Nite Jewel

“Liquid Cool“

Manchmal macht frau am Besten ihr eigenes Ding: Ramona Gonzalez alias Nite Jewel war unzufrieden mit ihrem Label; außerdem wollte sie sich vom Signature-Sound ihres Boyfriends Cole MGN lösen, dessen Arbeit (z.B. für ihr letztes Album „One Second Of Love“) sie zwar sehr schätzt, für ihre eigene Musik jedoch „zu perfekt“ fand. Also gründete die kalifornische Musikerin das Label Gloriette, zog sich mit ihrem 8-Spur-Recorder eine Weile zurück und nahm ihr neues Album im Alleingang auf. Der Titel „Liquid Cool“ bezieht sich auf das kühle blaue Bildschirmleuchten – korrespondierend dazu sieht man auf dem Cover nicht Gonzalez‘ Gesicht, sondern eine augenlose Fläche im Halbschatten. Die ständige Verbundenheit mit elektronischen Geräten bei gleichzeitiger Vereinsamung bzw. Vereinzelung ist Thema der neun neuen Tracks, besonders deutlich in „Kiss The Screen“ oder „Was That A Sign?“. Wie ihre Kolleginnen Grimes oder Tegan and Sara spielt Nite Jewel mit Achtzigerjahre-Synthiepop und eindeutigen Mainstream-Verweisen, wirft sich aber weder dem Mainstream an den Hals (was Tegan and Sara vorgeworfen wird), noch bollert sie ausgesprochen Dancefloor-fähige Knaller raus wie Grimes. Auch bei durchaus tanzbaren Tracks wie „Over The Weekend“ wahrt Nite Jewel’s Musik die Distanz. Kühle programmierte Beats vibrieren unterschwellig und formen im Kontrast zu Gonzalez‘ emotionaler Stimme eigentümlich faszinierende Gegensätze. Gut möglich, dass Nite Jewel’s Vision einer entfremdeten Welt voller Sehnsucht nur im Alleingang zu realisieren war.

CD, 2016, 9 Tracks, Label: Gloriette Records

Christina Mohr

12.06.2016