Noch heute sind Schwangerschaftsabbrüche nach §218 StGB eine Straftat. Diese Regelung im Strafgesetzbuch entmündigt Betroffene und verweigert ihnen eine selbstbestimmte Entscheidung. 150 Jahre Kriminalisierung haben außerdem ein gesellschaftliches Tabu geschaffen. Zusammen mit 120 Organisationen forderte das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung darum am Samstag in einem Aktionstag: Der Schwangerschaftsabbruch muss aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden!

In über 40 Städten forderten die Bündnispartner*innen:

  • In der Familienplanung müssen Menschen selbstbestimmte Entscheidungen treffen können – eigenständig, partnerschaftlich und unabhängig vom Einkommen.
  • Wir brauchen einen kostenfreien Zugang zu Verhütungsmitteln. Die Erforschung von Verhütungsmitteln für Männer muss finanziell gefördert werden.
  • Eine geschlechter- und kultursensible Sexualaufklärung für alle muss umgesetzt werden.
  • Menschen, die sich in einer Konfliktsituation für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, brauchen Zugang zu Informationen und einer wohnortnahen, guten medizinischen Versorgung – das gilt ambulant wie stationär.
  • Deshalb müssen Länder und Kommunen dafür sorgen, dass Krankenhäuser, die öffentliche Mittel erhalten, Schwangerschaftsabbrüche als Grundversorgung anbieten.
  • Schwangerschaftskonflikte gehören nicht ins Strafrecht. Die §218 und §219a müssen aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden. Wir brauchen eine Neuregelung des Rechts auf einen selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruch.

Und der nächste Aktionstag ist bereits in Planung: im September versammeln sich Christliche Fundamentalist*innen jedes Jahr zusammen mit führenden Mitgliedern der AfD am Bundeskanzleramt in Berlin, um von dort ihren so genannten „Marsch für das Leben“ zu beginnen. Sie fordern das totale Verbot des Schwangerschaftsabbruchs und die Bestrafung von Frauen sowie daran beteiligten Ärzt*innen. Nach ihrem Weltbild ist ein Schwangerschaftsabbruch „vorgeburtliche Kindestötung“ und Mord. Sie sprechen von „Babykaust“ und relativieren damit den Holocaust. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Verbote von sicheren Abtreibungen führen zu mehr unsicheren Abtreibungen mit hohem Risiko für Schwangere. Weltweit erhobene Daten des Guttmacher Instituts belegen dies eindrucksvoll. Darum ruft das Bündnis wie jedes Jahr zu Kundgebungen am Brandenburger Tor gegen den so genannten „Marsch für das Leben“ auf: Der 28.09. wird wie in den letzten Jahren ein Aktionstag zum Safe Abortion Day

Neben den Aktionstagen läuft über das ganze Jahr eine Online-Kampagne, die zum Beispiel in den sozialen Netzwerken mit den Hashtags #wegmit218, #1505 und #150JahreWiderstand das Thema sichtbar machen sollen. Die Forderungen werden zudem in einer Petition direkt an die Politik gestellt, die ihr weiterhin unterzeichnen könnt. Es sind bereits über 40.000 Unterschriften zusammengekommen, das nächste Zwischenziel ist die 50.000-Marke.

Ein weiteres wichtiges Standbein der Kampagne ist der Zugang zu seriösen Informationen zum Thema Schwangerschaftsabbruch, die wegmit218.de bereitstellt. Denn wer aktuell versucht, sich über eine mögliche Abtreibung klar zu werden, landet leicht in der Parallelwelt der selbsternannten Lebensschützer. Dies liegt nicht zuletzt am §219a, der es Ärzt*innen verbietet, über Leistungen zum Schwangerschaftsabbruch zu informieren, die sie selbst anbieten. Die Informationen hat fragdenstaat.de für alle zum Verbreiten bereitgestellt. Denn die einzigen, die nach Paragraf 219 a StGB nicht über Schwangerschaftsabbrüche informieren dürfen, sind absurderweise die Ärzt*innen, die sie durchführen.

Aber nicht nur Informationen über Statistiken und Paragraphen sind wichtig, um die gesellschaftliche Stellung sexueller Selbstbestimmung zu verbessern: Um gegen die Stigmatisierung von Menschen, die einen Schwangerschaftsabbruch hinter sich haben anzukämpfen, müssen auch Narrative verändert werden. Einen eindrucksvollen Beitrag dazu leistet das Bündnis, indem es unter dem Stichwort „Mein Abbruch“ Erfahrungsberichte sammelt. Die sehr persönlichen Geschichten zeigen: Du bist nicht allein! Jede vierte Frau in Deutschland hatte schon einmal einen Abbruch. Und wir sollten alle mehr darüber sprechen. 

Melodiva macht mit – Playlist für sexuelle Selbstbestimmung

Wir Melodiven sind davon überzeugt, dass wir nicht nur über Abtreibung sprechen, sondern auch singen müssen, um das Stigma und das Tabu loszuwerden. Und auch hier ist es nicht leicht, vorzusortieren. Immer wieder haben sich Künstler*innen auch musikalisch einfühlsam und eindrücklich mit dem Thema auseinandergesetzt – aber die gezielte Suche nach solchen musikalischen Statements ist schwierig, denn auch die antifeministische Propaganda hat musikalisch aufgerüstet. Bei Wikipedia gibt es zwar eine englischsprachige Liste von Songs über Abtreibung – unter den ersten Einträgen dort finden sich jedoch bereits Titel wie „Abortion Is a Crime“ und „Abortion Is Murder“. Wir wollen dagegensetzen: Wir brauchen den feministischen Soundtrack zur sexuellen Selbstbestimmung! Habt ihr Lieblingssongs, die sich mit Abtreibung auseinandersetzen? Wisst ihr von musikalischen Reflektionen über Nicht-Mutterschaft? Schickt uns eine Mail an ed.av1728102108idole1728102108m@gni1728102108zteab1728102108.aira1728102108m1728102108 mit dem Betreff „Songs für Selbstbestimmung“ Wir sammeln sie und tragen damit hoffentlich dazu bei, dass der §218 keinen weiteren runden Geburtstag mehr erlebt. Damit sexuelle Selbstbestimmung in Zukunft einfach zum Leben dazugehört.

DDF-Dossier: § 218 und die Frauenbewegung

Das Digitale Deutsche Frauenarchiv hat ein umfangreiches Dossier zusammengestellt, das zeigt: der Kampf für ein Recht auf den eigenen Körper wird schon lange geführt. Wie ein roter Faden zieht sich der Kampf gegen den § 218 durch die Frauenbewegungsgeschichte. Das Dossier begleitet durch unterschiedliche Zeiten und politische Systeme, stellt Akteurinnen und Argumente vor und führt durch verwobene Debatten zu der Frage: Sind 150 Jahre Widerstand nicht genug?

Laufend aktuelle Infos zum mitmachen bei weiteren Aktionen gegen den §218 und §219a findet Ihr unter https://wegmit218.de/mach-mit/

Grafiken: mehralsdudenkst.org

Fotos: Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung – Aktionen in Mainz und Frankfurt