Über 156 Bewerbungen gingen beim Female* Producer Prize ein und wurden von einer fünfköpfigen Fachjury begutachtet. Weil die Qualität der Bewerbungen so hoch war, werden in diesem Jahr sieben statt vormals fünf Produzentinnen mit dem Preis ausgezeichnet. Die Finalistinnen erwartet ein Support-Paket, Produktionszuschüsse, Gutscheine für Musikequipment, ein Workshop in den Sony Music Circle Studios sowie eine Eintragung in das Female Producer Register von Sony Music und Neubau Music Management. Bevor sie diesen Preis am 14. September in Berlin entgegennimmt, ist sie beim 3. Nordpark-Festival in Frankfurt live zu erleben.

Erstmal herzlichen Glückwunsch zum wohlverdienten Preis! Wie großartig, dass Du aus über 150 Bewerbungen ausgewählt wurdest! Wie fühlst Du Dich so als „herausragende Produzentin“? Hast Du damit gerechnet, dass Du einen Preis bekommst?

Vielen Dank! Ich fühle mich sehr geehrt, dass ich diesen Preis bekommen habe, und finde es super, dass es so etwas gibt!

Hast Du schon vermehrt Anfragen bekommen, z.B. für Interviews, Jobs oder Kooperationen?

Es gibt ein Interview und Steckbriefe der Gewinner*innen in der Musikwoche von August. Und bei den Jobs und Kollaborationen habe ich auf jeden Fall gemerkt, dass es noch mehr Anfragen gibt und mehr Leute auf mich aufmerksam geworden sind.

Wir hatten in der Vergangenheit ja immer mal Kontakt: Du hast als ganz junge Musikerin bei unserem Mädchen*-Bandprojekt „Bandfieber“ teilgenommen und bist 2017 beim 4. Miezenabend aufgetreten. Wie wichtig waren diese safe space-Projekte für Dich, wenn Du zurückblickst?

Ich war als Jugendliche sehr unsicher mit meiner Musik. Außerhalb von Bandfieber hätte ich mich womöglich erst viel später getraut, in einer Band zu spielen oder mit meinem eigenen Projekt aufzutreten. Für mich war das auf jeden Fall eine wichtige Motivation und ein guter Push.

Wann und wie hast Du mit dem Musikmachen angefangen? Du spielst ja mehrere Instrumente?

Ich komme aus einer musikalischen Familie, da habe ich als kleines Kind schon auf dem Klavier herumgeklimpert und meine Lieblings-Kinderlieder nachgespielt. Mit 10 Jahren habe ich angefangen, Schlagzeug zu lernen, das habe ich dann nach der Schule auch studiert. Aktuell bin ich in den letzten Zügen meines Masterstudiums mit Hauptfach Producing & Composing an der Popakademie und arbeite als selbstständige Schlagzeugerin und Produzentin.

Wir kennen Dich vor allem als Schlagzeugerin von ELDA. Wie kam es dazu, dass Du irgendwann ein Soloprojekt gestartet hast?

Das Solo-Projekt gab es schon, bevor ich bei Elda angefangen habe. Ich habe mich immer in erster Linie als Produzentin und Schlagzeugerin begriffen, und das Solo-Projekt nicht in den Vordergrund gestellt, sondern vorrangig die Projekte von anderen Sänger*innen produziert. Seit dem Lockdown habe ich allerdings auch Lust bekommen, meine eigenen Songs zu veröffentlichen und spiele dieses Jahr auch ein paar Solo-Auftritte.

Wie entstehen Deine Songs?

Das ist sehr unterschiedlich, und meistens kann ich es im Nachhinein gar nicht mehr richtig nachvollziehen. Der Song „Sind wir noch okay“ entstand total unerwartet auf dem Weg zu einer Silvesterparty, da bin ich an einem riesigen LKW-Depot vorbeigelaufen und hatte ein starkes Gefühl von Weltschmerz beim Anblick der vielen still herumstehenden Laster, die täglich unsere Waren transportieren. Die sind natürlich sehr wichtig, aber andererseits war der übermäßige Konsum in unserer Gesellschaft schon immer ein Thema, das mich sehr beschäftigt hat. Da sind mir die Melodie und der Text für den Song in den Kopf geschossen, und ich habe sie als Sprachnotiz in mein Handy eingesungen und dann zu Hause direkt produziert. Meistens „wächst“ der Song dann über ein paar Wochen, in denen ich ihn in großen Abständen anhöre und immer weiter daran herumfeile, bis ich zufrieden bin.

Spielst Du bei Deinen Produktionen alles selbst ein?

Das kommt sehr darauf an. Bei meinen eigenen elektronischen Produktionen programmiere und spiele ich alles selbst ein, die Drums sind bei den aktuellen Songs rein elektronisch. Machmal spiele ich auch noch eine Gitarre, Klavier oder Percussion dazu ein. Im nächsten Jahr möchte ich wieder mehr akustische Drums dazu einspielen. Ich nehme auch Bands auf, da spiele ich dann natürlich keines der Instrumente ein. Manchmal produziere ich Songs mit anderen Produzent*innen zusammen, dann spielen alle verschiedene Spuren für den Song ein.

Ist es aufwendiger, alles selbst zu produzieren und einzuspielen oder macht es alles einfacher?

Sowohl als auch. In der Zusammenarbeit mit anderen Musiker*innen muss man eine gemeinsame Sprache und einen Konsens finden. Das ist ja auch das, was ich sehr daran so mag und immer sehr spannend finde. Es macht aber auch viel Spaß, alleine Musik zu machen und gar keine Kompromisse eingehen zu müssen. Allerdings verliere ich dabei auch manchmal total die Distanz zu meinen Songs, und verheddere mich ein bisschen, weil die Resonanz während des Prozesses fehlt. Die Intros werden dann zum Beispiel manchmal sehr lang. In Zusammenarbeit mit anderern würde ich das nie so machen, aber bei mir selbst fällt mir das meistens erst auf, wenn der Song schon draußen ist.

Die ersten Singles sind schon erschienen: „Mein Gold“, „Spiel“ und zuletzt der Track „Goldgräber“ und „Romanze“. Was willst Du „aufmischen“ mit Deinem Projekt und mit Deinen Lyrics? Erzähl doch mal, um was es in den Songs geht.

Ich glaube ich mische zur Zeit erst mal noch überwiegend mich selbst auf :D.
Ich habe mich lange wie in einer Box gefangen gefühlt und wenig getraut, mich zu zeigen. Jetzt ist das Gefühl von Lähmung umgeschwungen in viel Energie und Lebendigkeit. Es artet auch ein bisschen aus, ich habe ein brennendes Herz und komme schwer zur Ruhe, aber genieße es sehr. „Mein Gold“ zeigt das wahrscheinlich bisher am besten.

 

Der Song „Spiel“ ist ein offensichtliches Liebeslied, da habe ich einer vergangenen Beziehung hinterhergetrauert und versucht das zu verarbeiten.
„Goldgräber“ ist eine Kritik an der Leistungsgesellschaft, auch mit Seitenhieben gegen die Musikindustrie und das Patriarchat. Ich beschreibe das Gefühl, in einem ständigen Hamsterrad-Loop zu sein und wie ein Zombie herumzulaufen, weil die Kräfte von außen einen immer mehr in ihren Bann ziehen.

Mitte August ist die dritte Single-Auskopplung mit dem Titel „Romanze“ erschienen. Das ist ein Sex-positiver Song über Rollenspiele mit Konsens.
Auf lange Sicht möchte ich noch sozialkritischere Musik machen. Idealerweise würde das Leute aufmischen, die meiner Meinung nach festgefahren und auf eine schädliche Art und Weise konservativ sind.

Was bedeutet Musik für Dich?

Ich werde nie müde, mich mit Musik zu beschäftigen, und bin immer wieder erstaunt über Musik, weil ich tagtäglich mit ihr zu tun habe, aber sie gleichzeitig so ein flüchtiges Medium ist. Man kann sie nicht festhalten, und bei jedem Mal, wenn man ein- und dasselbe Stück hört, kann es sich komplett anders anfühlen, das ist zumindest bei mir so. Das macht es auch gleichzeitig so spannend.

Wie hast Du das Producing-Handwerk gelernt?

Ich habe immer vielen befreundeten Produzent*innen über die Schulter geschaut und sie ausgefragt und dann angefangen, mich selbst an den Drums und der Gitarre aufzunehmen. Dann folgten Aufnahmen von meiner Band. Irgendwann habe ich angefangen, akustische mit elektronischer Musik zu mischen und viele Tutorials geschaut. Durch das Masterstudium und das Female-Producer-Collective habe ich noch eine große Menge an Techniken gelernt und Input bekommen.

Du produzierst auch die Musik von anderen Künstler*innen, hast auf dem Album von Poetry-Künstlerin Dshamilja Roshani und der EP von Pop-Sängerin Pieke mitgewirkt. Sind diese auf Dich zugekommen oder wie kam es dazu?

Die sind tatsächlich beide über gemeinsame Freund*innen zustande gekommen. Die Freund*innen haben ein gutes Händchen und haben uns connected, so passiert das im Moment tatsächlich sehr häufig.

Die Preisverleihung findet am 14. September in Berlin statt. Werden wir da auch live was zu hören und sehen bekommen? Und folgt auf die EP eine LP?

Bei der Preisverleihung wird es hauptächlich Workshops geben. Ich arbeite gerade parallel schon an meiner nächsten EP und an meiner live-Performance für Aufmischen. Am 9.9. trete ich auf dem Nordpark-Festival auf, und danach folgen hoffentlich noch weitere Gigs.

Fallen Dir noch weitere Themen ein, über die Du sprechen willst?

Vor allem möchte ich mich bedanken, dass es Melodiva und das Frauen Musik Büro gibt und dass solche Projekte wie Bandfieber ins Leben gerufen wurden!

Das freut uns sehr! Vielen Dank für das Gespräch, liebe Annelie.

(Fotos: Julietta Key)

Aufmischen solo @ Spotify
Prod. von Aufmischen @ Spotify

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Als einer von acht Geschwistern und Tochter einer Putzfrau und eines Lastwagenfahrers war ihr die musikalische Karriere eigentlich nicht in die Wiege gelegt. Aber ihre Kindheit und Jugend im ländlichen Hallingdal und ihre Ausbildung in Musikproduktion in Bergen erwiesen sich als fruchtbarer Boden, um die eigenen musikalischen Fantasien auszuleben. Dabei „nur“ als Sängerin bzw. Songwriterin zu fungieren, kam für sie nicht in Frage; nur wenn sie auch die Produktion übernähme, „gehöre“ das Lied ihr. „I wasn’t interested in playing solos and being technical on the guitar. The synth world was something new – and being good at that gives you a lot of power for yourself, in terms of the kind of expression you want. I never started out picturing what other people might say“, sagt die Norwegerin selbstbewusst über ihre Ausbildungszeit.

In den fünf Songs ihrer neuen EP dreht sich alles um den Verlust ihrer langjährigen Jugendliebe, den Moyka letztes Jahr durchlebt hat. Um die Trauer und den Schmerz und die vielen Leerstellen, die plötzlich entstehen, aber auch um die kreative Energie des Neuanfangs. Dabei ließ sie sich vom Co-Writer Eirik Hella unterstützen, mit dem sie sich mittels eines kleinen, aber feinen Synthie-Equipments austobt. Was ihr geholfen hat, in einer Männerdomäne ihren Weg zu gehen und was ihr als Künstlerin wichtig ist, erzählt sie uns im folgenden Interview.

Foto: Robin Larsen

You grew up in a rural environment, in the Hallingdal Valley in Norway. What music did you grow up with?
I grew up with a lot of pop and rock actually. Things my mom played for me and my siblings. I remember dancing on top of chairs to ABBA, Queen and Madonna in our living room growing up. I also discovered a lot of music myself when I got older and the internet slowly came into my life. 

Later on you moved to Bergen to study music production. What was your experience like at the university and the big city?
It was actually a big change for me. Even though I had a connection to Bergen through my family growing up, it’s something different to move by yourself to a big city compared to where I am from. I got to know new people, and grow as a creative person and I feel like that takes a lot of courage to do. The university was really nice. I became good friends with incredible and talented people and got to do what I loved without consequences the years I went there! 

Have you had any experience in songwriting and music production before?
In high school I wanted to record my own music because I had a spree where I started to make loads of, loads of songs. So I bought myself a starter pack with an audio interface, headset, microphone and a limited music-making-program. When I started to dive more into it and saw what you could actually do, that’s when I decided I wanted to study it and learn more about it. 

What excites you about working as your own producer? What are the pros and cons?
The best thing about it is to get really into it and just try stuff out and learn from it. But sometimes I get really impatient with the process. That’s what makes it really good to produce with the help of other people, too. Then you learn from each other and talk about the direction and ideas which is nice! – get out of your head a little bit! 

How are your songs created, what inspires you?
I find that really hard to answer because it’s very different each time really. But it usually starts with an idea – maybe a word or a sentence with a melody or a sound that inspires a kind of direction. What inspires me most is people and relations. But it’s also very interesting and inspiring for me to write in different places. 

The central theme of your new songs is the loss of a first love and the energy of a new beginning, a really personal matter. Was ist helpful to write about it to become aware of what’s going on?
Yes, definitely. First I didn’t want to write about what I went through because I felt it was so personal. But after a while I realised I couldn’t deny myself to be honest and open about what I was feeling. That’s the most important thing I’ve learned from this process actually. It really came from a painful, but honest place. I was really nervous when I released the first singles because of just that, but it also showed me that there are a lot of people that feels the exact same as me. Which shows it’s important to write about it.

Why do you think is the profession as producer still so male-dominated? 
I think it has a lot to do with that’s how it’s been so many years. There is an imbalance there, so maybe it can be a bit scary to start for girls. I also think it has a lot to do with how we grow up as kids. There are so many things that is “gender defined” from when we are really, really young, which I think is so silly. Just because you’re a certain gender doesn’t mean you’re unqualified to do something. It’s important for women and girls to come forward in those environments to show younger girls that it’s not scary to let out your creativity by producing. The term “producer” has also changed a lot, which means you can make it what you want to yourself. You don’t have to own a ton of equipment to thousands of dollars and have like a big studio and all that. You can do your own thing! 

What could be done to encourage more female songwriters to be their own producers? 
I think the most important thing is to support and front female artists and producers and sound technicians to show younger girls that it’s possible! It’s important to have people to look up to. That has been really meaningful to me growing up. I feel like they do a great job here in Bergen with a thing called AKKS. It helps young girls to get into music. And that is absolutely something the music industry needs!!!!! MORE GIRLS PLEASE.

What are you next steps and wishes for the future?
My next step is to release this new EP of mine! I’m very excited about that. My wishes for the future is that I wish the situation betters for the world and that people have had time to think about what the world can look like post-corona. We have an opportunity to make things better when it comes to the environment, human worth and existence, the fight against racism and the fight towards more diversity. That’s my biggest wish!

 

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