Eva Bauers Vater Rolf gründete 1949 in Ludwigsburg ein Tonstudio und produzierte dort 40 Jahre lang Musik-Aufnahmen. Zum Beispiel mit Ernst Mosch und seinen Egerländer Musikanten – in Deutschland wurden sie als Volksmusik-Stars gefeiert, in den USA schwärmten die Jazz-Produzenten von dieser Bläsertruppe. Der ECM-Labelchef Manfred Eicher entwickelte mit dem Bauer-Toningenieur Martin Wieland in den 1970ern eine neue Klangästhetik, dieser „most beautiful sound next to silence“ (ECM-Werbeslogan) verfeinerte nicht nur die Hörgewohnheiten der Jazz-Fans.
Bei Bauer produzierte auch der schwäbische Massenchor-Dirigent Gotthilf Fischer seine Hits. Die ehemalige Geschäftsführerin und heutige Interviewpartnerin Eva Bauer-Oppelland erinnert sich: „Seine Begleitmusik haben wir im Studio aufgenommen. Dann holten wir die 600 Sängerinnen und Sänger in die Stuttgarter Messehalle und ließen sie zum Playback singen. Ich assistierte schon als Jugendliche meinem Vater und stand als Tape-Operatorin an der Aufnahme-Bandmaschine.“
Zur Kultstätte für Hifi-Freaks wurden die Bauer Studios wegen der Direktschnitt-Platten des Drummers Charly Antolini. „Er trommelte bei seiner ersten Aufnahmesitzung einige Etüden, von denen wir glaubten, dass nur Schlagzeug-Studenten sich dafür interessieren“, erinnert sich Eva Bauer-Oppelland. „Wegen ihrer Aufnahmequalität stehen seine LPs heute noch als Lautsprecher-Testplatten in Hifi-Verkaufsräumen. Und die Musiker kennen seitdem ebenfalls den Namen Bauer. Als der Bariton Thomas Quasthoff 2008 sein erstes Jazz-Album einspielte, kam er mit dem Produzenten Till Brönner zu uns.“
Nach dem Toningenieur-Studium übernahmen Eva Bauer-Oppelland und ihr Ehemann Reiner 1989 die Geschäftsleitung der Bauer Studios. In den folgenden Jahren bewältigten sie den Übergang von der Analog- zur Digital-Aufnahmetechnik. Außerdem erweiterten sie das ehemals reine Dienstleistungs-Studio um vier Tonträger-Labels und einen Musikverlag. 2017 verkaufte das Ehepaar Bauer-Oppelland das Tonstudio an drei Mitarbeiter. Seitdem wird Eva immer öfter nach ihren Erfahrungen als Musikproduzentin und Tonmeisterin gefragt. Winfried Dulisch wollte für MELODIVA von ihr wissen:
Warum sind weibliche Tonmeister immer noch so selten?
Es ist – ähnlich wie bei den Dirigentinnen – eine Frage der Akzeptanz bei den Musikern und Produzenten. In unserer Branche ist es immer noch nicht üblich, dass Frauen selbstverständlich auch leitende und bestimmende Funktionen übernehmen. Das bessert sich zwar zusehends, es gibt mittlerweile sehr toughe Bandleaderinnen und Solistinnen. Mit Bettina Bertok haben wir in den Bauer Studios auch wieder eine Frau im Tonmeister-Team und in der Geschäftsleitung.
Ein weiterer Grund, warum so wenige Frauen am Aufnahme-Mischpult sitzen, ist die manchmal sehr schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Arbeitszeiten sind mit einem Büroalltag nicht zu vergleichen. Eine Produktion kann sich über mehrere Tage hinziehen, die meist mehr als acht Stunden dauern. Außerdem kann ich noch eine Erfahrung weitergeben, die ich in meinen 40 Arbeitsjahren als Tonmeisterin und Produzentin gemacht habe: Frauen arbeiten meist zielorientiert und „verzetteln“ sich nicht so gerne mit dem Ausprobieren – was aber ja bei der Suche nach einem besonderen Sound sehr wichtig ist.
Welche Talente und Qualifikationen muss eine Tonmeisterin besitzen?
Grundsätzlich gehört eine gehörige Portion Einfühlungsvermögen und Psychologie zu unserem Job. Die Künstler erwarten einen fundierten Partner auf der anderen Seite der Scheibe. Während der Aufnahmen ist das studiotechnische Personal ein Teil des Produktions-Teams. Und es erfordert viel Ausdauer und Geduld, tagelang im Studio konzentriert für eine Produktion zu arbeiten.
Würden Sie heute lieber beim Rundfunk oder bei einem kommerziellen Studio ihre Tonmeister-Ausbildung beginnen?
Toningenieur und Tonmeister sind vollwertige Studiengänge, die in Deutschland nur an wenigen Hochschulen angeboten werden. Es ist eine Kombination aus Musik- und Medientechnik – früher nannte sich das Elektrotechnik. Die Frage, ob Rundfunk oder kommerzielles Studio empfehlenswerter sind, ist heute schwer zu beantworten, weil beide nur noch selten feste Stellenangebote machen.
Der wichtigste Unterschied ist aber, dass beim Rundfunk die Bereiche Technik und musikalische Aufnahmeleitung mehr getrennt sind, während in der freien Studioszene die Tonmeister immer beide Aufgaben erledigen – sie sind sowohl für die musikalische Aufnahmeleitung als auch den Klang und die Aufnahmetechnik zuständig. Außerdem ist eine Firma wie die Bauer Studios nicht auf eine Musikrichtung spezialisiert. Wir decken alle Genres ab – von der E-Musik über Weltmusik und Jazz bis zum Pop-Rock.
Autor: Winfried Dulisch