Kari Bremnes

“Det Vi Har“

‏‏Mit neunzehn Jahren macht sie sich auf, weg von dem norwegischen Dorf auf den Lofoten, um ein neues Leben zu beginnen. Kari Bremnes hatte damals noch keine Pläne, Musikerin zu werden, es zog sie einfach in die Stadt, es zog sie nach Oslo. Sie nahm dort Schauspielunterricht, jobbte nebenbei und begann nordische Sprache, Literatur, Geschichte und Theaterwissenschaften zu studieren. In dieser Zeit rückte mit dem Gesang die Musik in den Vordergrund, „die Lieder waren in meinem Kopf“. Mitte der 80er nahm sie ihr Debütalbum „Mitt Ville Hjerte“ auf und nun ist mit „Det Vi Har“ schon ihr 17. Album erschienen. Die Inspiration des Textes zum ersten Titel „Det Kunne Skjedd“ (übersetzt: Es hätte geschehen können) fand sie bei der aus Polen stammenden Literatur-Nobelpreisträgerin Wislawa Szymborska. Die einfache Sprache ihrer Gedichte und der ungewohnte Blickwinkel, aus denen sie erzählt werden, sind zu ihren kennzeichnenden Stilelementen geworden. Bremnes erzählt in diesem Song ebenso einfach, klar, düster und dunkel, von Glück und Unglück, so nah beieinander, so gegensätzlich und von Flucht und Freiheit. Der Song „Det E Min Sønn“ ist nicht weniger berührend. Ihr Bruder hatte die Musik komponiert und ihr geschickt, gemeinsam haben sie den Text dazu geschrieben. Eine Geschichte aus dem Blickwinkel einer Mutter, die ihren Sohn verabschiedet. Er ist Soldat und zieht in den Krieg. Bremnes war berührt und erinnerte sich an eine Begegnung von Israelis und Palästinensern in Jerusalem, eine Gruppe Eltern, die gemeinsam um ihre gefallenen Söhne trauerten. Auf dem Album singt Bremnes alle Texte in  Norwegisch und läßt sie dadurch bedeutungsvoller klingen. Ihre Stimme und die elektronischen Sounds aus Synthesizer, Gitarre und Drums geben der Platte einen fast surrealen Touch und ziehen mich in ihren Bann. Mit „Was wir haben“ (Übersetzung des Albumtitels) hat Bremnes ein außergewöhnliches Album geschaffen.

CD 2018, 11 Tracks, Label: Strange Ways Records

Anja Klein

18.07.2018