Konzertbühne verwiesen. Mahjabin: „Ich kann es immer noch nicht glauben, mit Israelis auf der Bühne zu stehen. Trotz eventueller Konsequenzen, die bei einer Rückkehr in den Iran folgen könnten, habe ich keinen Moment gezögert.“ Natürlich ist neben weiteren Ensembles auch Annette Maye selbst mit von der Partie: mit ihrem Ensemble FisFüz (Foto unten: Yoshi Toscani) und unterstützt vom Camerata String Quartet nimmt sie mit „Traces of the Black Sea“ die Musik der Schwarzmeerküste ins Visier und würzt sie mit Eigenkompositionen. Infos

 

25. – 30.09.2022 ZKB Jazzpreis Festival Zürich

Zum 20. Mal findet im Zürcher Moods vom 25. bis 30. September das ZKB Jazzpreis Festival statt. Es präsentiert sechs für den ZKB Jazzpreis nominierte Formationen, die die Vielseitigkeit und Qualität der jungen Schweizer Jazzszene repräsentieren. Ausgewählt wurde z.B. das Duo Bureau Bureau, das experimentelle Musik mit Textschwerpunkt macht und momentan an einem Werk für improvisierendes Orchester zum Thema Gletscherschmelze arbeitet. Das Jazzpoptrio Tie Drei (Foto: Celine Michel) widmet sich mit Stimme, Violine, Trompete, Flügelhorn und Bass in vielschichtiger Art und Weise dem Begriff „Zeit“. An den ersten drei Abenden stehen jeweils zwei Bands auf der Bühne, im Anschluss an das letzte Konzert am 27. September verkündet die Jury die beiden Gruppen, die am 1. Oktober im Finale antreten. Der ZKB Jazzpreis ist mit 15.000 Schweizer Franken für den ersten und 5.000 Schweizer Franken für den zweiten Platz dotiert. Zudem gibt es den ZKB Publikumspreis, der einen Auftritt im Moods bereit hält. Infos

 

26.09. – 02.10.2022 Internationales Frauen* Theater Festival Frankfurt

Das IFTF bietet eine Plattform, in der ein offener Dialog über unterschiedlich geprägte Konstrukte weiblicher Identitäten und ihrer künstlerischen Ausdrucksformen weiterentwickelt und dargestellt werden kann. Unter dem diesjährigen Thema „Feminist Futures“ lädt das Festival zum sechsten Mal zu Workshops, Performances, Theater, Storytelling, Filmen und Videoinstallationen. Natürlich gibt es auch wieder eine Musikbühne, diesmal mit Juliana da Silva & Geovany da Silveira, Diana Ezerex Band, LAVA 303 & Friends Live (Foto), LiLA BAND, einer HipHop-Show mit Baby Shoo, Azisa und Leona Live sowie Tanzmucke von DJ Shaeeriyari & Djane Irinski. Vom 30.09.-01.10. beschäftigt sich ein Symposium mit FEMINIST FUTURES – SelbstKONSTRUKTion von Körper & Identität. Es fragt: Um welche Körper geht es, wenn wir Körper feministisch verstehen, und wie bewegen sie sich durch den Raum? Wie kann der Dialog zwischen Technologie und Geschlecht neue Sprachen in den darstellenden Künsten schaffen? Wie schaffen Künstler*innen eine nachhaltige und vielfältige feministische Zukunft? Infos

 

17. – 25.09.2022 Jazzfestival Freiburg

Das Jazzfestival Freiburg bietet einmal im Jahr ein einzigartiges Programm mit regionalen sowie internationalen Jazzgrößen und Newcomer*innen, es wird gemeinsam von E-WERK Freiburg e.V. und Jazzhaus Freiburg organisiert. In verschiedenen Locations in Freiburg und Merzhausen spielen in diesem Jahr u.a. AYNUR, Carmen Souza Duo, Veronika Harsca, Michelle David & the true tones, Julia Hülsmann Quartett (Foto: Peter Hundert). Es gibt auch einen Pianowettbewerb und eine Hammond Jazz Night. Für die Auftaktveranstaltung, den so genannten „Minigipfel“ am 17. September 2022 werden Bands mit den Stilrichtungen Jazz, Blues, Soul, Acoustic Pop, Folk, Flamenco und Singer-Songwriterdie gesucht, die den Abend musikalisch mitgestalten! Der Minigipfel findet in verschiedenen Kneipen im Stühlinger, Innenstadt und Grün statt. Für die Abschlussveranstaltung in der Urachstraße, dem „Jazz in der Wiehre“ am 25. September (nachmittags) werden vorwiegend akustisch spielende Bands, die komplett ohne Verstärker (Strom) spielen können, gesucht. Infos

 

21. – 24.09.2022 Reeperbahnfestival Hamburg

Das Reeperbahn Festival bietet als Europas größtes Clubfestival jährlich über vier Tage mehrere hundert Programmpunkte rund um die Reeperbahn in Hamburg und zählt zu den wichtigsten Treffpunkten der Musikwirtschaft weltweit. Als urbanes Clubfestival legt das Reeperbahn Festival großen Wert auf die Unterstützung von Newcomer*innen aus der ganzen Welt. Das Musikprogramm deckt mit den vertretenen Musikrichtungen Indie, Pop, Folk, Rock, Singer-Songwriter, Electronic, Hip-Hop, Soul, Jazz und Classical ein breitgefächertes Angebot ab. Dieses Jahr sind wieder unzählige Musikerinnen* am Start, es ist unmöglich alle aufzuzählen. Ein Highlight ist sicherlich das Konzert von Hundreds (Foto: J. Konrad Schmidt); das Geschwisterpaar Eva und Philipp Milner realisieren in der St. Michaelis Kirche ein völlig neues Bühnenprogramm mit String Quartett und Schlagwerk. Außerdem könnt ihr euch auf Mine, Yael, Petrol Girls, Anna Calvi, Billy Nomates, Denise Chaila, Sophia Kennedy, Alyona Alyona, Alysha Brilla, Anna Bassi, Anaïs, Abby Roberts, Batbait, Charlotte Brandi, Christin Nichols, Dana Larkin, Deer Anna, Elena Rud, Evelinn Trouble, Fieh, Female Rage, Kerosin95, Kokoroko, Les Hays Babies, Lime Garden, My Ugly Clementine, Nashi44, Sophia Kennedy, Stella Sommer, Friedberg u.v.w. freuen. Ob Philine Sonny, Lime Garden oder eine der anderen vier Bands den diesjährigen ANCHOR Award gewinnen, klärt sich während des Festivals. Zum Festival gehört immer auch eine Konferenz; neben Meet & Greets und diversen Matchmaking-Events gibt es Panels und Sessions, die sich mit Self-Marketing, Mental Health, Gender Equality, Diversity, PR, Elternsein, Female Music Management, Awareness, Music Streaming, Nachhaltigkeit u.a. beschäftigen. Allerdings sind die Ticketpreise durchaus happig… Infos

 

23. – 25.09.2022 (em)power (e)motion Köln

PROJEKT.KOLLEKTIV und das PROJEKT Q_MUNITY laden nach Köln ein: junge Menschen ab 18 mit Flucht-/Migrationsbiografie und junge Menschen of Colour/BI*PoC sowie Multiplikator*innen und Fachkräfte der politischen Bildung und der rassismuskritischen und queeren Jugendarbeit. Vom 23. bis 25. September 2022 gibt es die Möglichkeit sich zu begegnen und zu bewegen, miteinander zu fühlen, denken, handeln und feiern! Beim Festival sollen politische und kulturelle Räume zusammen gedacht werden und Community-Building ins Zentrum rücken. Es wird lebendig durch eure Mitgestaltung, Autonomie und Expertise und durch gemeinsames Erleben und Gestalten. Nicht zuletzt wollen wir Erfolge feiern, denn trotz aller Widrigkeiten wurde in den letzten Jahren Vieles erschaffen, erkämpft und erneuert, was Anerkennung und den ein oder anderen Tanz verdient! Mit Workshops zum Kennenlernen und Vernetzen, verschiedenen Empowerment-Angeboten, körperorientierten Phasen und Räumen für Input und Diskussion, Kino und natürlich Musik: ein Doppel-Konzert mit Kaleo Sansaa (Foto) und La By’le, danach wird weiter getanzt auf der After-Show-Party mit DJ Genovesa & Gîn Bali im Kölner Stadtgarten! Hier kannst du dich bis 19.09. anmelden. Infos

 

23.09. – 16.10.2022 Landesjazzfestival Schwäbisch-Hall

Das Landesjazzfestival Baden-Württemberg, das jedes Jahr in einer anderen Kommune stattfindet, wird in diesem Jahr von Schwäbisch Hall ausgerichtet. Bei 20 Konzerten geben sich vom 23. September bis zum 16. Oktober über 80 nationale und internationale Künstler*innen die Klinke in die Hand, in diesem Jahr werden z.B. die kubanische Pianistin Marialy Pacheco und die koreanische Sängerin Youn Sun Nah erwartet; letztere wird ihr aktuelles Album „Waking World“ vorstellen, auf dem sie erstmals sämtliche Songs selbst verfasst hat. Solo-Auftritte gibt es u.a. von der norwegischen Kantele-Spielerin Sinikka Langeland. Außerdem dabei: die Jazzrausch Bigband, Jakob Manz & Johanna Summer, Alexandra Lehmler & Matthias Debus, Hattler featuring Fola Dada, Dizzy Krisch & Karoline Höfler u.v.w. Infos

 

29.09. – 30.09.2022 MusicBase Festival Potsdam

Das Festival- und Konferenzprogramm bringt Musikschaffende, Musikinteressierte und Musikfans aus Land und Bund zusammen. Im diesjährigen Hauptquartier dem Potsdamer Freiland werden brennende regionale Fragen mit überregionaler Bedeutung auf Panels, in Workshops und an runden Tischen diskutiert. Zwei Tage, vollgepackt mit Expertentalks, Diskussionen und Workshops, geben Raum für eine kritische Bestandsaufnahme, konstruktiven Austausch und jede Menge neue Ideen und Impulse. Die Themen reichen neben vielen weiteren von Digitalisierung im Flächenland, Nachhaltigkeitsmanagement in der Soziokultur über DIY-Booking und Flinta* in der Musikbranche, die Förderprogramme der Initiative Musik bis hin zu der ewigen Suche nach Musikschullehrer:innen und dem Festivalland Brandenburg. Abgerundet mit Musik aus der Gegend u.a. Naicke & Nawir, Zaazaa, Dackelkontakt, Sidney Busby, Galaxaura und Syndrolin.
Die Teilnahme am MusicBase Festival ist kostenfrei, aber man muss sich vorher auf der Homepage akkreditieren. Infos

 

29.09. – 02.10.2022 Are You Syncopated?! Berlin

Anfang der 2000er Jahre war die Landschaft der Berliner Untergrund-Musikszene breit, wild und sehr lebendig. Zu dieser Zeit entstand eine neue Generation von Swing-Bands, die sich eher aus der Straßen- und Hausbesetzer*innen-Kultur bildeten, als aus der akademischen Jazz-Szene heraus. Diese Bands fütterten mit ihrer Präsenz und ihrer Musik über Jahre eine junge Swingtanz-Szene, die nun Teil eines großen globalen Trends ist. Die Syncopation Society ist das Musikkollektiv dieser neuen Bewegung, das sich auf frühe amerikanische Musik konzentriert, also Swing, Jazz und Blues und deren Verknüpfungen sowohl Europa und den USA, insbesondere nach New Orleans und deren Afroamerikanische Wurzeln. Im Herbst lädt das Berliner Kollektiv ins Ballhaus nach Berlin, zum Swingen, Tanzen, Musik hören, jammen, „workshoppen“ und diskutieren – einer Menge Spaß also! Tagsüber gibt es Bandworkshops zum frühen Jazz, zudem gibt es ein Tagesprogramm zu musikgeschichtlichen Themen und zu Bedeutung und Kontext afro-amerikanischer Musikkultur heute. „Tasters“ vor den Partys führen euch in diverse Tanzstile ein. Das Line-Up lockt mit Konzerten von Meschiya Lake, Nanna Carling, der Toolbox Orchestra (Foto: Susanne Ziese), den Carless Cats, u.a. Nach den Auftritten gibt es Jam Sessions im Sinne der  Jam Cats Sessions, d.h. Musiker*innen und Tänzer*innen feiern gemeinsam. Alle Tanzstile sind erlaubt, „solange ihr auf der Tanzfläche Spaß habt, seid ihr willkommen!“ Das Festival ist Teil des Projekts Swinging Europe. Infos

Autorin: Tina Wolfheimer

„Ein weibliches Genie – ein Unding. (Fehlen von Mut und Persönlichkeit)“ Johann Nepomuk Brischar, Kirchenhistoriker

„Ein männlicher Künstler wird mit 28 zum Genie erklärt und bleibt das dann für Allezeit. Das gibt es bei Frauen nicht.“ Filmemacherin Miranda July (SZ 2017)

Der Begriff des Genies begann ab dem 18. Jahrhundert die ästhetischen Debatten zu dominieren. Er stand einerseits für den aus sich selbst heraus schaffenden Künstler, der die Natur nicht nur nachahmt, sondern vollendet, andererseits für dessen übermenschliche oder göttlich inspirierte Begabung. Diese wurde jedoch nur Männern zugesprochen: Frauen, so die damalige Wissenschaft, könnten lediglich empfangen und nachahmen. Künstlerische Leistungen von Frauen* wurden darum nicht als Zeichen ihres Genies betrachtet, sondern als Spielerei oder frühreife Fingerfertigkeit interpretiert. So gab es durchaus weibliche* Wunderkinder – Maria Anna Mozart und Fanny Mendelssohn sind berühmte Beispiele – diese hatten jedoch als Erwachsene ihre Rolle als Ehefrau und Mutter auszufüllen und wurden nicht in der gleichen Weise gefördert wie ihre Brüder*. Fanny Mendelssohn-Hensel hatte das Glück, dass ihr Ehemann ihre Kompositionstätigkeit schätzte und förderte. Dennoch steht sie auch heute noch im Schatten ihres wesentlich berühmteren Bruders und muss regelmäßig wiederentdeckt werden.

Die zweite Rolle, die Frauen im künstlerischen Schaffensprozess zugesprochen wurde, war die der Muse, ursprünglich ebenfalls antike Gottheiten. Auf die Neuzeit umgedeutet waren sie Quelle der Inspiration, die ihnen jedoch selbst nicht zur Verfügung stand. Frauen*, die Teil der Kunst- und Kulturszene sein wollten, konnten sich diese Rolle zwar durchaus zu Nutze machen und etwa durch Liaison mit berühmten männlichen Künstlern Zugang zum engeren Kreis der „Genies“ ihrer Zeit erhalten. Allerdings setzten sie damit ihre gesellschaftliche Reputation aufs Spiel. Ein berühmtes Beispiel ist Alma Mahler-Werfel, die als Komponistin weiterhin nicht im Bewusstsein der meisten Musikkenner*innen ist, wohl aber als Muse und Femme Fatale.

Paula Modersohn-Becker: Selbstbildnis am Hochzeitstag (1906)

Die Rollenbilder, die man Frauen* zugestand, hatten also ganz praktische Folgen für ihre Entwicklungsmöglichkeiten. Dass es in der Geschichte so wenige Frauen* gibt, die die gleiche künstlerische Qualität erlangen wie ihre männlichen Kollegen, ist also einerseits kein Zufall, dient aber andererseits bis heute als Argument dafür, Frauen* den Geniestatus zu verweigern. Linda Nochlin zeichnet diesen Zusammenhang in einem Artikel von 1971 am Beispiel bildender Künstlerinnen* im 19. Jahrhundert nach. Ein vollwertiger Künstler musste in dieser Zeit mit Aktstudien in Anatomie ausgebildet werden. Aus Gründen der Schicklichkeit war Frauen* der Zugang dazu jedoch verwehrt. Sie mussten sich mit anatomischen Studien an einer Kuh begnügen. Die weiblichen* Aktmodelle selbst – die hier wieder die Rolle des künstlerischen Objekts, also der Muse einnahmen – waren dagegen von der guten Gesellschaft (und erst Recht dem Status als eigenständig kreative Künstlerinnen*) ausgeschlossen. Die ersten Malerinnen*, die Aktbilder malten wie Paula Modersohn-Becker 1906, oder sich gar vom Aktmodell zur Malerin weiterbildeten wie ihre Zeitgenossin Suzanne Valadon, lösten heftige Skandale aus.

Auch die Kritik an dieser Geschlechterverteilung ist aber nicht neu. Schon im 19. Jahrhundert gab es immer wieder Frauen* – zum Beispiel Madame de Staël – die sich selbst als „weibliches Genie“ bezeichneten. Damit revolutionierten sie allerdings nicht den Begriff des Genies selbst, sondern beanspruchten für sich selbst männliche Eigenschaften. Die Koppelung von Genie und Männlichkeit blieb über diesen Umweg also bestehen.

Und heute? Philosophisch wurde der Geniebegriff spätestens in der Postmoderne gemeinsam mit dem Autor für tot erklärt. Die Wissenschaft ist in Punkto Gender viel weiter. Und in der Musikindustrie finden sich heute viele weibliche* Stars. Können wir die Geschichte eines diskriminierenden Begriffs also abhaken?

Lena-Larissa Senge (Foto: Kurt Rade)

Studien und Erfahrungsberichte sagen etwas anderes. Eine Studie aus den USA von 2015 ergab, dass Männer als kreativer eingeschätzt werden als Frauen*, auch wenn sie die selben Ergebnisse präsentieren. Dabei hielten die Studienteilnehmer*innen die Frauen nicht unbedingt für weniger kompetent, sondern sahen den Unterschied in der Tatkraft („agency“), die sie den Männern eher zuschrieben. Gleichzeitig sahen sie die Männer als preiswürdiger an. Sie machten also unbewusst immer noch einen Unterschied zwischen nachahmendem („weiblichen„) Talent und schöpferischem („männlichen„) Genie. Passend zu diesen Ergebnissen arbeitet die Sängerin und Musikwissenschaftlerin Lena-Larissa Senge 2019 heraus, dass genau in den Fächern, in denen traditionell angeborenes Können und Begabung als Voraussetzung für Erfolg gelten – also die MINT-Fächer, Philosophie und alle künstlerischen Fächer – der Gender-Gap besonders groß ist. So liegt bei Dirigent*innen der Gender-Pay-Gap bei 44%, fast doppelt so viel wie im deutschen Gesamtdurchschnitt. Und auch wenn im Bereich Musik inzwischen sehr viele Frauen* tätig sind, stellte die Orchesterstudie des Deutschen Musikrats 2016 fest: zwar ist der Frauenanteil in den deutschen Orchestern inzwischen hoch; je prestigeträchtiger die Stellen jedoch sind, desto höher ist die Männerquote. Weiterhin scheint es also so zu sein, dass wir musikalisches Genie eher Männern zuschreiben – auch wenn wir das heute nicht mehr mit biologistischen Theorien zu rechtfertigen suchen.

Und immer noch setzen wir uns, wenn wir uns für Frauen*förderung in der Musik einsetzen, dem Verdacht aus, wir täten dies auf Kosten der Qualität. Dann begegnen uns Aussagen wie „Es gibt einfach keine „großen“ Komponistinnen oder „Wenn ich die Wahl habe, eine Frau oder einen Mann einzustellen, kommt es mir doch auf die Musikalität an und nicht auf das Geschlecht!“

Fanny Hensel wartet nicht auf die nächste Wiederentdeckung

Wenn wir nicht das alte Bild vom männlichen Genie in unseren Köpfen hätten, würde uns dagegen sofort auffallen: Musik ist eine extrem voraussetzungsreiche und lernintensive Kunstform. Es gibt keinen „großen“ Musiker, der nicht viele Jahre damit zugebracht hätte, sein Instrument zu üben, von den anderen „Großen“ oder ihren Werken zu lernen und der sich um viele andere Belange seines Lebens alleine kümmern muss.

Und es würde uns auffallen, dass die Frage „Warum gibt es keine großen Musikerinnen*?“ eigentlich so formuliert werden muss: „Warum gibt es keine Musikerinnen*, für die sich Musikwissenschaftler*innen, Kritiker*innen, Publikum und die Nachwelt so stark interessieren, dass sie als unabdingbar für die Beschäftigung mit der Musik insgesamt gelten?“ Genau das bedeutet es nämlich, in den musikalischen Kanon aufgenommen zu werden. Dieser Kanon prägt unser Verständnis davon, was „große“ Musik ist, und er prägt uns auch emotional: Musik, mit der wir intensive Erinnerungen verbinden, berührt uns stärker. Und diese emotionale Berührung ist wiederum ein Kriterium dafür, was wir als große Musik bezeichnen. Alle Abweichungen von diesem Kanon müssen gerechtfertigt werden. Und wenn man sich für eine bestimmte Programmwahl rechtfertigen muss, ist das wieder der beste Beweis, dass es sich nicht um große Musik handeln kann.

Billie Eilish wartet nicht auf den Geniestatus

Es ist eine interessante Frage, wie Kunst eigentlich funktionieren kann, jenseits von solchen Kategorien. Wie können wir die Kunst von Vorstellungen wie (göttlicher) Inspiration oder übermenschlichem Genie befreien, aber trotzdem den besonderen Wert erhalten, den sie für uns hat? Wie funktioniert Kunst, wenn sie weder zur reinen vermarktbaren Dienstleistung werden, noch auf Personenkult fußen soll, der grundsätzlich bestimmte Menschengruppen ausschließt?

Wir wollen weiterhin besonders gute Musik hören. Wir wollen uns inspirieren lassen. Wir wollen es Musiker*innen ermöglichen, ihr Leben ihrer Kunst zu widmen, damit auch in Zukunft gute Musik geschrieben, produziert und aufgeführt wird. Und wir wollen das tun, ohne an überkommenen Klischees festzuhalten. Damit das zumindest im Ansatz möglich wird, sollten wir uns der alten Denkmuster bewusst sein, die unsere Vorstellung von „großer“ Kunst prägen, und sie kritisch hinterfragen. Wir sollten Kunst als eine Entfaltungsmöglichkeit begreifen, die zwar lernintensiv ist, aber grundsätzlich allen Menschen offensteht; die wir sehr wertschätzen und die wesentlich zu unserer Lebensqualität beiträgt. Wir sollten uns bewusst sein, dass es kein Zufall ist, wenn uns als erstes weiße, männliche Komponisten und Dirigenten einfallen, wenn man uns nach unseren musikalischen Helden fragt. Und wir sollten uns darauf einlassen, neue Held*innen in unsere Köpfe, und damit auch in unsere Konzertsäle und Clubs aufzunehmen.

(Beitragsbild: Atelierstudien an der Pennsylvania Academy um 1855, Malerinnen* üben Anatomiestudien an einer Kuh.)

Dieser Text erschien zuerst in der Chorzeit vom Dezember 2021. Zweitveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung.

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Anmerkung zum Gendern: Wenn es um Geschlechtszuschreibungen und traditionelle Rollenvorstellungen geht, wurden in den zitierten Diskussionen Gender Minorities nicht eingeschlossen und mitgedacht. Darum habe ich in diesem Kontext das Gendersternchen weggelassen und die Begriffe kursiv gesetzt. Auswirkungen hatten und haben diese Vorstellungen jedoch auf alle Geschlechter. Wenn es um Personengruppen geht, nutze ich darum unser gewohntes Sternchen. Direkte Zitate wurden in der Schreibweise übernommen, wie ich sie vorgefunden habe.