Emmi Kujanpää

“Nani“

Manchmal begegnen einem Dinge, die so faszinierend und prägend sind, dass sie einen lange nicht mehr loslassen. Diese Erfahrung machte auch Emmi Kujanpää, als sie im Rahmen ihres Studiums (Finnische Folk-Musik, Gesang und Kantele an der Sibelius-Akademie sowie Musikwissenschaft an der Universität Helsinki) einige CDs des bulgarischen Trios Balgarka entdeckte. „I was really excited and the songs (…) made me cry. I decided that I had to learn what was inside them, what was this thing that made me empathize with various emotional states without understanding a single word from the language“, erinnert sich die Musikerin in einem Interview mit Radio Bulgaria. Inzwischen ist die bulgarische Klangwelt aus Kujanpääs Leben nicht mehr wegzudenken. Sie hat Bulgarisch gelernt, einige Zeit an der Akademie für Musik und Tanz in Plovdiv studiert, eine Forschungsarbeit über Feminismus in transnationalem bulgarischen Folk-Gesang publiziert und mehrere Vokalensembles mit dem Schwerpunkt bulgarische Musik gegründet. Auf ihrem ersten Soloalbum „Nani“ führt die engagierte Musikerin und Hochschuldozentin ihre künstlerischen und wissenschaftlichen Interessen nun kreativ zusammen. In fantasievollen und feinfühlig ausgestalteten Arrangements vermittelt sie alltägliche Erfahrungen verschiedener Frauen. Es geht um Trauerprozesse und das Erleiden sexueller Gewalt, aber auch um Momente romantischen Glücks oder die ausgelassene Stimmung eines fröhlichen Beisammenseins. Im Zentrum der Stücke steht Kujanpääs verblüffend vielseitige Gesangskunst, welche von den bezaubernden Klängen ihrer Kantele (Griffbrettlose Kastenzither), aber auch von den Stimmen und Instrumenten anderer Musiker*innen begleitet wird. So verbindet das humorvolle „Sirkus Savonia“ leichtfüßigen Gesang, flottes Trompetenspiel (Jarkko Niemelä) und jazzige Harmoniumklänge (Eero Grundström). In „Laulajan Loitsu – Singer’s Spell“ mischen sich Kujanpääs expressive Rufe mit den geheimnisvollen Lauten von Morin Chuur (mongolische Pferdekopfgeige) und Tuvanischem Kehlgesang (beides Sauli Heikkilä). Den nachhaltigsten Eindruck hinterlassen allerdings die dicht gewobenen Klangteppiche, welche die innovative Künstlerin mit Hilfe des Frauenchors Le Mystère des Voix Bulgares Vocal Academy erschafft. Mal wird Kujanpääs feierlicher Gesang von den warmen Akkorden des Vokalensemles getragen („Ogrejalo Slantse – Vuota Vuota“), mal vereinigen sich ätherische Kantele-Melodien, klagender Gesang und dramatische chorale Dissonanzen zu einem ergreifenden Klangbild („Valkean Yön Joiku – Yoik of a White Night“). Ein wunderbares Album, dessen Nachfolger hoffentlich nicht allzu lange auf sich warten lässt!

CD, 2020, 10 Tracks, Label: Nordic Notes

Stefanie Zimmermann

21.02.2020