Hole

“Nobody’s Daughter“

Es ist die Sensation des Frühjahrs 2010: „Nobody’s Daughter“, das seit Jahren angekündigte Album von Courtney Love und ihrer Band Hole erscheint tatsächlich! Man wollte an die Veröffentlichung nicht mehr recht glauben, zu oft wurde das Erscheinungsdatum verschoben, und über Courtney Love las man nur noch in der Klatschpresse, die sich genüsslich an ihren verunglückten Beauty-OPs, Drogen- und Magersuchtproblemen und dem Sorgerechtsstreit um ihre Tochter weidete. Es bedarf keiner weiteren Aufzählung, es ist eh‘ klar: Bei der einstigen Riot Grrrl-Ikone Love geht es schon lange nicht mehr um Musik. Spätestens seit dem Suizid ihres Ehemanns Kurt Cobain war Love in der öffentlichen Wahrnehmung hauptsächlich „die Witwe“, weit weniger die – im übrigen großartige – Gitarristin, Texterin, Sängerin. Und Courtney kam irgendwie vom Wege ab, ob eigen- oder fremdgesteuert, sei dahingestellt. Das letzte Hole-Album „Celebrity Skin“ erschien 1998, Loves Solo-Platte „America’s Sweetheart“ 2004, mit ihrer Ex-Bandkollegin Bassistin Melissa auf der Maur verkrachte sie sich spektakulär. Schwenk nach 2010: Sind es überhaupt noch Hole, die man auf „Nobody’s Daughter“ hört? Ist nicht Courtney Love seit langem jemand anderes, jemand, die fast verzweifelt versucht, so tough und unantastbar wie Madonna zu sein, bis an die operierte Nasenspitze? Und die Band: Die Originalbesetzung existiert schon lange nicht mehr, drei junge sportliche Männer hat Courtney jetzt um sich geschart, keine andere Frau stiehlt ihr mehr die Schau … Aber kommen wir endlich zur Musik, den Texten: Courtney Love ist immer noch eine wütende Frau, Titel wie „Skinny Little Bitch“, „Never Go Hungry“, „How Dirty Girls Get Clean“ und „Loser Dust“ machen das mehr als deutlich. Produzent Michael Beinhorn (Korn, Marilyn Manson) verpackt alles in einen recht antiquierten Post-Grunge-Sound, der ins Stadion will und ganz laut R!O!C!K! schreit, denn: Courtney Loves Hole anno 2010 sind keine Riot Grrrls, sondern eine sehr amerikanische Rockband, die schwere respektive schwerfällige Gitarrenbretter vom Stapel lässt, mit dröhnendem Bass und grollenden Drums… so weit, so unaufregend. Toll dagegen ist Loves Stimme, die gänzlich unoperiert, sondern rau und zornig klingt und ja, alt, doch „alt“ soll ein Kompliment sein, auch wenn es für Love die schlimmste Beleidigung sein mag. Songs wie „Honey“ und „Someone Else’s Bed“ stechen klar heraus und sind fast so gut wie Hole zu „Live Through This“-Zeiten. Dass die von Love-Freundin Linda Perry/Four Non Blondes komponierte „Powerballade“ (so die Presseinfo) „Samantha“ ursprünglich für Christina Aguilera gedacht war und nun von Courtney Love gesungen wird, verrät als kleine Fußnote mehr über den aktuellen Status von Hole, als allen Beteiligten lieb sein kann.

CD, 2010, 11 Tracks, Label: Cherry Forever Records/Mercury

Christina Mohr

04.05.2010