Angélique Kidjo live in Dortmund (22.06.2022)

Ich hetze durch die belebte Brückstraße, wo Dortmund sich in seiner ganzen Diversität zeigt, und komme gerade noch rechtzeitig im Konzerthaus der Stadt an, wo ein zu 99% weißes Publikum auf das Konzert von „Africa’s premier diva“, wie US-Magazin Time sie 2007 nannte, wartet. Im letzten Jahr ernannte sie dasselbe Magazin zu eine der 100 einflussreichsten Personen weltweit.

Weltstar Angélique Kidjo setzt sich für Fair Trade, für Frauenrechte und gegen Waffen ein. Ihre Lieder enthalten oft eine starke politische Botschaft. So auch an diesem Mittwochabend im Konzerthaus Dortmund, wo die mehrfache Grammy-Preisträgerin eine Deutschland-Programm-Premiere präsentierte. Die Sängerin aus Benin trat im ausverkauften Haus in Begleitung eines kompletten Symphonieorchesters auf.

Kidjo betritt die Bühne in einem bunten Hosenanzug mit afrikanischem Muster und einem Oberteil mit Glockenärmeln. Diese kommen im Laufe des Konzerts gemeinsam mit ihrer Trägerin in jede Menge Schwingung – und stehen in starkem Kontrast zu den schwarz bekleideten Musiker*innen des Orchesters Neue Philharmonie Westfalen, die hinter ihr auf der Bühne in üblicher Orchester-Disziplin steif auf ihren Plätzen sitzen und ihren Partituren folgen.

Der Abend beginnt mit einem symphonischen Intro, zu dem sich der Klang einer Gitarre gesellt, bevor die tiefe Stimme der Sängerin das Konzert eröffnet. Als zweites Stück wählt sie eine ganz eigene Interpretation der Arie „Summertime“ aus dem Gershwin Musical Porgy und Bess – passend zur Location, denkt man vielleicht. Außer, dass sie das bekannte Stück auf Fon singt und am Ende des Songs das Publikum auffordert, das Orchester zu ignorieren, aufzustehen und zu tanzen. Und sie macht es vor, legt ein paar Agbadja-Schritte – aus einem traditionellen Tanz aus Benin – aufs Parket, dreht sich zur Musik. Doch für das Publikum ist es noch zu früh. Kidjo muss noch ein halbes Dutzend Songs performen und das Publikum zum Mitsingen bringen, ehe die Menschen im Saal in die Hände klatschen, mitmachen und am Ende auch aufstehen und sich ein wenig bewegen.

Die Sängerin präsentiert an diesem Abend 16 Songs und eine Zugabe, alle gesungen in westafrikanischen Sprachen, bis auf den Jazzstandard „Petite Fleur“, den sie auf Französisch singt, und den Miriam-Makeba-Hit „Malaika“ auf Swahili. Neben Eigenkompositionen, die alle eine politische Message transportieren – es geht um Frauenrechte, um Bildung, um Krieg und Frieden, singt sie auch ein westafrikanisches Wiegenlied und versieht Santanas „Samba Pa Ti“ mit einem Songtext auf Yoruba. Und natürlich darf auch ihr Welthit „Agolo“ aus dem Jahr 1994 nicht fehlen. Für mich klingt dieser Song mit Orchestermusikbegleitung allerdings etwas seltsam und ich muss zugeben, dass mir die Originalversion besser gefällt. Hier, wie auch bei einigen anderen Songs wird die Stimme der Sängerin von der gewaltigen Orchestrierung leider verschluckt. Am schönsten fand ich eine Ballade, die ganz ohne Orchester auskam. Nur Kidjos Stimme begleitet von David Laborier an der Gitarre. Da kam die tolle Stimme dieser wunderbaren Sängerin zur vollen Geltung.

So schade, dass dies so wenig Menschen aus der Nordstadt hören konnten.

Tina Adomako

23.06.2022

Tutu Puoane begeisterte bei den Hildener Jazztagen (19.08.2021)

Tutu wer? Auch mir war der Name der Jazz-Sängerin bis zu ihrem Auftritt bei den 25. Hildener Jazztagen kein Begriff. Dabei ist die Südafrikanerin seit langem eine der eindringlichsten Stimmen der zeitgenössischen Musikszene in den Benelux-Ländern.

In Pretoria geboren und aufgewachsen, studierte sie später Jazz-Vocals an der University of Cape Town, ehe sie 2002 nach Holland wechselte, um ihre Gesangsausbildung am Königlichen Conservatorium von Den Haag fortzusetzen. In Südafrika war sie zu diesem Zeitpunkt schon bekannt. 2004 gewann sie dort den renommierten Standard Bank Young Artist of the Year Award. Auch bei unseren Nachbarn in den Niederlanden und Belgien ist sie eine feste Größe in der Jazzszene.  Dort tourte sie vor Corona mit ihrem The Joni Mitchell Projekt, mit den einzigartigen Songs und Texten der kanadischen Sängerin, die sie auf eine persönliche Art und Weise interpretierte.

Für Hilden wählte sie nun ganz neue Songs aus. Das Publikum kam in den Genuss noch nicht veröffentlichter Kompositionen der Sängerin, in denen sie Gedichte der südafrikanischen Performance-Künstlerin und Aktivistin Lebogang Mashile vertont. Ob dieses Programm die richtige Wahl für das Hildener Publikum war? Wären Joni-Mitchell-Songs vielleicht besser gewesen? Immerhin ging es in den Songs sehr viel um Themen rundum Black Lives Matter. „Being African is being part of an unseen force“, sang Tutu zur Eröffnung. Während das Publikum frierend in Parkas und Steppjacken auf auf Abstand gehaltenen Plätzen saß, trat die Sängerin in einem luftigen Jumpsuit auf – und präsentierte Songs, die nicht gerade dazu geeignet waren, eine wohlige Wärme zu verbreiten. Es ging um Vorurteile, um Ungerechtigkeiten, um das Schicksal von Menschen, die in einer „suicidal skin“ leben. Insbesondere ging es in den Songs auch um das Schicksal Schwarzer Frauen, die ihre Schönheit nicht sehen, sich die Haare glatt ziehen und trotzdem der Gesellschaft nie genügen. „Open your eyes“ singt sie emotional in ihrem zweiten Stück, öffnet eure Augen für die Ungleichheiten, und scheint den Tränen nahe zu sein, als sie diesen Song mit der Frage schließt: „When will it end?“

Dazwischen geht es aber auch etwas leichter zu, etwa wenn sie im Duett mit ihrem Pianisten Ewout Pierreux die liebliche Ballade „You and I“ singt, wenn sie ihre Stimme zum Instrument werden lässt, das die ganze Bandbreite der Töne einer Posaune nachahmt, oder wenn sie im beeindruckenden Scat-Gesang Laute der Xhosa-Sprache mit einfließen lässt, und das Publikum auffordert, ausgerechnet diese Stellen mitzusingen. Für mich als Schwarze Zuhörerin waren die Songs überwiegend traurig und bedrückend, doch auch wer die Texte nicht verfolgt oder nicht verstanden hat, erlebte ein berührend schönes Konzert. Und wird den Namen Tutu Puaone im Repertoire zeitgenössischer Jazz-Sängerinnen sicherlich so schnell nicht vergessen (Fotos: Zbyszek Lewandowski).

Konzertbesetzung: Tutu Puoane (SA/BE), voc – Ewout Pierreux (BE), p/ komp  – Jasen Weaver (USA/BE) , b – James Williams, (USA/BE), dr

Tina Adomako

20.08.2021