Dori Freeman

“Dori Freeman“

Freeman wer? Die mit American Roots Music, also Bluegrass, Folk, Blues, Rhythm and Blues, Rockabilly und Old Country, in der Crooked Road-Region der Blue Ridge Mountains of Appalachia aufgewachsene Dori Freeman taucht nun offenbar auch in der Metropole New York auf, was die Studioarbeit ihres Debüts zeigt. Innerhalb von nur drei Tagen haben Teddy Thompson und Dori Freeman mit einigen Musikern alle Songs für eine CD eingespielt und in der Instrumentierung zu Gitarre, Bass, Schlagzeug auch Steel Guitar, Fiddle und Piano hinzugenommen. Freeman ist eine der jungen Frauen, die sich im klassisch amerikanischen Songwriting versuchen. Ihre Chancen sollten eigentlich nicht unbedingt schlecht sein: Sie stammt aus einer Musiker- und Künstlerfamilie, verfügt über eine selbstbewusste Stimme, spielt souverän Gitarre und schreibt ihre Songs selber. Und kein Geringerer als der Singer-/Songwriter Teddy Thompson, Sohn von Richard und Linda Thompson, hat ihr erstes selbstbetiteltes Studioalbum produziert.

Als Inspiration für ihr Songschreiben nennt Freeman Namen wie Peggy Lee, Iris Dement, Doc Watson, Rufus Wainwright und Father John Misty. Dori Freeman’s Lieder dürften relativ persönliche Aussagen über ihre bisherigen Lebenserfahrungen sein. Jedenfalls soll sie das mitgeteilt haben und dazu gesagt haben: „Mostly the lonely, sad parts. If you’re going to write songs that people want to keep listening to then you can only write about exactly what you know.“ Ihre Haare mal im ganz kurzen Garçon-Stil, mal im A-Line Bob Cut erzählt die 24-jährige aus großen Augen blickend manchmal auch nur allein mit ihrer akustischen Gitarre kleine Geschichten und präsentiert also einfach sogenannten „Americana“. Musikalisch klingt das Ganze schon recht gekonnt, doch die Lyrics sind vielleicht nicht immer das Durchdachteste. Freeman kann dabei sehr baladesque, aber auch upbeat sein. Und möglicherweise versucht sie haupsächlich mitzuteilen: „Go On Lovin'“, wie einer ihrer Country Songs betitelt ist. Und Freeman ist oft ziemlich country.

Allerdings fange ich sofort an mir wieder einmal Gedanken über die Country-Scene zu machen: Wie soll man das Label, bei dem Freeman ist, einschätzen, das sich Free Dirt Records nennt? Ist Freeman naiv oder ausgefuchst? Ganze Teile der Country-Music waren jedenfalls schon immer reaktionär und es standen sich immer die Rednecks und die Outlaws gegenüber. Auch Intellektuelle haben sich jedenfalls von der dem ländlichen Süden Amerikas zugeordneten Musik, einer traditionellen Volksmusik aber auch in Europa, nicht immer ferngehalten. Die Mixtur von Pöbel, White Trash und Intellektuellen war dabei noch nie die unproblematischte. Und welchen Stellenwert haben eigentlich Frauen in der Country-Szene? Jedermann wollte Tammy Wynette mit „Stand By Your Man“. Doch die Fraktion, zu der Persönlichkeiten wie Emmylou Harris gehörten, hält es immerhin etwas komplizierter nicht nur mit Sensibilität und Sentimentalität. Traditionell wurde Wert auch immer darauf gelegt, dass es Songwriter und Songwriterinnen gibt als sogenanntes Sprachrohr der Minderheiten und der Schwachen, die nicht zum Mainstream Money gehören. Da tun sich aber manchmal dann Abgründe auf angesichts der alles vereinnahmenden Mainstream Music Industry und des Cultur Clashes, der immer wieder die Kultur von Proletarien und Intelligenzija betrifft. All die schönen Country-Songs sind jedenfalls nicht so einfach über einen Kamm zu scheren.

CD, 2016, 10 Tracks, Label: Free Dirt

Tina Karolina Stauner

25.09.2016