Etta Scollo

“Nirgendland – Hommage an Mascha Kaleko“

Die Gedichte der jüdischstämmigen Lyrikerin Mascha Kaleko (1907-1975), die vor der Nazi-Herrschaft aus Deutschland in die USA fliehen musste, sind „fürchterlich zeitlos“ (Michael Loesl) – und passend gerade bei den heutigen politischen und sozialen Zuständen. Das allein wäre Grund genug für Etta Scollo, ihre Gedichte zu vertonen, obwohl es bereits einige Veröffentlichungen gibt. Die aus Sizilien stammende Künstlerin hat sich hauptsächlich auf Werke konzentriert, die Fremd- und Unbehaust-Sein, Orientierungslosigkeit und Unsicherheit, Suche nach Heimat und Zugehörigkeit thematisieren. Sparsam und stimmig begleitet wird sie von Susanne Paul (Cello), Els Vandeweyer (Vibraphon), Tara Bouman (Klarinette) u.a., auch die deutsche Liedermacherin Dota Kehr und die Schauspielerinnen Eva Mattes und Maddalena Crippa sind auf dem Album zu hören. Scollo singt auf Deutsch, Italienisch und Englisch die berührenden Texte. „Inventar/Inventario“ beginnt sanft, steigert sich bald, notwendigerweise, zu einem fast aggressiven Sprechgesang: „Haus ohne Dach/Kind ohne Bett/Tisch ohne Brot/Stern ohne Licht…“. Oder „Zeitgemäße Ansprache“: „Wie kommt es nur, dass wir noch lachen…“. Fast bekommt man Gänsehaut ob der Aktualität. Aber man versinkt nicht in Larmoyanz, sondern begegnet den Umständen mit trotzigem Überlebenswillen: sei es als „Seiltänzerin ohne Netz“ oder als „Eremit“, der sich aus den Steinen, die die Leute nach ihm werfen, ein Haus baut. Es finden sich jedoch auch bittersüße Liebeslieder: wunderschön gleich „Nacht ohne Schlaf“ oder „Ho eletto l’amore a mi rifugio“ – die Liebe als Heimat für Heimatlose. Ein eindringliches und wichtiges Album!

CD, 2025, 16 Tracks, Label: Jazzhaus Records

Fee Kuhn

23.02.2025