Was war der Anlass für die Gründung der Band?

Der Anlass der Gründung war, dass es uns noch nicht gab und es Zeit wurde, den Planeten mit unserer Existenz zu bereichern und zu verschönern!

Eine Klarinettistin wollte nicht mehr alleine spielen und fragte ihre Lehrerin Georgia Hoppe, ob sie nicht eine BigBand leiten wolle. Wollte sie, und hat dann eine Rhythmus-Fachfrau als Co-Leiterin ins Boot geholt, Alphabertha (Annette Kayser). Nach einigen Jahren folgte BertChen (Frauke Wessel) auf Georgia.

Gibt es Mitglieder die schon 20 Jahre dabei sind?

Ja, sogar 5! B.R.Tha, Betra, Bärte, Camembertha und Alphabertha. Wobei Camembertha, die immer extra aus Kiel angereist kommt, zwischendurch mal ausgestiegen war; das hat sie aber nicht ausgehalten und kam nach einer Weile zu uns zurück.

Hat sich bezüglich der Größe und des Bandalltags einiges verändert in diesen 20 Jahren?

Ja, wir sind jetzt 20 Jahre älter, schöner, klüger. Wir spielen deutlich besser, sind aber bei Proben immer noch ein anarchistischer, manchmal undisziplinierter Haufen.

Die Größe ist etwa konstant geblieben, und der „Bandalltag“ auch,- wobei eigentlich immer Feiertag ist, wenn wir uns treffen. Wir treffen uns 2mal monatlich für Probe mit Leiterin; außerdem an 1 bis 2 Probentagen und einem Workshop-Wochenende jährlich. Und natürlich bei Auftritten. Und bei unserer traditionellen Weihnachtsfeier, wo IMMER „Rudolf, the red nose reindeer“ gespielt werden MUSS. Das wurde schon vor 20 Jahren in der Jahres-Endzeit gespielt!

Wir sind unfassbar viele und haben einige Rückkehrerinnen, die nach einer Pause wieder bei uns sind. Geil, näch! Unser Gruppengefüge ist glücklicherweise ziemlich stabil. Einige treffen sich auch außerhalb der Band, sind befreundet, gehen in Konzerte, in Ausstellungen, feiern Geburtstag oder knacken auch mal einen Konflikt durch viel Feingefühl im Hintergrund… Wir proben immer noch genauso fleißig, schaffen aber in der gleichen Zeit weniger. Dafür sind wir, wenigstens manchmal, doch präziser und überhaupt noch viel besser als früher!!!

Gibt es bestimmte Kriterien, wer mitspielen darf?

Die Frau muss natürlich Bertha heißen! Sie muss nett sein, sie muss alt genug sein und natürlich muss sie gut spielen können und Rhythmusgefühl haben… und mit Geige hat man eher schlechte Chancen, aufgenommen zu werden. 

Wie setzt sich eure Band zusammen, sind es Frauen verschiedenen Alters?

Naja, unser Küken ist gerade 50 geworden. Dann geht’s steil aufwärts bis gegen Ende 60.

Wie entsteht euer Repertoire, wer sucht die Stücke aus?

Jede kann Stücke einbringen, dann wird abgestimmt. So sind zum Teil unterschiedliche Stücke zusammengekommen. Unser Repertoire ist höchst vielfältig und beinhaltet eher weniger traditionelle BigBand-Stücke. Die Bandbreite erstreckt sich von Swing über Latin und Folk bis zu Klezmer, Filmmusik und Neue Deutsche Welle. Viele unserer Arrangements sind von Berthen selbst geschrieben! Manchmal beauftragen wir auch jemanden oder jemand möchte was für uns schreiben. Unser Repertoire ist ziemlich groß und eine Wundertüten-Mischung!

Wenn ihr auf eure Geschichte zurückblickt: Was waren die besten Momente in den 20 Jahren BigBandBerthaBlau?

Wenn bei Proben ein neues Stück plötzlich zu “klingen” anfängt. Wenn bei unseren Auftritten das Publikum tanzt. Wenn am Ende des Auftritts der Saal tobt. Wenn wir bei unserem Workshop-Wochenende abends bis in die Puppen zusammensitzen und bei sehr viel Wein, Weib und Gesang die kreisch-lustigen und die traurigen Momente des Lebens miteinander teilen.

Wenn es auf der Bühne so richtig funzt, Zusammenhalt, viel gemeinsames Lachen. Die Band-Wochenenden im Wendland! Meine besten Momente waren z.B. während der Corona-Zeit das Proben in der riesigen superschönen Scheune in Neritz/ Wendland. Und letztes Jahr der Auftritt auf der Opernbühne in Kiel mit super Technik!

Wenn wir einen Hit aus unserer Jugend spielen und das Publikum hellauf begeistert ist, z.B. ein Stück von Weather Report, Michael Jackson, New Wave, eine Krimimelodie, Swing, den mein Vater bewundert hat oder von Ella Fitzgerald, die meine Mutter geliebt hat. Als wir in der Fabrik in Altona ein Kurzprogramm – neben anderen Stars – gespielt haben, ein Ort, an dem in meiner Kindheit sonntags zum Frühschoppen Oldtime-Jazz gespielt wurde, später internationaler Rock, Pop und Jazz. Da war ich so berauscht und habe oben zur Galerie geguckt und dann beinahe vergessen weiterzuspielen. Das Tollste war, als ich zu einem Konzert in einer anderen Stadt gefahren bin und meine gesamten Becken zu Hause hab stehen lassen. Unverschämtes Glück: Wir spielten in einer Musikschule und da konnte ich mich einfach bedienen.

Die besten Momente waren unsere alljährlichen Übungstage in Tüschau, weil wir dort in unsere Musik tiefer einsteigen als bei den Proben und gleichzeitig die Kontakte untereinander stärken und verbessern konnten. Und die Tatsache, dass bei den Konzerten in letzter Zeit das Publikum fast die ganze Zeit getanzt hat- heißt, dass wir nicht nur uns selbst, sondern auch unser Publikum mit unserer Musik erfreuen und bereichern können. Das beglückt mich sehr.

Seid ihr nach so langer Zeit immer noch aufgeregt vor Konzerten?

Ich bin manchmal aufgeregter als früher. Vielleicht kommt die Altersruhe, die Gelassenheit, ja noch. Aber ohne Lampenfieber würde ich auf keine Bühne gehen. Das macht ja Spaß. Und wenn es nicht zu viel ist, bringt es ja die notwendige Konzentration und Spannung.

Ja, nein, vielleicht? Ist wohl individuell verschieden.

Wie werdet ihr das Jubiläum feiern?

Zwei Konzerte, eins in Kiel, das zweite – das eigentliche Geburtstags-Konzert – am 11.11. um 19:30 Uhr im Goldbekhaus. Krachend, mit guter Laune und dem besten Publikum von allen!

Was plant ihr für die Zukunft?

Für die nächsten Jahre weiterhin steht erstmal an, zusammen Spaß haben, unsere Dompteusen immer mal wieder zur Verzweiflung treiben und so auf Trab zu halten, aber vor allem zur Verschönerung der Welt (optisch und akustisch) beizutragen. Nochmal 20 Jahre. Mindestens! Einfach weitermachen, so lange es geht und zwischendurch Kaffee trinken.

BigBandBerthaBlau sind:

Klarinetten: Bertinette Holzmann, BerthaLia Schreiber, Camembertha Wittig, Allibertha Ehnes
Sopran-Saxophon, Gesang: Bärta Ede
Alt-Saxophon, Flöte: Bertine Sander, Roberta Tammen, Bertrud Svensson
Tenor-Saxophon: Betra Neufeldt, Gilberta Peper, Brombeerta Lemcke
Bariton-Saxophon: Bert Walther; E-Bass: Liberta Jürs II.
Schlagzeug: Engelbertha Dietz, Kuniberta Koenen
Perkussion: Sabertha Mommert, B.R.Tha Stüben
Leitung: BertChen Wessel, Alphabertha Kayser

Großes Jubiläumskonzert 11.11.2023 – 19:30 Uhr
Hamburg, Goldbekhaus

AK 20,- / 10,-| VVK 17,- / 10,- | Tickets | Infos Vorverkauf

Infos

Autorinnen: Mia Grabow, Mane Stelzer

„Turnus“ (2015) hieß das erste Album der 1984 geborenen Kölner Jazzbassistin und Komponistin und ihres gleichnamigen Quartetts, 2017 folgte „Pivot“. Die Presse war begeistert, die Zeitschrift Jazzthing lobte Entzians Kompositionen, weil sie „die Balance zwischen improvisierender Offenheit und rahmender Struktur wahren“, das österreichische Musikmagazin Concerto entdeckte „nuancierte Eleganz“ und „pointierte, songhaft prägnant verdichtete musikalische Intelligenz“. Parallel zu ihrer Arbeit mit dem Quartett begann Entzian, Kontakte zu bekannten Großformationen zu vertiefen und für Bigbands zu komponieren (WDR-Bigband, Metropole Orkest). 2018 wurde sie mit dem WDR Jazzpreis in der Sparte Komposition ausgezeichnet und stellte, mit Blick auf die nächste geplante CD-Produktion, ihr eigenes Traum-Ensemble Hendrika Entzian+ zusammen.

 

Den Kern der 17köpfigen Bigband bilden ihre Quartett-Partner Matthew Halpin (sax), Simon Seidl (p) und Fabian Arends (dr). Hinzu kommen Sandra Hempel, mit der sie bereits die erste CD aufnahm, Shannon Barnett, Heidi Bayer, Theresia Philipp und weitere Musiker. Im Dezember 2018 versammelte sich die Bigband schließlich im Kölner Loft-Studio, um die Musik für das Album „Marble“ (Marmor) aufzunehmen. Was sie an der Großformation reizt, erzählt sie uns im folgenden Interview.

Frühere CD-Produktionen hast Du mit Deinem Quartett aufgenommen, „Marble“ ist jetzt das erste Album von Hendrika Entzian+ – einer Großformation von 17 Musiker*innen. Gleich mal vorneweg: wie ist die Idee dazu entstanden?

Ich schreibe schon seit langem für große Besetzungen und auch Bigband und so hat sich über die Jahre Material angesammelt, was ich unbedingt mit einer eigens dafür zusammengestellten Band aufnehmen wollte. Einfach um diese Musik festzuhalten und auch musikalisch Platz für Neues zu schaffen.

Wie hast Du 2018 die Musiker*innen für das Projekt gewonnen, waren das alles Bandkolleg*innen aus anderen Projekten?

Mit allen Bandmitgliedern verbindet mich eine musikalische Vergangenheit, sei es, dass man sich in anderen Projekten begegnet ist oder auch einfach mal zusammen gejammt hat. Es fühlt sich sehr gut an, mit diesen Musiker*innen auf der Bühne zu stehen und ich freue mich sehr darauf, endlich wieder mit der Band spielen zu können.

Foto: Josef Leitner

Das Quartett ist ja quasi wie ein 4er, eine kleines und wendiges Ruderboot, die Bigband eher behäbig wie ein großes Schiff. Was reizt Dich an der Bigband im Gegensatz zum kleinen Ensemble?

Mich fasziniert das Schreiben, was natürlich in einem großen Ensemble einen viel größeren Anteil hat als in einem Quartett. Mit einer Bigband kann man eine riesige Bandbreite an Klangfarben erzeugen und muss immer die Gesamtdramaturgie im Blick behalten. Das Schreiben ist ein sehr langwieriger Prozess, gleichzeitig aber auch sehr befriedigend, wenn die Musik live gespielt wird.

Einige Stücke auf dem Album sind Werke aus Deinem Quartett-Repertoire. Wie bist Du da rangegangen: hast Du die Stücke ganz neu auskomponiert oder viel der Phantasie Deiner Bandkolleg*innen überlassen? Ich stelle mir das schwierig vor, Improvisation in so einer großen Band Raum zu geben?

Man kann es sich vielleicht so vorstellen, dass die Stücke im Kern sie selbst geblieben sind, aber für die große Besetzung noch einmal komplett auseinandergenommen und wieder neu zusammengesetzt worden sind. Manche Aspekte aus der Kernkomposition habe ich ausgeweitet, anderes ist verschwunden und es gibt auch ganz neue Wendungen. Für die Improvisatoren habe ich Räume geschaffen und versucht, Komposition und Improvisation organisch ineinander übergehen zu lassen.

Du stehst ja bei Hendrika Entzian+ nicht mehr am Kontrabass, sondern als Dirigentin/Bandleaderin vor dem Ensemble. Wie fühlt sich das an?

Für mich war das der richtige Schritt, da ich vor der Band anders zuhöre, als wenn ich selber Bass spiele. Auch die Probenleitung und wie man vor der Band agiert, beeinflusst ja in großem Maße den Gesamtsound, weswegen ich das gerne selber machen wollte. Mit Matthias Akeo Nowak habe ich ja einen fantastischen Bassisten in der Band, und ich könnte mir die Musik gar nicht anders vorstellen.

Der VÖ-Termin des Albums war ja für Ende April angesetzt und ihr wolltet das Album auf einer Tour im Mai vorstellen – dann kam die Corona-Pandemie. Was hat das für Euch bedeutet?

Von unseren geplanten 5 Release-Konzerten hat tatsächlich kein einziges stattfinden können, was sehr traurig war, da natürlich eine Menge Herzblut und Arbeit in diesem Projekt steckt. Ich habe mich zusätzlich auch verantwortlich für die Gagenausfälle meiner Mitmusiker gefühlt, was mir natürlich sehr leid tut. Ich hoffe sehr, dass wir die Konzerte nächstes Jahr nachholen können (so ist es jedenfalls geplant), es hängt aber neben der Pandemie-Lage auch von öffentlichen Förderungen ab, die wir für dieses Jahr zugesagt bekommen hatten, und es ist noch nicht sicher, ob man sie ins nächste Jahr rüber retten kann.

Unsere CD „Marble“ ist aber trotzdem wie geplant am 25.4 erschienen und es fühlt sich trotzdem gut und richtig an, den Release trotz allem nicht verschoben zu haben!

 

Wie bist Du/seid Ihr mit den Widrigkeiten umgegangen? Und was bedeuten die Corona-Abstandsregelungen für Eure Band? Könnt Ihr überhaupt als Großformation proben?

Proben mit großen Bands war bisher nicht möglich, wir haben während der gesamten Zeit nicht zusammengespielt. Leider kann man auch noch nicht so wirklich absehen, wann es weiter gehen kann.

Birgt diese Krise auch Chancen?

Ich denke ja. Die Kunst ist es wahrscheinlich, die Chancen zu sehen, die Zeit zu nutzen und es zu schaffen, bei allem positiv zu bleiben.

Wie geht es bei Dir weiter?

Ich schreibe schon an neuer Musik, die man hoffentlich dann spätestens nächstes Jahr hören kann. Zusätzlich arbeite ich an einer Interview-Serie für das Magazin Jazzfacts (Deutschlandfunk), wo man ab jetzt jeden Monat einen kleinen Beitrag von mir hören kann.

CD „Marble“ (VÖ: 24.04.2020), erhältlich beim Label Traumton oder auf Bandcamp

Lineup: Julian Bossert: alto saxophone, flute (lead) | Theresia Philipp: alto saxophone, clarinet | Matthew Halpin: tenor & soprano saxophone | Sebastian Gille: tenor saxophone, clarinet | Heiko Bidmon: baritone saxophone, bass clarinet | Andy Haderer: trumpet, flugelhorn (lead, except for Marble pt. 2 & Stapel) | Felix Meyer: trumpet, flugelhorn (lead on Marble pt. 2) | Bastian Stein: trumpet, flugelhorn | Heidi Bayer: trumpet, flugelhorn | Klaus Heidenreich: trombone (lead) | Shannon Barnett: trombone | Janning Trumann: trombone | Jan Schreiner: bass trombone | Simon Seidl: piano, fender rhodes | Sandra Hempel: guitar | Matthias Akeo Nowak: bass | Fabian Arends: drums as guest | Lorenzo Ludemann: lead trumpet on Stapel

Titelbild: Stefanie Marcus