Frankfurter Konzert-Experiment stellt Live und Stream gegenüber

Ein Live-Stream kann nicht als Konkurrenz zum Livekonzert gesehen werden, sondern sollte als eigenständiges audiovisuelles Musikformat behandelt werden. Das ist das Ergebnis eines Experiments, das die Kammerphilharmonie Frankfurt und das Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik (MPIEA) in Frankfurt am Main durchgeführt haben. Am 11.09.2022 spielte die Kammerphilharmonie Frankfurt zwei Konzerte mit identischem Programm auf dem Campus Bockenheim der Goethe-Universität Frankfurt. Sie fanden im Festsaal des Studierendenhauses statt und wurden zeitgleich in das im selben Gebäude gelegene Café KoZ gestreamt. Das Publikum war eingeladen, während der Konzerte zwischen den Sälen hin- und herzuwechseln, um die Qualitäten beider Formate zu erleben. 130 Personen besuchten die Vorstellungen, die vom MPIEA wissenschaftlich begleitet wurden. Ein großer Teil nahm an Befragungen teil, ergänzt wurde die Datenerhebung durch Videoaufnahmen, die während der Konzerte vom Publikum gemacht wurden. Insgesamt zeigte sich, dass die Mehrzahl der Konzertbesucher*innen den Live-Saal als den Ort des eigentlichen Geschehens wahrnahm und nur punktuell in den Streaming-Saal wechselte. Die empfundenen Vorzüge des Live-Erlebens bestanden vor allem im Ereignishaften, seinem ganzheitlichen Charakter und dem sozialen Miteinander, inklusive der Interaktion mit den Musiker*innen. Demgegenüber punktete der Stream durch die Möglichkeit, die Musiker*innen durch die Kameraführung besser und im Detail sehen zu können sowie durch die teilweise bessere klangliche Abmischung. Obwohl fast alle der Live-Situation den Vorzug gaben, wurden Streaming-Formate keineswegs für überflüssig gehalten – und zwar nicht nur als lohnende Alternative bei eingeschränkter Mobilität, aus Kostengründen o.ä. Für das weitere künstlerische Erkunden von Live- und Übertragungsformaten scheint es daher vielversprechend, solche Formate nicht als Konkurrenz zueinander aufzufassen, sondern komplementär zueinander als künstlerische Formen eigenen Rechts zu entwickeln, die Musik auch auf unterschiedliche Art und Weise erfahrbar machen.

24.05.2023

Aerosolstudie im Konzerthaus Dortmund lässt hoffen

Im Auftrag des Konzerthaus Dortmund haben das Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut am Standort Goslar und die Messtechnik-Firma ParteQ die räumliche Ausbreitung von Aerosolen und CO2 in einem Konzertsaal experimentell untersucht. Dazu wurde ein Dummy in den Saal des Konzerthauses Dortmund gesetzt und die ausgeatmeten Aerosole in verschiedenen Situationen gemessen. Das Ergebnis überrascht und lässt hoffen. Zum Beispiel wurde festgestellt, dass eine Besetzung des Konzerthauses mit vielen Personen den Luftaustausch nach oben nicht stört, sondern im Gegenteil sogar durch zusätzliche thermische Effekte fördert. In einem Saal dieser Größe (er fasst bis zu 1500 Gäste), mit zentraler Lüftungsanlage und Tragen eines Mund-Nasenschutzes könne die Gefahr der Übertragung von Infektionen durch Aerosolübertragung nahezu ausgeschlossen werden. Theoretisch wäre sogar eine Vollbesetzung im Saal denkbar, unter Einbezug der Zuwege und Foyers wird jedoch eine Saalbelegung im Schachbrettmuster und damit 50 % der Saalkapazität empfohlen.

„Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass die Politik wissenschaftlich fundierte Entscheidungsgrundlagen benötigt“, sagt der Intendant des Konzerthaus Dortmund, Raphael von Hoensbroech. „Mit unserer Studie wollen wir dazu beitragen, dass die Konzerthäuser und Theater bei Öffnung wieder hinreichend Publikum zulassen können.“ Nordrhein-Westfalens Kultur- und Wirtschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen begrüßt die Studie ebenfalls und informiert: „Mit Blick auf die große Relevanz der Belüftung hat die Landesregierung eine gemeinsame Arbeitsgruppe unter anderem mit Vertreterinnen und Vertretern von Kultureinrichtungen eingesetzt, die auf Grundlage von wissenschaftlichen Erkenntnissen derzeit eine differenzierte Öffnungsstrategie erarbeitet. Teil dessen ist eine breit angelegte Analyse der Wirksamkeit von Belüftungssystemen in nordrhein-westfälischen Kultureinrichtungen, deren Durchführung Ende letzten Jahres begonnen hat.“ An Häusern, die die oben genannten Voraussetzungen nicht erfüllen, könnten durch das Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut zusätzliche Studien mit relativ wenig Aufwand durchgeführt werden. Video

20.01.2021

Aerosolausstoßtest: Geringe Infektionsgefahr beim Musikmachen

Wie groß ist die Gefahr, sich in einem Orchester mit Corona anzustecken? Das wollten die Wiener Philharmoniker genauer wissen und ließen beim Spielen ihren Aerosolausstoß messen. Mit kleinen Sonden in den Nasenöffnungen wurde den Musiker*innen ein Kochsalz-Nebel kontinuierlich zusätzlich zum Atmen verabreicht. In einem schwarz ausgekleideten Raum befanden sich hinter der/dem jeweiligen Musiker*in besonders starke Scheinwerfer, um das Ausströmen der Aerosole sichtbar zu machen. Dadurch war es möglich, die Verteilung der Ausatmungsluft im Gegenlicht zu visualisieren und fotographisch zu dokumentieren. Das Ergebnis: von der Atemluft von spielenden Musiker*innen geht keine hohe Infektionsgefahr aus. Aus den Öffnungen der Instrumente entweicht kaum (sichtbares) Aerosol, einzige Ausnahme war die Querflöte, die eine Atemwolke mit bis zu 75 Zentimetern ausblies. Bei den Streichern blieb die Atemwolke beim Spielen gegenüber dem Atmen im Ruhezustand unverändert. Fritz Sterz, der ärztliche Leiter der Untersuchung, kommt daher zum Schluss: „Eine Ausdehnung der Ausatemluft eines Künstlers von mehr als 80 cm ist daher nicht zu erwarten!“

26.05.2020