Krisch/Höfler/Elgart

“Lonely Woman“

Wenn MusikerInnen wie Dizzy Krisch, der Altmeister am Vibraphon, Karoline Höfler, eine grandiose Bassistin und Bill Elgart, der Melodiker am Schlagzeug, sich treffen, hat man alles, was es braucht für eine gute Session. Kommt nun noch Lauren Newton hinzu, eine der zur Zeit bedeutendsten Sängerinnen im Jazz, ist es kaum fassbar! Und doch gibt es von dieser Session eine Platte, sie trägt den Titel „Lonley Woman“. Aufgenommen im SWR Studio in Tübingen, der Stadt in der der wohl wandlungsfähigste und vielseitige Vibraphonist Dizzy Krisch seinen Lebensmittelpunkt hat. Auch die Übrigen verbindet viel mit der Region um Stuttgart. Seine langjährige Sidewoman Karoline Höfler ist in Tübingen geboren, studierte Jazz-Bass an der Musikhochschule Stuttgart. Ebenso die in Oregon/USA geborene Laura Newton, die nach ihrem Gesangsdiplom an der Universität Oregon ein weiteres an der Musikhochschule in Stuttgart ablegte. Der amerikanische Schlagzeuger Bill Egart lebt schon seit Jahrzehnten in Ulm.
Nahezu alle Titel sind Kompositionen von Krisch. Ausnahme: der Standard und Titelsong „Lonley Woman“, dieser stammt von Ornette Coleman. Doch so einsam ist Vokalartistin Laura Newton nicht. Mit ihrer Stimme verbindet sie sich nahezu unzertrennlich mit den drei Instrumenten. Auch der erste Titel „Green“ wird von Newton dominiert, ein folkloristisches Tönen, nordisch, rätselhaft und fast empfindlich zerbrochen, als näherten sich die Mitglieder des Quartetts einander an, vorsichtig, abtastend. Im Gegenzug steht dazu „Evolutienne“, das wohl impulsivste Stück auf der CD. Gleich zu Beginn wartet ein Schlagzeugsolo, das mit schnellen Rhythmen jongliert. Dazu kommt ein durch das Stück begleitendes, zweistimmiges Pattern von Gesang und Vibraphon. In das folgende Scatsolo mit den unglaublichsten Silben fügt sich das Vibraphon ein und beide führen ein Duell, das sich entwickelt und steigert. Bis mitten im Stück alle verstummen; einzig Höfler`s Bass läuft weiter und füllt die entstandene Leere. Es erscheint fast, als sortiere sie alles, um zum Ende des Stückes alle in den Raum der freien Improvisation zu überführen. Zum Abschluss der Platte fährt der Meister des Vibraphons in „Setup“ nochmal mit nahezu allem auf, was er zu bieten hat. Seinem Vibraphon entlockt er mit seinem schnellen, variantenreichen Spiel Grandioses. Und dies stets in engem Bezug zu Elgart`s Rhythmen, der übrigens hier ein bravouröses Solo hervorbringt. Alles in allem ist hier mit „Lonley Woman“ eine Platte vom Allerfeinsten gelungen. Stellenweise ist die CD sehr experimentell, manches vielleicht für den Mainstream zu weit, aber dadurch genau das, was moderner Jazz braucht. Alle vier Protagonisten improvisieren mit- und machmal gegeneinander, aber stets im Bewusstsein, was passiert, und aufeinander abgestimmt. Schade nur, dass man die vier so nicht live erleben kann. Ein kleiner Trost ist diese Live-Konserve.

CD, 2016, 9 Tracks, Label: JazzHausMusik

Anja Klein

27.06.2016