Kinotipp: „Respect“ – Biopic über die „Queen of Soul“ Aretha Franklin

Mit 12 Jahren ist sie schon Mutter, mit 14 veröffentlicht sie ihr erstes Album. Danach engagiert sie sich als Aktivistin für Martin Luther Kings Bürgerrechtsbewegung, veröffentlicht weitere Alben, landet mehrere Nummer-eins Hits, heimst Grammys und zahlreiche weitere Ehrungen ein. Der Film „Respect“ (USA, 145 Min., Regie: Liesel Tommy) zeichnet einige Wege der Soul-Ikone Aretha ‚Ree‘ Franklin fast historisch nach.

Erzählt wird von der frühen Kindheit im strengen Pastorenhaushalt, den Anfängen im Gospelchor ihres Prediger-Vaters, der sie mit Härte vermarket, vom frühen Tod der Mutter, von Vergewaltigungen und Misshandlungen, von gescheiterten Beziehungen und Alkoholmissbrauch, von ihrem Bruch mit der Kirche – und wie Ree trotz alledem den Aufstieg schafft. Anfangs sind die Dialoge etwas hölzern und es wird einiges an Wissen vorausgesetzt – etwa über die schwarze Musikszene und die Bürgerrechtsbewegung. So tauchen im Laufe des Films immer wieder Figuren auf, die zu der einen oder anderen Gruppe gehören, die aber nicht eingeführt werden – das reine Name-Dropping.

Bereits zu Lebzeiten hat Aretha Franklin festgelegt, wer sie im Film verkörpern sollte: Jennifer Hudson. Diese spielt die Rolle so hervorragend, dass man meint, die echte Aretha auf der Leinwand zu sehen. Vermutlich um diesen Eindruck zu verstärken, werden immer wieder überflüssige pseudo dokumentarische Szenen in Schwarz-Weiß in die Handlung eingebettet, die eine Authentizität suggerieren wollen oder sollen, die der Film gar nicht nötig hat.

Während die frühen Jahre der Queen of Soul en Detail erzählt werden, werden die letzten ca. 4 Dekaden – also die Zeit von 1972 bis zu ihrem Tod 2018 – in den Abspann gepackt. Hier wird dann mit echtem Footage gearbeitet. Der Film endet damit, dass Aretha mit der Aufnahme der Gospel-Platte „Amazing Grace“ zurück zur Kirche und zur Familie findet. Dieses Album, am 13. Und 14. Januar 1972 in der Kirche ihres Vaters aufgenommen, ist nicht nur das meistverkaufte Album der Sängerin, sondern auch das meistverkaufte Gospel-Album aller Zeiten. Der Film wartet natürlich auch mit weiteren großen Hits der Sängerin auf, wie „Natural Woman“, „Say a Little Prayer“, „Do Right Woman“, „Young“, „Gifted and Black“, und „Think“ – Songs, die feste Bestandteile des amerikanischen Musikkanons und Klassiker der Black Music sind, und gesungen von Jennifer Hudson von den Originalversionen kaum zu unterscheiden sind. Eine Glanzleistung!

Mit Jennifer Hudson, Forest Whitaker, Marlon Wayans, Audra McDonald, Mary J. Bilge, Skye Dakota u.v.m. Im Kino ab 2. December 2021. Hier geht es zum Trailer.

Tina Adomako

02.12.2021

Tutu Puoane begeisterte bei den Hildener Jazztagen (19.08.2021)

Tutu wer? Auch mir war der Name der Jazz-Sängerin bis zu ihrem Auftritt bei den 25. Hildener Jazztagen kein Begriff. Dabei ist die Südafrikanerin seit langem eine der eindringlichsten Stimmen der zeitgenössischen Musikszene in den Benelux-Ländern.

In Pretoria geboren und aufgewachsen, studierte sie später Jazz-Vocals an der University of Cape Town, ehe sie 2002 nach Holland wechselte, um ihre Gesangsausbildung am Königlichen Conservatorium von Den Haag fortzusetzen. In Südafrika war sie zu diesem Zeitpunkt schon bekannt. 2004 gewann sie dort den renommierten Standard Bank Young Artist of the Year Award. Auch bei unseren Nachbarn in den Niederlanden und Belgien ist sie eine feste Größe in der Jazzszene.  Dort tourte sie vor Corona mit ihrem The Joni Mitchell Projekt, mit den einzigartigen Songs und Texten der kanadischen Sängerin, die sie auf eine persönliche Art und Weise interpretierte.

Für Hilden wählte sie nun ganz neue Songs aus. Das Publikum kam in den Genuss noch nicht veröffentlichter Kompositionen der Sängerin, in denen sie Gedichte der südafrikanischen Performance-Künstlerin und Aktivistin Lebogang Mashile vertont. Ob dieses Programm die richtige Wahl für das Hildener Publikum war? Wären Joni-Mitchell-Songs vielleicht besser gewesen? Immerhin ging es in den Songs sehr viel um Themen rundum Black Lives Matter. „Being African is being part of an unseen force“, sang Tutu zur Eröffnung. Während das Publikum frierend in Parkas und Steppjacken auf auf Abstand gehaltenen Plätzen saß, trat die Sängerin in einem luftigen Jumpsuit auf – und präsentierte Songs, die nicht gerade dazu geeignet waren, eine wohlige Wärme zu verbreiten. Es ging um Vorurteile, um Ungerechtigkeiten, um das Schicksal von Menschen, die in einer „suicidal skin“ leben. Insbesondere ging es in den Songs auch um das Schicksal Schwarzer Frauen, die ihre Schönheit nicht sehen, sich die Haare glatt ziehen und trotzdem der Gesellschaft nie genügen. „Open your eyes“ singt sie emotional in ihrem zweiten Stück, öffnet eure Augen für die Ungleichheiten, und scheint den Tränen nahe zu sein, als sie diesen Song mit der Frage schließt: „When will it end?“

Dazwischen geht es aber auch etwas leichter zu, etwa wenn sie im Duett mit ihrem Pianisten Ewout Pierreux die liebliche Ballade „You and I“ singt, wenn sie ihre Stimme zum Instrument werden lässt, das die ganze Bandbreite der Töne einer Posaune nachahmt, oder wenn sie im beeindruckenden Scat-Gesang Laute der Xhosa-Sprache mit einfließen lässt, und das Publikum auffordert, ausgerechnet diese Stellen mitzusingen. Für mich als Schwarze Zuhörerin waren die Songs überwiegend traurig und bedrückend, doch auch wer die Texte nicht verfolgt oder nicht verstanden hat, erlebte ein berührend schönes Konzert. Und wird den Namen Tutu Puaone im Repertoire zeitgenössischer Jazz-Sängerinnen sicherlich so schnell nicht vergessen (Fotos: Zbyszek Lewandowski).

Konzertbesetzung: Tutu Puoane (SA/BE), voc – Ewout Pierreux (BE), p/ komp  – Jasen Weaver (USA/BE) , b – James Williams, (USA/BE), dr

Tina Adomako

20.08.2021

Das Cécile Verny Quartett tourt. Neulich war die Jazz-Sängerin auch in Düsseldorf

Ausverkauft war es in der Düsseldorfer Jazz Schmiede, selbst Stehplätze gab es kaum noch, als am Freitag, den 15.01.2016 das Cécile Verny Quartett auftrat. Das letzte Konzert des CVQ musste wegen einer Erkrankung der Sängerin abgesagt werden. „Meine Stimme war weg“, erklärt Verny später. An diesem Abend ist sie aber da, die Stimme. Und die ist wuchtig! Mit dem funkig-souligem Stück „Snow Is Falling“ beginnt das Konzert. Bernd Heitzler’s Bass wummert, der Sound ist gewaltig und laut und fährt sofort in die Beine der stehenden BesucherInnen, während die Sitzenden in ihren Stühlen wippen. Dann kommt Cécile, Zebra-gestreift auf die Bühne. Leise, mit mädchenhafter Stimme erzählt sie erstmal etwas über den Song, den sie gleich singen wird – er sei den Sängerinnen Winehouse und Houston gewidmet – um dann im Gesang zu zeigen, zu welcher Akrobatik ihre Stimmbänder in der Lage sind. „Back To My Own“ heißt das nächste Stück, etwas ruhiger, aber immer noch mit einer gehörigen Portion Soul. Der ganze Abend klingt etwas funkiger und lockerer als das Konzert der letzten Tour. Vielleicht, weil der Druck, eine neue Platte promoten zu müssen, fehlt (das letzte Album „Memory Lane“ ist 2014 erschienen). Die Musiker spielen freier, es grooved mehr, alle wirken weniger ernst und scheinen mit viel mehr Spaß dabei zu sein.

Foto: Felix Groteloh

Neben dem Soul und Funk gibt Verny ein paar Balladen zum Besten, das Stück „I Am Broken“ etwa, ein ganz leiser Song, bei dem die Sängerin nur vom Piano begleitet wird. Hier kommt die Bandbreite ihrer Stimme zum Vorschein, mühelose wechselt sie von hoher Kopfstimme zu tiefem Alt, fügt unerwartete Breaks ein. Genial! Mal wird es gospel-artig, mal feurig brasilianisch. An nur wenigen Stellen spielten die Musiker etwas zu laut für meinen Geschmack. Insgesamt spürt man, dass die Musiker (Andreas Erchinger/Klavier, Lars Binder/Schlagzeug, Bernd Heitzler/Bass) ein hervorragend eingespieltes Team sind. Immerhin gibt es das Cécile Verny Quartett nun schon seit einem Vierteljahrhundert. Ein furioses Drum-Solo, ein Duett und einige poetische Balladen runden das Programm ab, bevor das Quartett den Abend mit einer Zugabe beendet, die genauso lebendig und funkig ist wie das eröffnende Stück. Dann ist es schon 23:00 Uhr und ein wunderbarer, kurzweiliger Konzertabend geht zu Ende. Im Foyer stehen dann die Musiker, die keinerlei Berührungsängste mit ihrem Publikum haben, und plaudern mit den Gästen. Wie Cécile kurz davor auf der Bühne noch sagte, als sie sich vor ihrem Publikum verbeugte: „Wir sind Livemusiker. Ohne euch gäbe es uns nicht“.
Das CVQ ist in den nächsten Wochen noch auf Tour. Wer die Gelegenheit hat, diese phantastische Sängerin und ihre Band live zu erleben, sollte sie ergreifen: 22.01.16 Tollhaus/Karlsruhe, Special Guest: LIV | 23.01.16 Strawinsky-Saal/Donaueschingen | 29.01.16 Jazzclub Gems/Singen | 31.01.16 Stadtkirche/Darmstadt | 18.02.16 Sudhaus/Tübingen | 19.02.16 Salmen/Offenburg und weitere Termine auf http://www.cvq.de.

Tina Adomako

18.01.2016

Nachlese Winterjazz 2014: Jazz an einem Winterabend

Am 3. Januar zum dritten Mal: Winterjazz in Köln. Nach dem Vorbild des Winter Jazz Festes von New York City, das dieses Jahr in die 10. Runde geht, hat Angelika Niescier 2012 das Kölner Festival ins Leben gerufen. Die Saxofonistin und Komponistin wollte und will zeigen, welches geballte Jazz-Potential in der Domstadt beheimatet ist. Im Kölner Stadtgarten, einer bekannten Einrichtung für Jazzkonzerte, Welt- und Neue Musik, hat Angelika Niescier erneut ein köstliches musikalisches Menü zusammengestellt. An einem Abend präsentierten Jazz Musikerinnen und Musiker aus der Rheinmetropole in unterschiedlichen Formationen die vielen Varianten des Genres und begeisterten mit kostenlosen Konzerten. Schon im letzten Jahr sprengte die Zuschauermenge die Räumlichkeiten des Stadtgartens, so dass in diesem Jahr auf zwei weitere Locations und von drei auf fünf Bühnen vergrößert wurde. Das half aber auch nicht, denn überfüllt blieb es trotzdem. Selbst mit blauem Bändchen am Armgelenk schaffte ich es nur mit Glück in das Harps, einer Irischen Kneipe, in der überwiegend das Vokalprogramm stattfand. Hier traten u.a. das Eva Mayerhofer Quartett (Foto oben) und die Sängerin Esther Berlansky (Foto unten: Reiner Witzel) auf. Eva Mayerhofer präsentierte angenehme, eingängige Jazz-Balladen und Bossa-Standards sowie eigene Komposition von ihrer aktuellen CD, während Esther Berlansky experimentellere Töne einschlug. Im komplexen aber auch witzigen Dialog mit Clemens Orth am Klavier, erzeugte die Sängerin auch durch ihre Nase und mit dem Geklimper ihrer Ohrringe ungewöhnliche Jazztöne. Die künstlerische Leiterin des Festivals performte auch selber, doch trotz der nur kurzen Entfernung zwischen irischer Kneipe und großem Saal im Stadtgarten, dauerte es so lange, sich einen Weg durch die Menschenmenge zu bahnen, dass Angelika Niesciers Konzert schon vorbei war, als ich endlich den Saal erreichte.
So ging es vielen Besuchern an diesem Freitag Abend. Bei einer solchen Veranstaltung mit über 70 Musikerinnen und Musikern und 21 zum Teil gleichzeitig auftretenden Bands, ist es schier unmöglich, auch nur die Hälfte der Konzerte mitzuerleben. Aber eine Vorstellung von der großen Jazz-Vielfalt der Stadt, die bekommt man schon an so einem Abend. „The magic doesn’t end“ sagt Angelika Niescier, die, noch bevor die letzten Gäste das Festival verließen, schon auf dem Weg zum großen Vorbild in New York aufbrach, wo sie beim 10-jährigen Jubiläum auftritt. In sieben Jahren wird es auch in Köln so weit sein, hofft sie. Hoffen wir mit, dass die Sponsoren – u.a. die Stadtsparkasse und die Stadt Köln – es so weit kommen lassen, denn bei der Klasse an Musikerinnen und Musikern und dem Publikumsandrang wäre das ein wunderbarer fester Termin zum Jahresanfang.

Tina Adomako

06.01.2014