
Stanislav Yudin und Asnate Rancāne
“Op. 2“
Es gehört schon etwas Mut dazu, langjährig erlernte und bewährte musikalische Praktiken hinter sich zu lassen und etwas komplett Neues zu wagen. Häufig eröffnet jedoch gerade dieser Schritt ins Unbekannte wertvolle neue Perspektiven und ungeahnte künstlerische Möglichkeiten. Auf ihrem Debütalbum „Op. 2“ suchen der Jazzmusiker Stanislav Yudin (Kontrabass, Kokle, Keys, Percussion) und die Folk-Sängerin Asnate Rancāne (Vocals, Kokle, Pipes) die kreative Begegnung mit dem jeweils anderen Genre und erschaffen so einen ganz eigenen experimentellen Stil. „Each music genre has some kind of rules, laws that define the genre (…) But in our case (…) It’s something in between different genres”, erklärt Stanislav Yudin in einem Interview mit dem lettischen Online-Journal „Jazzin“. Prägend für die gemeinsame Arbeit sei neben Folksongs aus Lettland, Bulgarien, der Ukraine, Litauen und Russland vor allem das Streben nach gestalterischer Freiheit fernab etablierter musikalischer Regeln: „We often don’t have a rhythm, there’s no drums, we only have two songs with percussions, but the rest are completely fluent, there are no confines of rhythm.“ Ein eindrucksvolles Ergebnis dieses Vorhabens ist das Stück „Cik Dziļa Jūra“, in welchem unruhig-bewegte Kontrabasslinien vollkommen gleichberechtigt neben entspannt vorgetragenem Gesang stehen und so bei Hörer*innen das paradoxe Gefühl zeitgleicher Vitalität und Entspannung hervorrufen. Bei einigen ihrer Klangexperimente binden Yudin und Rancāne auch befreundete Musiker*innen ein. Mal gleitet Rancānes klarer Gesang dabei über einen Teppich aus rhythmischen Violinstrichen und Percussion („Saulite“), mal wird das fröhliche Miteinander von Gesang und Flöte durch die freien melodischen Einwürfe eines Sopransaxophons bereichert („Ganu Dziesma“). Eine besondere Faszination üben die eher meditativ angelegten Stücke des Duos aus. Während tiefe Kontrabasstöne und in sich gekehrter Gesang im Stück „Ne Bet Kokia“ eine nachdenklich-klagende Stimmung hervorrufen, erweckt das titelgebende Stück „Op. 2“ Gefühle unendlicher Weite und Ruhe. Fazit: Ein spannendes Album, für das man sich die nötige Zeit nehmen sollte.
CD, 2019, 8 Tracks, Label: CPL Music
Stefanie Zimmermann04.12.2019