Olivia Pedroli

“A Thin Line“

Ob es an Island liegt, dass das neue Album der Schweizer Multiinstrumentalistin und Sängerin Olivia Pedroli so klar und doch so vielschichtig klingt? In sich ruhend, aber mit einer unterschwelligen Spannung? Die besondere Atmosphäre der größten Vulkaninsel der Erde wurde ja schon für viele außergewöhnliche Phänomene in Kunst, Musik und Literatur verantwortlich gemacht – und auch Olivia Pedroli konnte sich der Faszination Islands nicht entziehen. Nach ihrer ersten Kooperation mit Valgeir Sigurðsson, dem hochgelobten Album „The Den“ von 2012 kehrte sie für die Aufnahmen zu „A Thin Line“ nach Island zurück, um erneut mit Sigurðsson zu arbeiten. Die neuen Stücke sind kühn und phantasievoll instrumentiert (Flügelhorn, Cello, Percussion, Gitarre, Klavier, Elektronik), doch das wichtigste und prägnanteste Instrument ist Pedrolis Stimme, die stark, elegant und wandelbar zugleich ist. 
Pedroli hebt die Grenzen zwischen Jazz, Folk, Avantgarde und Klassik auf, was angesichts ihrer Laufbahn kaum verwunderlich ist: Sie studierte klassische Violine am Konservatorium, probierte danach die folk-poppige Richtung aus, tourte mit Paul Simon und Marianne Faithfull und wandte sich dann der Filmmusik zu – all diese Einflüsse und Stationen sind in „A Thin Line“ spürbar, ohne zu zerfasern. Pedrolis musikalische Sonderbegabung lässt Popsongs wie „This Is Where It Starts“ genauso leuchten wie kammermusikalische Rückzugsstudien wie „Mute“ und „Silence“. „A Thin Line“ ist für Fans von „The Den“ eine würdige Weiterentwicklung, für Pedroli-NovizInnen eine nachhaltige Entdeckung.

CD, 2014, 11 Tracks, Label: Harmonia Mundi

Christina Mohr

02.11.2014