Doch der Reihe nach: Völlig entspannt, fröhlich und freundlich betritt sie die Bühne mit ihren „Jungs“, kurze Ansage und Verbeugung, und los gehts mit einer fetzigen Rocknummer, wo sie gleich mal die Slide Guitar-Künste offenbart, für die sie bekannt ist. Nach der nächsten Nummer, hard & heavy, gibt’s eine Ansage auf Deutsch, und spätestens da hat sie die Leute. Erst mal die älteren Songs – recht hat sie; vom Bekannten zum Unbekannten. Alles klingt rauer und härter als von den Studioaufnahmen gewohnt. Aber ihr sehr melodiöses Songwriting und die guten Backing Vocals-Qualitäten der Band lassen auch die zarter Besaiteten im Publikum das Konzert genießen. Und ein Hochgenuss ist es: Die hübsche Erja ist eine sehr gute Sängerin – sie croont, flüstert, jauchzt, schreit, aber alles so locker und flockig, dass es wirkt, als sei ihr das alles gerade mal so spontan eingefallen. Und die Gitarre: Auch da gibt es nur Daumen nach oben! Gerade, als ich so vor mich hin sinniere, ob es wohl sowas wie eine „typisch weibliche Gitarre“ gibt,  kommt „Slowly Burning“ vom „Stolen Hearts“-Album. Eine langsame Blues-Ballade mit tollem, expressiven Gesang. Und dann das Solo: keine Note ist willkürlich gespielt, in jeden Ton scheint sie hineinzuschlüpfen,  erzählt so die Geschichte in Gefühlen, ein ganzes Leben in einem Gitarrensolo. Gänsehaut – zum Heulen schön – ganz großes Kino!

Aktuelles Album „Another World“ (2019)

Nach der Pause werden hauptsächlich die Songs des famosen neuen Albums „Another World“ geboten, und ihr Sinn für Humor und ihre Entertainer-Qualitäten machen sich in sympathischen Ansagen und kleinen Finnisch-Sprachkurs-Spielchen bemerkbar: Wer hätte gedacht, dass die Zahl Sieben auf Finnisch ähnlich klingt wie „Sex with a Man“? Über den Gag freut sie sich wie ein kleines Mädchen – kein bisschen schlüpfrig, sondern nur süß! Eine feine Ballade gibt’s auch noch mit einem Cover-Song, Jeff Becks „People Get Ready“. Klar, dass das Publikum lautstark Zugaben einfordert, und klar, dass es die bekommt.

Fazit: ein Konzert-Highlight, bei dem ich das Gefühl hatte, eine gute Freundin steht auf der Bühne. Wie sie das hinkriegt – keine Ahnung. Sie ist eben Erja…

Schon immer ist Susan Weinert eigene Wege gegangen. Mit 15 hatte sie ihre erste E-Gitarre, mit 17 den ersten Auftritt mit einer Band, bald auch ein regelmäßiges Engagement, durch das sie Routine darin bekam, die Jazzstandards zu spielen. Das Musikstudium war ihr zu eng, und so suchte sie sich ihre Lehrer selbst, nahm Unterricht bei Jazzgrößen wie John Abercrombie, Mike Stern, Richie Beirach und David Liebman.

Mit ihrem Debüt Album „Mysterious Stories“ (veraBra Records / Intuition, 1992) wagte sie sich dann auf internationales Parkett: sofort nach dem Album-Release meldete sich Jazz-Ikone Mike Mainieri, um Susan Weinert als Gastsolistin für seine damals stilprägende Band „Steps Ahead“ zu verpflichten und Susan eigenes Trio als Opener auftreten zu lassen. Album und Tour brachten der damals 27 jährigen Künstlerin internationale Beachtung ein. Als junge Autodidaktin war sie damals eine Exotin in der Jazzszene: außer ihr gab es nur Leni Stern als prominente Gitarristin. Susan Weinert hat dies jedoch nicht als großen Druck erlebt, sagt sie im Rückblick. Von der gefeierten Jazz-Fusion Gitarristin in den 90er Jahren wandelte sie sich hin zu einer vielbeachteten Protagonistin im akustischen Lager der Nylon-String Gitarristen der neuen Generation.

Inzwischen hat sie rund um den Globus bereits über 3000 Konzerte gespielt, immer wieder in wechselnden Besetzungen gearbeitet und sich auch stilistisch ausprobiert. Eine Konstante ist dabei ihr Mann Martin Weinert, mit dem sie schon seit 1981 zusammenspielt. Beide sind zusammen gewachsen, haben sich immer wieder miteinander über musikalische Streitfragen auseinandergesetzt und sind aktuell bei einem warmen Akustiksound gelandet – mit Kontrabass und Konzertgitarre – der ihr über Jahre entwickeltes Klangideal widerspiegelt. „Ein persönlicher Stil wächst langsam, er entwickelt sich. Einflüsse von außen verschmelzen mit der eigenen intuitiven Energie zu einem unverwechselbaren Ganzen. Reife ich als Mensch, reift die Musik mit“, so beschreibt es die Gitarristin.

Ihre jetzige Band, das „Susan Weinert Rainbow Trio“ versteht sich als „Working Band“, die sich gemeinsam weiter entwickelt und musikalische Ideen in einer intensiven Probenarbeit so lange bearbeitet, bis jeder Ton stimmig ist. Mit dieser Souveränität im Rücken kann sich die Band dann im Konzert von einem vorgefassten Programm freimachen und die Stimmung des Publikums aus dem Moment heraus aufgreifen. Der klassisch ausgebildete Pianist Sebastian Voltz fügt sich in die neue Klangsprache des Ehepaars hervorragend ein, und auch für den Probenprozess – die Suche nach der Klangbalance zwischen Klavier und Gitarre – scheint der junge Kollege ein echter Glücksgriff zu sein. Susan Weinert arbeitet von jeher in ihren Bands nach dem Prinzip: Jeder darf seine/ihre Individualität einbringen.

„Ich bin jemand, der versucht, nie stehen zu bleiben, der immer etwas Neues sucht“, sagt die Musikerin über sich selbst – sie hat den Anspruch, sich immer weiterzuentwickeln. Dabei ruht sie aber sehr in sich, was ihr die Freiheit gibt, nur Dinge zu tun, hinter denen sie auch stehen kann: „Das Leben ist zu kurz für faule Kompromisse – entweder mache ich etwas richtig oder gar nicht.“ (Fotos: Rich Serra)

Am 28.11. ist das Susan Weinert Rainbow Trio in der Reihe Melodiva Club Concerts zu Gast in der Fabrik. Auf der Webseite der Künstlerin sind weitere Informationen zu finden.