Joyce

“Slow Music“

Dieses Album hält das, was es verspricht: hundertprozentig langsamen Jazz. Die brasilianische Sängerin Joyce Moreno, die zu den bedeutenden Jazzerinnen ihres Landes zählt, hat sich damit einen lang gehegten Traum erfüllt. Inspiriert wurde sie vor über zehn Jahren, als sie sich bewusst mit den Parametern Stille und der Pause in der Musik auseinanderzusetzen begann. Bei ihrer musikalischen Entdeckungsreise standen keine geringeren Musiker Pate als der legendäre Jazzpianist Bill Evans, der brasilianische Gitarrist und Erfinder des Bossa Nova João Gilberto und die amerikanische Jazzpianistin Shirley Horn. Eine zweite Inspiration erhielt Joyce Moreno durch eine außermusikalische Anregung, und zwar von Carlo Petrinis Manifest über die Slow Food Bewegung, die 1989 in Paris offiziell zur Gegenbewegung der Fast Food Esskultur wurde. Der Hintergrund über die Entstehung des Albums ist also recht interessant, wobei die Themen „Stille“ und „Pause“ als bedeutende Parameter innerhalb der westeuropäischen und US-amerikanischen Musik ein wenig abgedroschen erscheinen (man denke an John Cage, der mit seiner Schrift „silence“ eine Revolution in der Musik auslöste und dessen Einfluss auf Künstler wie Miles Davis oder Jean Michel Jarre bereits seit Ende der 60er erkennbar ist). Das Album besteht aus dreizehn songs und ist eine Mischung aus Neukompositionen, bekannten brasilianischen Liedern und einigen Jazzstandards. Moreno brilliert mit ihrer dunklen, kraftvollen und dennoch extrem nuancenreichen Stimme, die sie in jeder Lage vollkommen zu kontrollieren vermag. Begleitet wird sie von Hélio Alves (p), Jorge Heller (b) und Tutty Moreno (dr); Musiker, die ihr auf Augenhöhe begegnen. Trotz der qualitativ sehr guten Musik gerät das Album als Einheit jedoch ein wenig aus dem Ruder zu laufen. Ein Zustand wie langsam, hell, laut, stark, oder entspannend wird in der Regel mit seinem Gegensatz als solcher wahrgenommen. Wenn also alle Lieder langsam und leise sind, neutralisieren sich diese Eigenschaften. Aber wahrscheinlich ist es ja auch genau das, was Moreno mit diesem Album erreichen möchte: Langsamkeit pur.

CD, 2010, 13 tracks, Label: Stunt Records

Sandra Müller-Berg

22.07.2010