Buchtipp: „Gender und Neue Musik“
„Gender und Neue Musik: Von den 1950er Jahren bis in die Gegenwart“ heißt ein neu erschienener, von Vera Grund und Nina Noeske herausgegebener Sammelband aus dem Transcript Verlag. In ihm dreht sich alles um sexistische Praktiken und Diskriminierungen in der Neuen Musik-Szene, in der z.B. Frauen über Jahrzehnte kaum als Komponistinnen wahrgenommen wurden. Die Beiträge des Bandes repräsentieren unterschiedliche Perspektiven der Autor*innen auf den Themenkomplex. Gefragt wird nach Vorurteilen in Bezug auf die Geschlechter, die fest in der Tradition verankert und teilweise bis heute mit Blick auf ästhetische, institutionelle und soziale Voraussetzungen Neuer Musik wirksam sind. Im Fokus steht der Zeitraum von den 1950er Jahren bis in die Gegenwart. Mit Beiträgen von Antje Tumat, Kirsten Reese, Gesa Finke, Imke Misch, Vera Grund, Nina Noeske, Janina Klassen, Marie-Anne Kohl, Monika Pasiecznik, Bastian Zimmermann, Beatrix Borchard, Ute Henseler, Stefan Drees, Katarzyna Grebosz-Haring und Simone Heilgendorff, Elisabeth Treydte, Svenja Reiner und Tatjana Böhme-Mehner.
Podcasttipp: „Warum ist klassische Musik so weiß?“ @ WDR 3
Blickt man in deutsche Konzert- und Opernhäuser, fehlen häufig Schwarze Musiker*innen und Dirigent*innen. Doch es gibt sie. Hier aufgewachsen und ausgebildet. Woran also liegt es, dass sie öffentlich kaum wahrgenommen werden? Und wie fühlen sich nicht-weiße Personen im Publikum, welche unausgesprochenen Regeln und Konventionen „gelten“ bei einem Konzertbesuch? Gibt es eine „racial burden“ und das Gefühl der Exponiertheit von PoC im öffentlichen Raum? Das und mehr beleuchtet ein hörenswerter Beitrag in der Reihe „Musikporträt“ von WDR 3 von Dr. Dr. Daniele G. Daude, den ihr hier nachhören könnt.
Achtung: KSK muss über Mutterschaft unterrichtet werden
Selbstständige Künstlerinnen und Publizistinnen, die über die Künstlersozialkasse (KSK) in der gesetzlichen Krankenkasse pflichtversichert sind, müssen während der Mutterschutzfrist (sechs Wochen vor und acht bzw. zwölf Wochen nach der Geburt) der Künstlersozialkasse mitteilen, ob sie ihre Tätigkeit nach dem Mutterschutz wieder aufnehmen werden. Tun sie das nicht, wird die Mitgliedschaft automatisch gekündigt, weil angenommen wird, dass der Betreuungsaufwand für ein Kind keine künstlerische Tätigkeit mehr möglich macht (!). Anders wird anscheinend bei werdenden Vätern verfahren, bei ihnen wird angenommen, dass ihre Partnerin sich um die Kinder kümmert. Klingt diskriminierend? Die Künstlerin Susanne Wagner beschäftigt sich ausführlich in einem Blogartikel mit der Frage, ob die Künstlersozialkasse sozial für Frauen ist.
Übrigens bleibt während des Mutterschutzes die Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse und damit die Sozialversicherungspflicht erhalten, es werden aber keine Beitragszahlungen fällig. Die Versicherung bei der KSK ist in der Zeit also komplett beitragsfrei. Die KSK muss aber über den Bezug von Mutterschaftsgeld unterrichtet werden. Dafür hält sie entsprechende Formulare bereit.
Online-Kino-Tipp: „WOMAN – 2000 Frauen. 50 Länder. 1 Stimme.“
Der wundervolle Film „WOMAN – 2000 Frauen. 50 Länder. 1 Stimme.“ von Yann Arthus-Bertrand und Anastasia Mikova (F 2019, OmU, 114 min.) wäre eigentlich am 13. November letzten Jahres in den Kinos angelaufen, jetzt gibt es ihn vier Wochen lang im Online-Kino zu sehen. Zum Inhalt: „Das weltweite Projekt WOMAN bietet zweitausend Frauen aus fünfzig Ländern einen Ort für ihre Stimme. Das Ergebnis ist ein intimes Porträt derjenigen, die die Hälfte der Menschheit ausmachen. All die Ungerechtigkeiten, denen Frauen auf der ganzen Welt ausgesetzt sind, werden ans Licht gebracht. Was WOMAN aber am meisten unterstreicht, ist die ungemeine Stärke der Frauen. Diese Stärke und ihre Fähigkeit, die Welt trotz aller Hindernisse und Ungerechtigkeiten zum Besseren zu verändern, berührt, inspiriert und macht Mut. In dieser neuen Ära, in der Frauenstimmen immer lauter werden, ist das Ziel des Films, nicht nur Rechte zu fordern oder sich auf die Probleme zu konzentrieren, sondern den Stimmen der Frauen endlich Gehör zu schenken, Lösungen zu finden und dafür zu sorgen, dass Frauen nie wieder als „schwächeres Geschlecht“ gesehen werden. In WOMAN erzählen Frauen ihre rührenden, bemerkenswerten und anregenden Geschichten, sprechen von Mutterschaft, Bildung, Sexualität, Ehe oder finanzieller Unabhängigkeit und über tabuisierte Themen wie Menstruation und häusliche Gewalt. Hunderte Geschichten kommen so zusammen, von Staatschefinnen und Bäuerinnen, von Schönheitsköniginnen und Busfahrerinnen, Geschichten von Frauen aus den abgeschiedensten Regionen der Welt und aus den modernsten Metropolen. WOMAN ist es so gelungen, ein umfassendes Bild davon zu zeichnen, was es in der heutigen Welt bedeutet, eine Frau zu sein. So hat man Frauen noch nie gehört“.Mit dem Kauf eines Tickets für 10 Euro unterstützt ihr die teilnehmenden Kinos, die 50% der Erlöse des Kartenverkaufs erhalten. Hier kommt ihr direkt in den Online Kinosaal: https://vimeo.com/ondemand/womanonlinekino
Diskriminierung ist keine Kunst – Klägerin gibt Stellungnahme zu Knabenchor-Urteil
Das Verwaltungsgericht Berlin hatte am 16.08.2019 die Klage der Anwältin Susann Bräcklein abgewiesen, deren Tochter Aufnahme sich um die in einem Knabenchor beworben hatte. Nun hat sie in einer Stellungnahme das Urteil kritisiert.
Das Das Gericht verkenne ganz maßgeblich, dass die Ausbildungsmöglichkeiten von Mädchen und Jungen in Berlin gerade nicht gleich oder gleichwertig sind. Nur Jungen erhalten die intensive und kostenfreie Gesangsausbildung an der UdK. Fantastisch sei dabei die Interpretation der Richter, bei dem explizit auf „Jungen“ ausgerichteten Werbeangebot des Chores seien „Mädchen“ mitgemeint.
Sie kritisiert die Auffassung des Gerichts, die Ablehnung eines Mädchens beruhe bei einem zu 100 Prozent männlich besetzten Chor nicht unmittelbar auf dem weiblichen Geschlecht als lebensfremd. Kinder seien weder Instrumente, durch die sich ein Chorleiter in seiner künstlerischen Freiheit verwirkliche, noch Profis, die mit dem Singen ihren Lebensunerhalt verdienen. Daher stehe in staatlichen Chorschulen die Ausbildung und nicht wirtschaftliche Überlegungen im Vordergrund. Zudem habe das Gericht von der Klägerin vorgelegte Studien nicht ausreichend berücksichtigt, nach denen bei gleichem Repertoire und gleichem Gesangstraining Zuhörer nur mit an Zufälligkeit grenzender Wahrscheinlichkeit einen Klangunterschied zwischen Mädchen- und Jungenchören wahrnehmen (vgl. Howard, Independent vom 9.3.2003: “Girls‘ singing voices‚ are just as pure as boys”.). Die Aufnahme von Mädchen könne die Kunstfreiheit deshalb nur minimal berühren; der generelle Ausschluss von Mädchen führe dagegen zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Diskriminierungsfreiheit.
Die Klägerin schließt mit dieser Feststellung: „Das Gericht stellt tragend auf die subjektive Wahrnehmung des Chorleiters ab. Entscheiden sei, wie er allein Stimme und Motivation einer Bewerberin beurteile. Diese Rechtsauffassung eröffnet jedenfalls dann praktisch unbegrenzte Spielräume für individuelle Ablehnungsmöglichkeiten, wenn keine fairen und geschlechtergerechten Aufnahmeverfahren installiert sind (sog. blind auditions).
Filmtipp: Soundtrack For A Revolution 28.08.2013 auf ARTE
„Soundtrack For A Revolution“ (USA 2009, 80 min.) heißt ein Dokumentarfilm, den das ARTE Fernsehen heute abend ab 20:15 Uhr zeigt (Wdh. am 6.9.). „Ain’t Gonna Let Nobody Turn Me Around“, „We Shall Overcome“, „This Little Light of Mine“ oder „We Shall Not Be Moved“: jedes Lied ist unweigerlich mit der Bürgerrechtsbewegung der 50er- und 60er-Jahre verknüpft. Anhand der an Gospelsongs angelehnten Stücke erzählen Bill Guttentag und Dan Sturman vom Kampf der AfroamerikanerInnen um Gleichberechtigung. Sie führen bewegende Interviews mit ehemaligen BürgerrechtlerInnen wie Andrew Young oder Harry Belafonte, zeigen ikonische Bilder von Freedom Riders (Schwarze nehmen „weiße“ Busplätze ein), Sit-ins oder vom legendären Marsch auf Washington. Aktuelle Stars wie Joss Stone, Wyclef Jean oder John Legend interpretieren die alten Songs neu: So wird am Ende die große Tragweite von Musik als Mut- und Hoffnungsträger deutlich. Trailer: http://www.youtube.com/watch?v=CJcccwYI5Go

