Ergebnisse der Umfrage zur Gendergerechtigkeit in der deutschen Jazzszene veröffentlicht
Lange Zeit wurde die Jazzszene in Deutschland und weltweit von Männern dominiert. Mit Zahlen belegt und damit Aufmerksamkeit für diese Situation geschaffen haben vor allem die Jazzstudie 2016 und die Nachauswertung „Gender.Macht.Musik.“ der Deutschen Jazzunion. Zwar spielen inzwischen viel mehr Frauen auf Festivals und in Jazzclubs als noch vor zehn Jahren – auch an Saxophon oder Trompete, am Kontrabass oder Schlagzeug. Dagegen sind Dozentinnen für Instrumentalunterricht in der Jazzausbildung an deutschen Hochschulen noch immer eine große Ausnahme. In einem Forschungsseminar am Institut für Musikwissenschaft Weimar-Jena hat sich eine Gruppe von Studierenden mit den Hintergründen dieser genderspezifischen Ungerechtigkeiten im Jazz beschäftigt und eine Online-Umfrage zur aktuellen Situation in der deutschen Jazzszene konzipiert, deren Ergebnisse nun vorliegen. An der Umfrage haben sich deutschlandweit 136 Jazzmusiker*innen beteiligt, darunter 44 Studierende. Die Umfrage bestätigt die Ergebnisse früherer Studien und gibt vertiefende Einblicke auf ganz konkrete geschlechtsspezifische Benachteiligungserfahrungen: Vorurteile, Stereotypen, schlechtere Arbeitsbedingungen, Prekariat durch Mutterschaft, Mangel an Präsenz von Frauen in der Szene z.B. in Jurys, Hochschulen, Bigbands und Schlüsselpositionen, offen sexistisches Verhalten bis zu sexuellen Übergriffen – auch im Hochschulkontext. Ein positives Ergebnis war: es gibt eine wachsende Sensibilität für Fragen der Geschlechtergleichstellung insbesondere unter jüngeren Jazzmusiker*innen. Die Ergebnisse deuten aber auch darauf hin, dass es bei manchen Fragen noch Diskussions- und Handlungsbedarf gibt. Deshalb plädieren die Autor*innen für eine
Fortsetzung der Debatte um Gendergerechtigkeit im Jazz, eine weitere Sensibilisierung der Akteur*innen, insbesondere für sexistisches Verhalten, sowie eine Diskussion der Forderungen und Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen im Jazz, wie sie bereits 2018 von der Deutschen Jazzunion formuliert worden sind. Man könne z.B. Frauen explizit zu Workshops und Jam Sessions einladen und dadurch die Hürde, sich innerhalb der Szene zu vernetzen, zu senken. Musikerinnen könnten durch individuelle Förderung empowert werden. Auch das Thema Mutterschaft und die besondere Situation von Sängerinnen, latent rassistische Einstellungen auch im Jazzumfeld, die schlechte Vergütung von Auftritten, Missstände in der Ausbildung sowie Probleme bei der Vereinbarkeit von Musiker*innenberuf, Care-Arbeit und Freizeit sollten mehr in den Blick genommen werden. Die Studienergebnisse können hier heruntergeladen werden.